Geheimnis des Verbrenners: Die Verdichtung im Motor

Motor-Technik erklärt
Was ist eigentlich die Verdichtung?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 23.11.2025
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Was ist eigentlich die Verdichtung?
Foto: fact

Zwei Zahlen, ein Doppelpunkt – im Prospekt nur eine Zeile, auf der Straße ein ganzer Charakterzug deines Motors. Verdichtung ist eine dieser Kennzahlen, an denen viele gedanklich vorbeiscrollen. Hubraum, PS, Gewicht – klar. Verdichtung? "Wird schon passen."

Damit tust du deinem Motor Unrecht. Wer versteht, was im Brennraum passiert, liest das Datenblatt plötzlich wie einen Krimi.

Was ist eigentlich die Verdichtung?

Verdichtung ist zunächst simpel: Sie beschreibt, wie stark der Kolben das Frischgas im Zylinder zusammendrückt. Und das Verhältnis ist das Verhältnis der Volumenänderung.

  • Kolben ganz unten (unterer Totpunkt, BDC): größtes Zylindervolumen, was dem Einzelhubraum entspricht.
  • Kolben ganz oben (oberer Totpunkt, TDC): kleinstes Volumen, nur noch der Brennraum.

Hat der Zylinder unten 500 cm³ und oben bleiben 40 cm³ übrig, dann: 500/40 = 12,5:1.

Das heißt: Die Luft-Kraftstoff-Mischung wird auf ein Zwölftel ihres ursprünglichen Volumens zusammengepresst.

Warum benötigt der Motor Verdichtung?

Die Verdichtung des Kraftstoff-Luft-Gemischs im Brennraum ist nötig, um den Motor überhaupt zum Laufen zu bringen. Ohne Verdichtung wäre der Motor eine Luftpumpe.

Druck erzeugt Gegendruck, und wer schon einmal eine kleine Menge Benzin in einer Schale unter freiem Himmel verbrannt hat, weiß: Das wird kurz heiß, und das war's dann.

Wäre auf dieser Schale allerdings ein schwerer Deckel, sollte man in Deckung gehen, denn entweder fliegt der Deckel weg oder die Flammen schlagen am Rand heraus.

Je größer der Druck auf das Gemisch ist, desto mehr Kraft entwickelt das Verbrennen. Und die Kraft ist im Motor das Drehmoment.

Physikalisch passiert dabei:

  • Das Gemisch wird dichter und heißer.
  • Die Verbrennung läuft schneller und vollständiger ab.
  • Der Motor kann mehr Arbeit aus derselben Spritmenge holen.

Kurz: mehr Verdichtung = höherer thermischer Wirkungsgrad. Auf dem Prüfstand kann das mehr Leistung oder weniger Verbrauch bedeuten – je nachdem, worauf der Hersteller das Konzept trimmt.

Mehr Verdichtung, mehr Aufwand

Im Laufe der letzten 40 Jahre stiegen die Verdichtungen der Motoren rasant. Wichtigster Grund ist neben besseren Materialien und feinerer Bearbeitung der Einzug der Wasserkühlung. Sie ist nötig, um die steigenden Verdichtungen thermisch im Zaum zu halten. So begann die BMW R 100 GS 1987 mit reiner Luftkühlung noch bei 8,5:1. Die ersten ölgekühlten Boxer in der R 1100 GS und R 1150 GS verdichteten schon mit 10,3:1.

Die letzte GS ohne Wasserkühlung ging mit 12:1 wohl schon an ihre Grenzen, während die R 1200 mit Wasserkühlung und 12,5:1 über 10 Prozent mehr Leistung hatte. Vergleichsweise extrem erscheint die Verdichtung der aktuellen R 1300 GS mit 13,3:1. Ein Wert, mit dem vor knapp 10 Jahren nur die hochgezüchteten Superbikes fuhren.

ÜbrigensHätte die BMW R 100 GS die hohe Verdichtung der R 1300 GS, schrumpfte ihr Brennraum am OT von 57,5 cm³ um fast ein Drittel auf 37,4 cm³.

Mehr Verdichtung – was bringt das konkret?

Rein mechanisch ist "mehr Verdichtung" recht einfach. Der Brennraum am oberen Totpunkt muss einfach deutlich kleiner werden. Das steigert die geometrische Verdichtung. Mit begrüßenswerten Vorteilen:

Besserer Wirkungsgrad

Je stärker das Gemisch vor der Zündung verdichtet wird, desto effizienter der Verbrennungsprozess. Es geht weniger Energie als "Abwärme ohne Nutzen" flöten, mehr landet als Drehmoment an der Kurbelwelle und über die Drehzahl schließlich als Leistung am Hinterrad.

Mehr Drehmoment

Besonders im Teillast- und mittleren Drehzahlbereich kann ein gut ausgelegter, hoch verdichteter Motor spürbar satter anschieben. Nicht nur Spitzenleistung, sondern "gefühlt mehr Motorkraft" bei Alltagstempo.

Sauberere Verbrennung

Ein dichteres, heißeres Gemisch verbrennt, korrekt abgestimmt, vollständiger. Das hilft beim Emissionskampf – zumindest theoretisch, die Praxis ist wie immer etwas komplizierter.

Klingt nach "bitte alles auf Anschlag drehen". Leider gibt es ein Wort, das hier bremst:

Die dunkle Seite: Klopfen

Ab einem gewissen Punkt wird es dem Benzingemisch zu heiß und zu hektisch. Dann zündet es unkontrolliert zu früh und brennt mitunter so hart und schnell, dass richtige Druckschläge entstehen. Das nennt sich Klopfen oder Klingeln und in der Extremstufe Detonation.

Die Folgen reichen von Leistungseinbußen hin zu massiven Motorschäden durch verbrannte Kolbenböden und Ventile oder beschädigte Lager.

Klopfen entsteht, wenn das Gemisch an den Rändern des Brennraums selbstständig zündet, und zwar durch plötzlich veränderte Temperatur und Druck im Brennraum. Diese Änderungen entstehen kurz nachdem der Zündfunke das Gemisch regulär zündet.

Im Brennraum breiten sich dann mehrere Flammfronten aus, was als Vibrationen und Frequenzen, die über das Motorgehäuse als Störgeräusche nach außen gelangen und als Klingeln oder Klopfen hörbar sind. Und das hat unter anderem damit zu tun, wie teuer das Benzin war.

Verdichtung und Oktan hängen zusammen

Die Verdichtung hängt direkt mit dem Benzin zusammen und die ungewollte Selbstzündung mit der Oktanzahl des Kraftstoffs. Sie gibt an, wie klopffest der Sprit ist, wie früh oder spät er sich selbst entzündet.

Motoren mit hoher Verdichtung benötigen Benzin mit einer hohen Oktanzahl. Und da diese Zahl je nach Spritqualität oder anderen Einflüssen wie Außentemperatur schwanken kann, überwachen moderne Motoren die Verbrennung mit Klopfsensoren. So ein Sensor ist im Grunde ein Mikrofon, "hört" die ungewollten Detonationen und leitet sie als elektrische Signale weiter. Die Motorsteuerung reagiert gegebenenfalls mit unterschiedlichen Maßnahmen.

Die gängigste Maßnahme ist das Verschieben des Zündzeitpunkts nach spät, also weiter in Richtung des OT, was dem Motor etwas Kraft nimmt. Hört der Sensor kein Klopfen mehr, verschiebt die Elektronik den Zündzeitpunkt wieder in Richtung früh.

Neben dem Klopfen gibt es eine noch viel kritischere Situation. In der zündet das Gemisch selbst lange vor dem Zündfunken durch zu viel Sauerstoff im Gemisch oder durch überhitzte Teile im Brennraum. Hier hilft nur, mit mehr Benzin im Gemisch den Brennraum zu kühlen.

Grundsätzlich: Im Idealfall arbeitet der Motor immer knapp unterhalb der Klopfgrenze – da, wo der Wirkungsgrad am besten ist. Und eigentlich klopft es immer etwas im Brennraum, nur die Dosis macht das Gift.

Geometrische und effektive Verdichtung

Bei aufgeladenen Motoren mit Abgasturbolader oder Kompressor ändert sich die Sicht auf die Verdichtung und wird erneut spannender, denn es gibt bei diesen Motoren eine geometrische Verdichtung – die, die im Datenblatt steht.

Und eine effektive Verdichtung – das, was im Zylinder wirklich an Druck ankommt, inklusive Lader. Ein Kompressor oder Turbo presst extra Luft oder Gemisch in den Brennraum. Dieser Ladedruck erhöht die effektive Verdichtung und verlangt eine vergleichsweise niedrige geometrische Verdichtung. Wären beide Verdichtungen hoch, liefe der Motor, wenn überhaupt, nicht sehr lange. Deswegen laufen Turbo-Motoren und Kompressor-Motoren mit angepasster, also reduzierter geometrischer Verdichtung und sind trotzdem stärker.

ÜbrigensKonkretes Beispiel: Kawasaki setzt den Reihenvierzylinder mit 998 Kubik als Sauger oder mit Kompressor ein. In beiden Fällen mit einer Leistung von 200 PS. Allerdings verdichtet der Sauger in der Ninja ZX-10 R mit 13:1 und in der Z H2 mit Kompressor mit 11,2:1. Der Effekt des Kompressors zeigt das Drehmoment: maximal 111 Nm in der ZX-10 R und 136 Nm in der Z H2.

Ähnliches gilt für Zweitakt-Motoren, die ebenfalls eine geometrische und eine effektive Verdichtung haben. Die Geometrische wird berechnet wie bekannt zwischen UT und OT. Die Effektive indes von der oberen Kante des Überstromkanals bis zum OT. Im zweiten Fall also erst ab dem Punkt, wenn das vorverdichtete Gemisch im Zylinder ist und der Brennraum abgedichtet ist.

Verdichtung, Abgasnormen und der Euro-5-Spagat

Hohe Verdichtung erhöht nicht nur den Wirkungsgrad, so den Verbrennungsdruck und damit das Drehmoment, sondern auch die Verbrennungstemperaturen und damit tendenziell die Reaktion von Stickstoff und Sauerstoff zu Stickoxiden (NOx). Die sind im Kontext Euro 5 sowie zukünftigen Emissionsnormen nicht erwünscht und müssen aufwendig aus dem Abgas gereinigt werden.

Die Hersteller spielen daher ein mehrdimensionales Schiebepuzzle:

  • Verdichtung so hoch wie möglich, so niedrig wie nötig.
  • effektive Kühlsysteme, besonders für den Zylinderkopf.
  • Ausgefeilte Brennraumformen, die Verwirbelung und Flammweg optimieren.
  • Variable Steuerzeiten.
  • Sehr präzise Einspritzstrategien.
  • Abgaskatalysatoren und ggf. Partikelfilter.

Fazit