Teure Diva oder genügsamer Musterknabe? Wie bekommt ein Motorrad seinen Platz in der Dauertest-Wertung, und was verbirgt sich im Einzelnen hinter den Wertungskriterien?
Teure Diva oder genügsamer Musterknabe? Wie bekommt ein Motorrad seinen Platz in der Dauertest-Wertung, und was verbirgt sich im Einzelnen hinter den Wertungskriterien?
Wo rangiert ein Modell in der Hierarchie der Dauerläufer, haut es bei den Betriebskosten ein größeres Loch ins Portemonnaie als andere Maschinen, liegt es in der Zuverlässigkeit über oder unter dem Schnitt?
Hierfür hat MOTORRAD vor fünf Jahren ein Bewertungssystem mit Punktetabelle eingeführt, die mit jedem Langstreckentest aktualisiert wird. Sie ist keine allgemeine Pannenstatistik, spiegelt gleichwohl repräsentative Einzelfälle wider. Es entscheidet aber nicht ein einzelnes Kriterium über Top oder Flop, die Summe der Kriterien ist ausschlaggebend.
Die Tabelle "Kosten + Wartung" auf Seite 42 zeigt, was alles in die Kostenbilanz einfließt. Hier zählen Inspektionen ebenso dazu wie der Bedarf an Reifen und sonstigen Verschleißteilen. Die reinen Betriebskosten also. Mit Kardan, moderaten Inspektionskosten und genügsamem Umgang mit Reifen und Bremsbelägen ist die R 1200 GS das Gegenteil der Ducati 999, die am unteren Ende der Skala rangiert. Doch anders als in der Tabelle auf Seite 42 bleiben für die Dauertest-Wertung die Benzinkosten unberücksichtigt. Die enormen Preisunterschiede beim Treibstoff würden sonst vor allem über die Jahre hinweg eine Vergleichbarkeit unmöglich machen.
BMW R 1200 GS: 23 von 25 Punkten (MOTORRAD 21/2005)
Ducati 999: 6 von 25 Punkten (MOTORRAD 26/2005)
Bewertet wird der reine Verbrauch. Der stark schwankende Benzinpreis verbietet einen Vergleich der Spritkosten. Ob Normal oder Super vorgeschrieben ist, wirkt sich preislich ohnehin nicht mehr aus. Davon abgesehen eröffnet die tabellarische Übersicht interessante Einblicke. So geht Maximal-Power nicht zwingend mit hohem Verbrauch einher, wie die Suzuki GSX-R 1000 mit durchschnittlich 5,9 Litern beweist. Den größten Durst seit Bestehen der Dauertest-Wertung hatte mit 7,3 Litern die MZ 1000 S. Die Messlatte hingegen hängt derzeit bei 4,8 Litern. Durchschnittlich auf 50000 Kilometer, wohlgemerkt, im Minimum geht da weniger. Hingehängt haben sie dort Yamaha XT 660 X und BMW F 800 S. Dass die BMW trotzdem nur mit Müh und Not in den Top Ten rangiert, liegt am Zustand der Innereien, der sich nach dem Zerlegen offenbarte. Aber das ist ein anderes Kapitel.
BMW F 800 S: 5 von 5 Punkten (MOTORRAD 2/2008)
MZ 1000 S: 1 von 5 Punkten (MOTORRAD 1/2006)
Ein Wertverlust von 30 oder weniger Prozent nach Testende wird mit maximal zehn Punkten belohnt. Für jeweils drei Prozent mehr Wertverlust gibt es einen Punkt Abzug. Die neue Spitzenreiterin Road King glänzt mit niedrigen 25 Prozent Wertminderung. Ermittelt werden die Preise per Schwacke-Liste, wobei die Werte anhand von Marktdaten überprüft werden. So sind die Milwaukee-Eisen auf dem skandinavischen Markt sehr beliebt. Die dortigen hohen Steuersätze auf neue Motorräder machen Gebrauchte aus Mitteleuropa zu echten Schnäppchen. Und halten hier das Preisniveau hoch. Den mit 56 und 55 Prozent höchsten Wertverlust erlitten Ducati 999, Kawasaki ZZR 1400 und Z 1000 sowie Suzuki V-Strom 1000.
Harley-Davidson Road King: 10 von 10 Punkten (MOTORRAD 23/2008)
Suzuki V-Strom 1000: 2 von 10 Punkten (MOTORRAD 2/2004)
Eine der beiden Königsdisziplinen des Langstreckentests. Daher mit 30 Punkten gewichtet. 20 gibts, wenn nie eine Panne die Weiterfahrt verhinderte. Zehn, wenn kein außerplanmäßiger Werkstattbesuch anfiel. Jedes Liegenbleiben wird mit fünf Punkten Abzug bestraft, jeder sonstige Defekt mit einem Punkt Abzug. Musterknabe ist bislang die Honda VFR-ABS, die nur einmal wegen eines verschlissenen Lenkkopflagers ungeplant die Werkstatt sah. Einen echt schlechten Lauf erwischte die KTM 950 Adventure. Neunmal gings unplanmäßig in die Werkstatt, zweimal mit defekter Benzinpumpe ausgerollt, rote Laterne in dieser Disziplin. Auch die Buell XB12S verendete auf Tour zweimal mit dem gleichen Defekt Zahnriemen gerissen.
Honda VFR: 29 von 30 Punkten (MOTORRAD 17/2003)
KTM 950 Adventure: 11 von 30 Punkten (MOTORRAD 16/2005)
Das, was am brennendsten interessiert. Butter bei die Fische, wenn das Innerste nach außen gekehrt wird. Gewichtet mit 30 Punkten. Aufgeteilt in zehn für den Allgemeinzustand, also das Fahrwerk mit Lagern, die Qualität der Lackierung und übrigen Oberflächenbeschichtungen. Zehn Punkte sind maximal beim Vermessen des zerlegten Motors zu ergattern. Für jedes Bauteil, das über dem vom Hersteller angegebenen Verschleißmaß liegt, gibt es einen Punkt Abzug. Weitere zehn Punkte sind für den allgemeinen Zustand der ausgebauten Teile zu holen. Ist etwa eine Ölpumpe oder ein Kolben maßhaltig, muss aber wegen Verschleißspuren wie Riefen oder Materialausbrüchen getauscht werden, gibt es einen Minuspunkt. Die ZZR 1400 glänzte, während die Ducati 999 arg mit-genommen aussah.
Kawasaki ZZR 1400: 28 von 30 Punkten (MOTORRAD 3/2008)
Ducati 999: 9 von 30 Punkten (MOTORRAD 26/2005)