Ducati wendet sich mit einem neu entwickelten ABS von Brembo und Bosch an die Sportfahrer. MOTORRAD fuhr exklusiv erste Tests.
Ducati wendet sich mit einem neu entwickelten ABS von Brembo und Bosch an die Sportfahrer. MOTORRAD fuhr exklusiv erste Tests.
Supersportler und ABS passten bisher nicht zusammen. Kein echter Sportfahrer traute der elektronisch geregelten Stotterbremse mehr zu als seinen hochsensiblen Bremsreglern Hand und Fuß. Und tatsächlich verschenkten die bis heute auf den Markt gebrachten Systeme im Extremfall wertvolle Meter im Trockenen. Im Nassen, oder bei Reibwertsprüngen, waren schon die bisherigen ABS-Systeme von BMW und Honda jedem Fahrer überlegen. Erst das ABS III von BMW realisiert auch im Trockenen das physikalische Maximum. Mit und ohne ABS bremsen allerdings nur absolute Profis mit aktuellen BMW heute im Trockenen gleich stark.
Mindestens das will auch Ducati schaffen und führt nun im Sporttourer ST 4 S ein neues Antiblockiersystem ein. Das von Bosch und Brembo entwickelte und in Zusammenarbeit mit Ducati erprobte ABS arbeitet wie die aktuellen Systeme BMW und Honda. Radsensoren aktivieren bei Blockiergefahr über einen Rechner Magnetventile und Pumpen in der zentralen Hydraulikeinheit, welche den Bremsdruck modulieren. Laut Ducati optimiert das ABS den Bremsweg bis zur physikalischen Grenze, da die Regelung erst einsetzt, wenn eines oder beide Räder nahezu blockieren. Ein ultraschneller Rechner samt Hydraulikeinheit reagiere dabei innerhalb von zwei Millisekunden. Spezielle druckfeste Leitungen und Fittings sollen die Druckmodulation exakt an die Bremssättel weiterreichen. Über einen Knopf an der linken Schaltereinheit lässt sich das System für den Einsatz auf der Rennstrecke abschalten, worauf eine viel zu mickrige Kontrolllampe mit Blinken hinweist. Mit fünf zusätzlichen Kilogramm hält sich das Mehrgewicht in Grenzen.
Die zentrale Hydraulikeinheit wurde perfekt unter der Sitzbank integriert. So wundert nicht, dass man beim Fahren der ST 4 S keinen Unterschied zur Version ohne ABS merkt. Die fünf Kilogramm, schwerpunktgünstig untergebracht, sind einfach nicht spürbar. Erstaunlich dagegen, dass sich beim probehalber heftigeren Verzögern auf öfentlicher Straße nichts tut. Die Ducati bremst Schluss. Nur am Hinterrad schafft man es, in den Regelbereich zu kommen, allerdings nach heftigem Tritt auf den Bremshebel.
Auf dem MOTORRAD-Top-Test-Areal muss die Ducati Farbe bekennen. Der griffige Belag erlaubt Fahrversuche am Limit, hunderte von Bremsmessungen im Jahr werden dort von den Testern durchgeführt. Erster Versuch, trockene Fahrbahn: Die Ducati stellt sich immer wieder aufs Vorderrad, bremst extrem vehement. Durchschnittlich erreicht Testprofi Karsten Schwers eine Verzögerung von 10,3 m/s², respektive 37,5 Meter Bremsweg bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h. Höchstes Niveau also. Dabei muss er sich jedoch mit viel Feingefühl auf dem schmalen Grat zum Überschlag entlangtasten und kämpft gegen das abhebende Hinterrad, vor allem nahe dem Stillstand. Mit abgeschaltetem ABS erreicht er dieselben Werte.
Zweiter Versuch: regennasse Fahrbahn. Das ABS tritt spürbar in Funktion. Nicht allein der pulsierende Handhebel, sondern auch harte Verzögerungswechsel signalisieren dem Fahrer die physikalischen Grenzen. Gegen Ende der Bremsung ist ein Stoppie nahezu obligatorisch. Verzögert der Testpilot gerade so stark, dass das Hinterrad ständig Bodenkontakt hält, liegen die durchschnittlichen Verzögerungen aus 100 km/h bei durchschnittlich 9,3 m/s², was einem Bremsweg von 41,5 Metern entspricht, ein Wert, den viele Motorräder gerade eben auf trockener Fahrbahn erreichen. Perfekt. Dritter Versuch: eine mit Laub verzierte, schmierseifenartig rutschige Fahrbahn. Die Ducati verzögert sanft, schwimmt leicht mit dem Vorderrad, die Bremse regelt aber extrem feinfühlig entlang der Haftgrenze. Ebenfalls ein tolles Ergebnis.
Insgesamt glänzt das Ducati-ABS mit hervorragenden Verzögerungswerten, regelt extrem feinfühlig. Das Hinterradsteigen bei hoch griffiger Fahrbahn und somit höchster Bremsleistung fordert aber den ganzen Fahrer, ja eigentlich einen Profi. Der muss mit schneller Reaktion gegen Ende der Bremsung die Rolle vorwärts verhindern. Andere ABS-Motorräder neigen zwar ebenfalls zum Stoppie, allerdings nicht in so extremer Form.
Die mit antiblockiersystem ausgerüstete Ducati ST 4 S kostet auf 14200 Euro. Viel Geld für den Sporttourer, wobei der Aufpreis von 1000 Euro für das neue ABS durchaus gerechtfertigt ist.