Yamaha hat der Tracer 700 ein Facelift spendiert. Aber auch unter der Verkleidung hat sich einiges getan. Eindrücke von der Präsentation des Crossover-Zweizylinders auf Teneriffa.
Yamaha hat der Tracer 700 ein Facelift spendiert. Aber auch unter der Verkleidung hat sich einiges getan. Eindrücke von der Präsentation des Crossover-Zweizylinders auf Teneriffa.
Vor ziemlich genau vier Jahren kam das erste Modell der Tracer 700 von Yamaha auf den Markt. Auf Basis der MT-07 mit ihrem CP2-genannten Motor kreierte Yamaha ein Crossover-Bike, quasi eine Reiseenduro für den reinen Straßenbetrieb. Und mit ihrer aufrechten Sitzposition, dem narrensicheren Fahrverhalten, dem guten Windschutz sowie dem wirklich tollen Zweizylinder fand das Bike schnell viele Fans.
Die dürfen gerne noch mehr werden, weshalb sie bei Yamaha der Tracer 700 jetzt ein Update spendierten. Erster offensichtlicher Ansatz dafür: Die Verkleidung. Weniger zerklüftet, glattflächiger schmiegt sie sich nun ums Motorrad. Das wirkt gleich eine Spur sportlicher und edler. Dazu gestaltete Yamaha vor allem die Scheinwerfer neu. Schlitzförmg fügen sich die Abblendlichter in die Frontverkleidung ein, das erinnert fast ein wenig an die R1. Dazu kommen noch unter der Verkleidung angebrachte Positionslampen. Neu: Alle Leuchtmittel am Bike nutzen LED-Technik. Das ist nicht ganz unwichtig, weil der CP2-Motor in der neuen Tracer 700 der erste 700er-Zweizylinder von Yamaha ist, der die Euro 5-Norm erfüllt. Die machte eine größere Abgasreinigungsfabrik nötig, wie an der direkten Krümmerzusammenführung vor dem Motor zu sehen ist. Motornah erfasst dort eine Lamdasonde die Abgaswerte, damit die Kats ideal arbeiten können.
Ohne Mehrgewicht ließ sich das nicht realisieren. 1,5 Kilogramm sollen dazugekommen sein. Die konnte Yamaha durch die LED-Lichter, durch die leichtere Verkleidung und durch eine kleinere Batterie wegen des geringeren Strombedarfs aber wieder einsparen. Heißt: auch weiterhin soll die Tracy nur 196 Kilogramm wiegen. Sie wäre damit immer noch das Leichtgewicht in dieser Klasse. Auch wenn die Überprüfung auf der MOTORRAD-Waage noch aussteht, Zweifel daran sind nicht angebracht. Wie bisher schon huscht die Tracer wieselflink durch Kurven, mit denen Teneriffa von der Küste bis zum Gipfelplateau des Teide, des höchsten Berges Spaniens, gespickt ist. Kurz einen leichten Impuls am nun 34 Millimeter dicken Lenker gegeben, und die 700er nimmt den gewünschten Schräglagenkurs ein.
Besonders, wenn die Kurven eng und verzwickt sind, kann sie ihre Talente voll ausspielen, weil sie ohne Zickigkeiten und mühelos um jede noch so trickreiche Spitzkehre sticht. Einen großen Anteil daran hat weiterhin ihr Zweizylinder. Auch wenn er im Zuge der Euro 5-Abstimmung eine Pferdestärke verloren haben soll, dieser Antrieb ist einfach immer da. Selbst die erwähnten Spitzkehren umrundet die Tracer 700 locker im zweiten Gang mit leichtem Griff zur gut dosierbaren Kupplung. Und am Kurvenausgang marschiert der 689 Kubik große Motor mit ordentlich Schmackes und fein dosierbarer Power auf den nächsten Knick zu. Vor dem sorgt die bekannte, knackig ausgelegte Bremse mit ihren zwei 282 Millimeter großen Scheiben an der Front fürs richtige Einbiegetempo, verhindert das ABS, das keine Abhebeerkennung fürs Hinterrad besitzt, blockierende Räder.
Erst wenn die Biegungen flotter werden, fühlt sich die Tracer 700 weniger wohl. Eine Eigenart, die schon das Vorgängermodell aufwies. Weil: Ganz oben geht dem Motor, dessen Übersetzung Yamaha mit zwei Zähnen mehr am Kettenblatt (jetzt 45, vorher 43 Zähne) leicht verkürzt hat, etwas die Puste, hängt er nervöser an den immer noch zum Einsatz kommenden Gaszügen. Zudem zeigt das Fahrwerk dann auf, dass Yamaha in Sachen Fahrwerkabstimmung weiterhin auf die Karte Komfort und etwas weniger auf Stabilität setzt. Daran ändert selbst das Update beim Fahrwerk nichts. Gabel und Dämpfer sind nun in Vorspannung und Zugstufe einstellbar, wobei das Setting des Federbeins komplett gleich blieb. In die Gabel baute Yamaha eine Cartridge samt etwas weicherer Federn ein. Am gutmütigen, aber etwas unterdämpften Fahrverhalten, ändert das nichts. Muss es aber auch nicht, weil die Tracer 700 eben nicht nur Sport, sondern auch Touren können will.
Hier setzt sie mit der nun auch während der Fahrt um 65 Millimeter verstellbaren Scheibe und dem um zehn Millimeter aufgepolsterten Soziussitz wirkungsvolle Ausrufezeichen. Zudem will Yamaha die Zuladung angehoben haben. Die lag bisher je nach Ausstattung unter 170 Kilogramm, jetzt soll das Tracer-Rahmenheck immerhin 181 Kilogramm wegstecken. Kein Bestwert, aber ein klarer Mehrwert.
Und Touren kann die Tracer weiterhin wirklich gut. Mit einer Sitzhöhe von 835 Millimeter, dem griffgünstig platzierten Lenker und den passend angebrachten Fußrasten sowie der kommod-straff gepolsterten Sitzbank zwickt selbst nach mehreren hundert Kilometern nichts. Allenfalls Großgewachsene würden sich etwas mehr Abstand zum Lenker wünschen, für Menschen bis 185 Zentimeter passt dieses Arrangement aber wie der Deckel auf den Topf.
Womit die Tracer 700 ihrem grundsätzlichen Wesen treu bleibt, ein klasse Tourensport-Mobil für Anfänger und Fortgeschrittene ist. Einfacher Motorrad fahren als mit ihr – fast nicht vorstellbar! Und günstiger sowieso nicht. Für etwas mehr als 8.000 Euro stand die Tracer bisher in der Yamaha-Preisliste, für die neue 2020er-Tracy ruft Yamaha nun 8.499 Euro auf. Per vier bereits vorkonfigurierter Ausstattungspakete für Reise, Sport, City und Wochenendtrips lässt sich die Preisschraube allerdings noch etwas nach oben schrauben.
Die neue Tracer 700 ist ganz die Alte geblieben. Zwar in ein neues Kleid gehüllt, an manchen Stellen auch technisch feingeschliffen, hat sich ihr grundsätzlicher Charakter nicht geändert. Und das ist gut so, weil ihr toller Zweizylinder-Motor, das spielerische Handling, die guten Umgangsformen nach wie vor begeistern. Da ist gar kein Update notwendig. Und die paar leichten Schwächen nimmt sich Yamaha bestimmt bei der nächsten Überarbeitung vor.