Wen es Anfang der 1980er-Jahre nach einem sportlicheren Bayern-Boxer gelüstete, dem bot Mike Krauser eine technisch interessante und exklusive Alternative.
Wen es Anfang der 1980er-Jahre nach einem sportlicheren Bayern-Boxer gelüstete, dem bot Mike Krauser eine technisch interessante und exklusive Alternative.
Was Motorentechnik und Leistung anbelangte, machte BMW es seinen Motorradkunden vor 30 Jahren wirklich nicht leicht: Die japanischen Hersteller präsentierten ein technisches Highlight nach dem anderen – man denke nur an die Multizylinder mit Vierventiltechnik von Honda und Suzuki. Daneben dümpelten die bayerischen Spitzenmodelle nominell mit 70 PS dahin.
Zweifellos hatte BMW mit der R 100 RS ein attraktives Paket geschnürt, das in Sachen Windschutz neue Maßstäbe setzte und in puncto Tourentauglichkeit nach wie vor das Maß der Dinge war. Dennoch rief auch die weiß-blaue Fraktion immer lauter nach mehr Leistung. Das hätte einer völlig neuen Motorengeneration bedurft, schließlich basierten die Boxer auf jener Konstruktion, die BMW 1969 in der /5-Baureihe präsentiert hatte und deren Hubraum durch stetige Vergrößerung der Bohrung bis auf 980 cm³ gewachsen war. Gegen die Vierventiltechnik stemmte sich der bayerische Hersteller vehement und würde seine Kunden noch über 10 Jahre warten lassen.
Doch wer, wenn nicht BMW selbst, sollte eine solche Aufgabe wagen? Mike Krauser, ein urbayerisches Original, sprang in die Bresche. Er war Insidern seit den 50er-Jahren bekannt und hatte sich mit Motorradkoffern weit über Deutschland hinaus einen Namen gemacht. Seine Erfahrungen im Motorradsport – er war in den 50er-Jahren mit seinem BMW-Gespann deutscher Vize-Meister auf der Sandbahn gewesen – ließen ihn nie los.
In den 80er-Jahren sponserte er zahlreiche Solo- und Gespannfahrer, die das Geschehen an der Weltspitze zeitweise diktierten. Weltmeister wie Toni Mang, Stefan Dörflinger, Sandbahn-Champion Karl Maier und die Gespann-Asse Rolf Biland, Werner Schwärzel, Alain Michel und Steve Webster profitierten von seinem Engagement. Auch national unterstützte Mike Krauser zahlreiche Fahrer. Gleichzeitig war er mit dem BMW-Werk eng verbunden: Anfang der 1970er-Jahre lieferte Krauser Motorräder an Kunden außerhalb Europas. Mit seinem Engagement für Zweiräder allgemein, der Verbindung zum Werk und den Beziehungen zu Fachleuten besaß Krauser alle Voraussetzungen, um dem in die Jahre gekommenen Boxer auf die Sprünge zu helfen.
Anders als Werner Fallert, der in diesen Jahren einen eigenständigen Königswellen-Boxer schuf, blieb Krauser aber dem Basismotor treu. Eine Neukonstruktion hätte den wirtschaftlichen Rahmen bei Weitem gesprengt. Damit stand fest, dass weiterhin eine zentrale Nockenwelle über Stoßstangen und Kipphebel die Ventile steuern würde.
Für Mike Krauser arbeitete Willi Roth. Der hatte im BMW-Rennmotorenversuch gelernt und einen eigenen Bahnrennmotor mit vier Ventilen konstruiert und gebaut, brachte daher die idealen Erfahrungen für Krausers Idee mit.
Roth entwarf neue Vierventilköpfe. Die Stoßstangen waren zweigeteilt und betätigten über geschmiedete Gabelkipphebel jeweils die beiden Ein- und Auslassventile. Dieser Aufbau erlaubte, die Zündkerze zentral im dachförmigen Brennraum zu platzieren. Geschmiedete Mahle-Kolben mit 94 mm Durchmesser verdichteten das Gemisch auf 10,2 : 1. Die beiden Gleichdruck-Vergaser von Bing versahen weiterhin ihren Dienst, ebenso die serienmäßige Auspuffanlage. Diese Maßnahmen steigerten die Leistung von nominell 70 PS bei 7250/min auf 82 PS bei 7300/min. Der Vierventiler generierte das Leistungsplus also nicht etwa über höhere Drehzahlen, sondern über bessere Füllung bei mittleren, förderlich für ein höheres Drehmoment über den gesamten Drehzahlbereich.
Tatsächlich war der originale Zweiventil-Motor sogar drehzahlfester: Zwar waren die kleineren Ventile des Krauser-Motors für sich genommen auf der Ein- und auf der Auslassseite rund 25 Gramm leichter, in der Summe aber deutlich schwerer als jene der BMW. Gleiches galt für die geteilten Stoßstangen und die Gabelkipphebel. Seine Grenzen kündigte der Krauser-Ventiltrieb bereits bei 7500/min akustisch an.
Doch beim Triebwerk machte Mike Krauser nicht Halt. Alfred Halbfeld und Peter Zettelmayer hatten als Ingenieursarbeit einen Gitterrohrrahmen für den BMW-Boxer entwickelt und in Langstreckenrennen eingesetzt. Der diente als Vorlage. Er nahm den Motor in Gummilagern 25 mm höher auf. In Verbindung mit der geringeren Baubreite des Vierventilers resultierte daraus eine deutlich bessere Schräglagenfreiheit. Die Flugzeugschmiede MBB fügte 16 Meter hochwertiges Chrom-Molybdän-Rohr zu einem präzisen Geflecht zusammen, welches 11,5 Kilogramm wog – 6,5 weniger als das Serienchassis.
Der ehemalige BMW-Designer Franz Wiedeman schuf eine Verkleidung mit integrierten Blinkern, inklusive einer Tank-Sitzbank-Kombination, wahlweise für Ein- oder Zweimannbetrieb. Darunter versteckte sich ein 21 Liter großer Tank. Die neue, 27 Millimeter breitere Schwinge erlaubte einen 130er-Hinterreifen. Den Rest übernahm die nach "Mike Krauser Motorsport" benannte MKM 1000 aus der Serie. Allein die Telegabel musste sich eine Begrenzung des Federwegs auf 160 mm gefallen lassen, um den Schwerpunkt abzusenken. Das Ensemble war in den Farben des Krauser Racing Teams lackiert: der Rahmen in Magenta, Verkleidung und Tank-Sitzbank-Kombination in Weiß mit dreifarbigem Streifendekor. Das Gewicht sank gegenüber der BMW R 100 S von 237 auf 222 kg.
Auf der IFMA 1980 präsentierte Krauser die MKM 1000 schließlich für 25 000 Mark inklusive Jahresgarantie. 1983 war der Preis für den Vierventiler auf 27 000 Mark gestiegen, was die MKM in die hochexklusive Liga von MV Agusta 1000 Corona und Münch TTS 1300 hob. Dass die Leistung hinterherhinkte, spielte dabei eine untergeordnete Rolle, denn längst waren die Japaner in dieser Disziplin führend: Hondas CBX hatte die 100-PS-Hürde klar geknackt, die Suzuki GSX 1100 deutete mit ungedrosselt weit über 100 PS den Weg.
Der Kunde konnte die MKM nicht nur über Krauser, sondern hochoffiziell über ausgewählte Händler des BMW-Vertriebsnetzes ordern, weshalb am Tank auch das BMW-Logo prangte. Doch es standen weitere Optionen offen: Für 2600 Mark konnte der Fahrer einer R 100 einen Motor-Umbausatz erstehen. Der enthielt in einem voluminösen Styroporkarton sämtliche Teile samt Umbauanleitung. Ein Fahrwerkskit für 10 000 Mark verwandelte den biederen Bayern-Boxer zumindest optisch in ein reinrassiges Sportmotorrad.
Ende 1980 konnte MOTORRAD mit dem Messe-Exponat erste Fahreindrücke sammeln. Der Motor hatte da allerdings noch keinen Prüfstandslauf absolviert, die Feinabstimmung stand noch bevor. Die Tester lobten seinerzeit den Rundlauf und das Drehvermögen des Boxers, ebenso die Fahrstabilität. Doch der Kunde musste noch warten; 1981 präsentierte Krauser den MOTORRAD-Redakteuren eine MKM 1000 mit dem serienmäßigen BMW-Zweiventiler. Das Lob überwog den Tadel: Gute Spurstabilität, hervorragende Verarbeitung und der Anschluss an das weltweite BMW-Servicenetz standen dem geringen Sitzkomfort, dem hohen Preis und den bescheidenen Fahrleistungen gegenüber.
Erst Anfang 1983 erhielten MOTORRAD und die Kunden den Vierventiler. Der brachte Klarheit ins Dunkel des versprochenen Leistungspotenzials. 76 PS bei 7200/min leistete der Krauser-Motor auf dem Prüfstand; der BMW-Zweiventiler schaffte 64 PS bei 7250/min. Das maximale Drehmoment von 85 Nm bei 4000/min übertraf das des Zweiventilers um 9 Nm und lag 1500 Umdrehungen früher an. Die Leistungs- und Drehmomentkurven spannten sich über den gesamten Drehzahlbereich nahezu proportional oberhalb der Kurven des Basismotors. Dank geringerem Gewicht und Vollverkleidung fielen auch die Fahrleistungen besser aus. Die MKM 1000 beschleunigte in 4,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h und nahm der BMW R 100 S damit eine halbe Sekunde ab; in der Höchstgeschwindigkeit übertraf sie die R 100 S mit 207 km/h um immerhin 12 km/h.
Fast drei Jahrzehnte später versucht MOTORRAD CLASSIC, die Reize einer Krauser MKM 1000 neu zu entdecken. Die mit einer Zweimannsitzbank versehene Leihgabe des BMW-Spezialisten Hans-Joachim Siebenrock weicht in einigen Details von der Serie ab: Die Gabel entstammt einem K-Modell von BMW, und Drahtspeichenräder ersetzen die originalen Gussräder. Geschmackssache sind immer noch die kantigen Formen der Verkleidung; die kompakten Zylinderköpfe mit den markanten Ventildeckeln weichen entscheidend vom gewohnten Bild des BMW-Boxers ab.
Der erste direkte Kontakt überrascht, wenn eine BMW R 100 gedanklich als Vergleichsbasis dient: Die Arme strecken sich zum schmalen Lenker und spannen den Oberkörper flach über den langen Tank. Die Beine suchen Halt auf hoch und weit hinten positionierten Rasten, die Knie beugen sich sportlich eng. Anders als die R 100 zwingt die MKM 1000 den Fahrer also in eine kompromisslos sportliche Haltung. Die Tankkante drückt in die Oberschenkel, und das dünne Sitzpolster erstickt jeden Gedanken an einen leisen Hauch von Komfort im Keim.
Vertraut gibt sich die MKM dagegen in ihren Lebensäußerungen, sie hört sich an wie eine gewöhnliche BMW R 100 – kein Wunder, die Peripherie blieb schließlich unverändert. Selbst das typische Ventiltickern klingt durch, tendenziell sogar etwas stärker, was wohl dem aufwendigen Ventiltrieb mit den geteilten Stoßstangen geschuldet ist.
Nach dem Warmfahren muss die Krauser auf der spanischen Rennstrecke von Calafat zeigen, was in ihr steckt. Auch in dieser Disziplin ist die Verwandtschaft zum Zweiventilboxer nicht zu leugnen, die Leistungscharakteristik nahezu identisch. Ab 3000/min legt sich der MKM-Motor jedoch spürbar kräftiger ins Zeug und sattelt über den gesamten Drehzahlbereich stetig Drehmoment und Leistung drauf. Die MKM 1000 fühlt sich in etwa an wie ein Zweiventil-Boxer mit 20 Prozent mehr Hubraum. Auch das Drehvermögen zeigt starke Parallelen: Hohe Drehzahlen mag der Vierventiler nicht, ihn bis an den roten Bereich auszuquetschen, bringt nur erhöhte Geräuschentwicklung. Die Krauser gibt also, mehr noch als das Original, eher den tourentauglichen Kaltblüter als das nervöse Rennpferd.
Wenig Verwandtschaft zur Basisversion will sich beim Fahrverhalten einstellen, was sich auf der winkligen Rennstrecke deutlich zeigt. Speziell in engen Wechselkurven verlangt die MKM deutlich mehr Handkraft und Körpereinsatz als die für ihr spielerisches Einlenken bekannte BMW – Tribut an 5 mm mehr Nachlauf, 45 mm mehr Radstand, den höheren Schwerpunkt und die extrem sportliche Sitzposition.
Dafür glänzt die MKM mit deutlich höherer Fahrstabilität und besserer Lenkpräzision. Selbst schnelle Kurven mit Bodenwellen steckt sie gelassen weg. Allein die Abstimmung der straffen Gabel harmoniert nicht ganz mit den eher komfortablen Serien-Federbeinen, zumal das Heck etwas tief in den Federn hängt. Die Schräglagenfreiheit ist über jeden Zweifel erhaben. Selbst auf der Rennstrecke sind stets genügend Reserven vorhanden – deutlich mehr jedenfalls, als die etwas in die Jahre gekommene Bereifung bietet.
Das gleiche Bild zeigt sich auf der Landstraße. In winkligen Passagen verlangt das Krauser-Fahrwerk dem Piloten Einsatz ab, eine R 100 S könnte der MKM 1000 hier mühelos folgen. Je schneller und weitläufiger die Strecke ist, desto mehr kann die MKM ihr Potenzial ausspielen und in bessere Fahrleistungen ummünzen. Durch die geduckte Sitzposition und die relativ ausladende Scheibe mit Spoilerlippe bietet sie bei höheren Geschwindigkeiten sogar ordentlichen Windschutz.
Das Getriebe schaltet sich BMW-typisch etwas hakelig und verlangt für den korrekten und geräuscharmen Gangwechsel ein wenig Zeit. Wegen der bulligen Motorcharakteristik passt die Abstufung in jeder Lebenslage. Die Bremsen kommen mit den gebotenen Fahrleistungen gut zurecht, auch die Vibrationen halten sich dank der elastischen Lagerung des Motors in Grenzen. Geradezu dezent spürt man selbst bei höheren Drehzahlen den Arbeitseinsatz des Boxers.
Bleibt also ein überraschendes Fazit: In Sachen Triebwerk ist die MKM trotz des aufwendigen Umbaus auf die Vierventilköpfe eine typische BMW geblieben. Um den Preis geringerer Handlichkeit kann sie zudem mit brillanter Fahrstabilität aufwarten. In den Genuss dieses äußerst exklusiven Bayern-Renners kamen bis zum Produktionsende 1986 weltweit 237 Enthusiasten, weit mehr als die Hälfte der Gesamtproduktion ging nach Japan.
Nebenwirkungen mögen bei längerem Gebrauch des bayrischen Dopingmittels aufgetreten sein: Häufig befiel Pitting Teile der Ventilsteuerung. Doch das war weniger entscheidend, denn wer eine der exklusiven MKM 1000 für den flotten Sonntagsritt besaß, hatte sicher auch noch einen BMW-Boxer für die große Urlaubstour im Stall stehen.
Andererseits war dank der Motorcharakteristik des Vierventilers die Kombination aus Serienfahrwerk und Motorumbau vielleicht die reizvollste Variante überhaupt, nicht nur wegen des günstigen Einstandspreises, sondern wegen des deutlichen, touristisch orientierten Muskelzuwachses. Auf jeden Fall kann Mike Krauser als Entwicklungspionier in Sachen BMW-Boxer gelten, schließlich nahm er die Vierventiltechnik gegenüber dem Werk um mehr als zehn Jahre vorweg.
Motor: luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, zentrale Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Stoßstangen, Gabelkipphebel, Bohrung 94 mm, Hub 70,6 mm, Hubraum 980 cm³, Verdichtung 10,2:1, 2 PS bei 7300/min, 85 Nm bei 4000/min, Bing-Gleichdruckvergaser,
Ø 40 mm
Elekrische Anlage: E-Starter, kontaktlose Transistorzündung, Drehstromlichtmaschine
Kraftübertragung: Einscheiben-Trockenkupplung, klauengeschaltetes Fünfganggetriebe, Kardanantrieb
Fahrwerk: Gitterrohrrahmen, Telegabel, Schwinge mit zwei Federbeinen, Drahtspeichenräder mit Alufelgen (Serie: Gussräder), Reifen vorn 3.50 V 19, Reifen hinten 130/80 V 18, vorn Doppelscheibenbremse, Ø 260 mm, Zweikolbensättel, hinten Simplex-Trommelbremse
Maße und Gewicht: Radstand 1510 mm, Nachlauf 105 mm, 222 kg, Tankinhalt 21 Liter
Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 207 km/h
Preis: 27000 Mark (1983)
Hersteller: Michael Krauser, Hörmannsberger Straße 18, Mering