6 Motorräder im Verbrauchstest
Versuchsreihe über alle Klassen hinweg

Wie ist eigentlich der Stand der Dinge in Sachen Kraftstoffverbrauch bei Motorrädern? Eine Versuchsreihe mit Honda CB 300 R, KTM 790 Duke, Yamaha MT-09, Kawasaki Ninja H2 SX, Ducati Panigale V4 S und Honda GL 1800 Gold Wing.

Versuchsreihe über alle Klassen hinweg
Foto: Tyson Jopson

An dieser Stelle geht es nicht um den Wettstreit der Antriebskonzepte, sondern um die Effizienz von Verbrennungsmotoren. Schließlich ist der fossile Brennstoff endlich, und geschenkt gibt es das Feuerwasser auch nicht. Was also ist der Stand der Dinge in Sachen Verbrauch? Um dies zu beantworten, haben wir sechs Maschinen der neuesten Generation zu einem umfangreichen Verbrauchstest versammelt. Ein, zwei, drei, vier und sechs Zylinder, einmal zwangsbeatmet, 30 bis 214 PS. Ein breites Spektrum. Wie viel konsumieren Honda CB 300 R, KTM 790 Duke, Yamaha MT-09, Kawasaki Ninja H2 SX, Ducati Panigale V4 S und Honda Gold Wing minimal, wie viel maximal? Und wie viel bei flotter Landstraßensause?

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So wurde getestet

Minimaler Verbrauch: Wurde auf der Autobahn ermittelt. Sofort in den höchsten Gang schalten und mit moderater Drehzahl bei gleichbleibend niedriger Last dahinrollen.

Maximaler Verbrauch: Wurde auf einer nicht geschwindigkeits­begrenzten Autobahn ermittelt. Der Volllastanteil sollte so groß wie möglich sein.

Landstraße flott: Zügiges Tempo, es durfte kräftig beschleunigt werden. Die Drehzahlen bewegten sich im optimalen Drehmomentbereich. Abwechselnde ­Beschleunigungs- und Bremsphasen.

Honda CB 300 R

Tyson Jopson
2,2 Liter Minimalverbrauch, 7,2 Liter Maximalverbrauch und 3,3 Liter auf der Landstraße - das hat der Verbrauchstest für die Honda CB 300 R ergeben.

Leicht, einzylindrig, modern – und damit prädestiniert für sehr geringe Verbräuche. Die sich auch ohne Weiteres realisieren lassen. Schon eine moderat zurückhaltende Gashand wird mit der Zwei vorm Komma belohnt, und selbst auf flotter Runde bleibt der Verbrauch sehr niedrig. Nur Autobahn-Gebolze kostet.

KTM 790 Duke

Tyson Jopson
3,2 Liter Minimalverbrauch, 8,5 Liter Maximalverbrauch und 4,5 Liter auf der Landstraße - so sieht die Bilanz für die KTM 790 Duke aus.

Die 790 Duke weiß auch in Sachen Verbrauch auf ganzer Linie zu überzeugen. Gemütliches Landstraßentempo belohnt sie mit vier Komma nichts, richtig spaßig geht mit deutlich weniger als fünf Litern. Schließlich, und das ist eine Sensation, ein Vollgasverbrauch beinahe auf Augenhöhe mit einem 30-PS-Einzylinder.

Yamaha MT-09

Tyson Jopson
3,3 Liter Minimalverbrauch, 10,4 Liter Maximalverbrauch und 4,8 Liter auf der Landstraße - sind es bei der Yamaha MT-09.

Auch die MT-09 belohnt Fahren mit Köpfchen merklich. Unter fünf Liter sind ohne Weiteres mit Spaßbetrieb vereinbar, weniger geht immer. Stumpfes Geballer allerdings treibt den Verbrauch deutlich in die Höhe – über zehn Liter haben wir so auf der Autobahn durch die Düsen gejagt. Und das trotz Limiter bei 210.

Kawasaki Ninja H2 SX

Tyson Jopson
3,9 Liter Minimalverbrauch, 13,5 Liter Maximalverbrauch und 5,2 Liter auf der Landstraße - das hat der Verbrauchstest für die Kawasaki Ninja H2 SX ergeben.

Was für ein Spektrum: Unter vier Liter sind möglich, oder locker über 13 – wobei letzterer Wert sich bei völlig freier Bahn vermutlich noch um das eine oder andere Literchen heben lassen dürfte. Im Normalfall aber gibt sich die Kawasaki im Umgang mit Kraftstoff trotz Kompressor höchst diszipliniert. Das verdient Anerkennung.

Ducati Panigale V4 S

Tyson Jopson
4,7 Liter Minimalverbrauch, 13,8 Liter Maximalverbrauch und 8,1 Liter auf der Landstraße - sind es bei der Ducati Panigale V4 S.

Sind 13,8 Liter viel? Auf den ersten Blick sicherlich. Doch erstens gelang es beim letzten Verbrauchsvergleich anno 2013 noch, auf einer 1299 Panigale 15,9 Liter zu verblasen – und zweitens ­erscheint der Maximalverbrauch angesichts der gebotenen Fahrleistungen relativ human. Eher der hohe Normalverbrauch lässt stutzen.

Honda GL 1800 Gold Wing

Tyson Jopson
3,8 Liter Minimalverbrauch, 10,3 Liter Maximalverbrauch und 5,6 Liter auf der Landstraße - so sieht die Bilanz für die Honda GL 1800 Gold Wing aus.

Ihrem Gewicht und ihrer Sechszylindrigkeit zum Trotz begnügt sich die GL 1800 mit lobenswert wenig Kraftstoff. Immerhin wiegt sie so viel wie zweieinhalb CB 300, hat sechsmal so viel Hubraum und Zylinder – verbraucht dabei aber lange nicht das Doppelte. Fortschritt: Frühere Gold Wings gaben sich bei Weitem nicht so sparsam.

Spritspar-Tipps

Wer die folgenden Maßnahmen und Tipps beachtet, kann seinen individuellen Spritverbrauch senken – und das ganz ­ohne Einbußen bei der Fahrdynamik.

Luftdruck prüfen: In regelmäßigen Abständen den Luftdruck zu prüfen und laut Herstellerempfehlung zu korrigieren, ist ohnehin eine sinnvolle Sache. Auf längeren Autobahnetappen empfiehlt es sich, den Luft­druck auf das maximal zulässige Niveau zu erhöhen.

Antriebskette prüfen: Eine verschlissene oder falsch gespannte Kette kostet ebenso Leistung und damit Benzin wie eine mangelnde Schmierung.

Unnötiger Ballast: Seitenkoffer, Topcase und Rucksäcke sind feine Transportmedien. Werden sie nicht benötigt, heißt es jedoch: runter damit! Durch die schlechtere Aerodynamik und das Mehrgewicht steigt der Treibstoffbedarf unnötig an.

Kleidung: Nicht nur aus Sicherheitsaspekten sollte man auf eine flatterfreie und eng anliegende Schutzkleidung achten. Gerade bei hohen Geschwindigkeiten blähen sich zu große Jacken auf und kosten Sprit.

Kaltstart: Ist der Motor noch kalt, verbraucht er deutlich mehr Treibstoff als im betriebswarmen Zustand. Deshalb am besten gleich nach dem Anlassen sachte und mit geringen Drehzahlen losfahren.

Runder Fahrstil: Wer viel beschleunigt und bremst, verbläst viel Sprit. Effizient bewegt man das Motorrad im Bereich des maximalen Drehmoments. Wer seine Linie dazu sauber und vorausschauend wählt, büßt kaum an Dynamik ein und spart Kraftstoff.

Hohes Tempo vermeiden: Der Luftwiderstand steigt zur Geschwindigkeit im Quadrat an. Doppeltes Tempo? Vierfacher Luftwiderstand! Damit steigt auch die erforderliche Leistung erheblich. So lässt sich mit etwas weniger Tempo auf der Bahn relativ viel sparen.

Praxisbezogenes Testszenario

Der übliche MOTORRAD-Testverbrauch wird nicht langsam ermittelt, aber gemäßigt, mit betont vorausschauender Fahrweise. Im Verbrauchstest darf etwas mehr Spaß gehabt werden: Wir lassen die Motoren in ihrem optimalen Drehmomentbereich lustvoll durchziehen, kosten die Beschleunigung wenn möglich aus. Das führt entsprechend der grundverschiedenen Motoren- und Fahrzeugkonzepte zu grundverschiedenen Eindrücken. Beispiel 790 Duke: Der leichte Austro-Twin, der jüngste Motor in diesem Feld, wurde genau hierfür konstruiert, schüttelt die für den flotten Ritt abgefragte Leistung besonders lässig aus dem Ärmel. Moderate Drehzahlen, Halbgas oder höchstens mal drei viertel, mehr braucht es nicht für prickelnden Fahrgenuss. Das lässt Gutes für die Abrechnung erwarten. Gleiches im Falle der nominell noch etwas stärkeren MT-09, bei der aber ein weiterer Zylinder und Kolben nebst Ventilen hinzukommen – und mit mehr Reibung bei gleichem Tempo einen Mehrverbrauch bedingen wird? Um die beiden Mittelklasse-Nakeds nicht schon vor der ersten Kurve zu verlieren, muss der 286-Kubik-Einzylinder der adretten CB 300 R dagegen ganz schön ran. Halbgas und mittlere Drehzahlen sieht er in flotter Kolonne höchstens bergab, ansonsten jubelt der kurz übersetzte dohc-Single meist im oberen Drehzahldrittel und bei weit offener Brause. Auch das macht Laune, dürfte den erwartbar niedrigen Grundverbrauch des Einzylinders aber etwas in die Höhe treiben. Wie weit?

Im krassen Gegensatz dazu Kawasakis H2 SX, deren aufgeladenem Reihenvierzylinder selbst für flottes Landstraßentempo nur unwesentlich mehr als Standgas reicht. Interessant: Steigert der Kompressor bei diesem Fahrprofil die Effizienz (bei gleicher Leistung weniger Drehzahl), oder mindert er sie (Verluste über den mechanischen Antrieb des Laders)? Dann Ducatis Panigale V4 S: Ihr Überschuss an schierer Kraft fällt noch größer aus. Im Gegensatz zum seidenweichen, höchst elastischen Kawa-Motor rumpelt der Bologna-L4 aufgrund seiner unkonventionellen, einen Zweizylinder imitierenden „Twin Pulse“-Zündfolge durch niedrige Drehzahlen – um schon wenige Hundert Umdrehungen danach jedes Grad Gasgriffdrehung in einen zornigen Schuss nach vorne zu übersetzen. Halbgas oder gar drei viertel bei mittleren Drehzahlen? Schon hängt die Fahrerlaubnis am seidenen Faden. Diesem Motorrad ist selbst zügiges Landstraßentempo noch zu müde. Ob die Beschränkung auf Gasgriffbewegungen im Nanobereich und das – verglichen mit der 1299 Panigale – dann doch machbare, niedrigere Drehzahlniveau sowie die im Hinblick auf eine optimale Verbrennung besser zu händelnden kleineren Brennräume aus der V4 ein unerwartetes Sparwunder machen?

Ein Sonderfall die GL 1800: Auch ihr Motor, immerhin sechs Zylinder in Boxerkonfiguration zählend und 1.833 Kubik groß, verfügt über hohe Drehmomentreserven, muss aber 385 Kilo fahrfertige Masse wuchten. Das sind zwei und eine halbe CB 300 R! Darüber hinaus dürfte im recht komplexen Doppelkupplungsgetriebe verglichen mit einem sequenziellen Getriebe mehr Leistung flöten gehen. Und damit Effizienz.

Verbrauch nach 120 km Landstraße

Nach gut 120 höchst unterhaltsamen Landstraßen-Kilometern rollen die Maschinen zur Zapfsäule – der Moment der Wahrheit. Heruntergerechnet auf 100 verbrauchte die CB 300 R 3,3 Liter. Ein guter Wert, aber keine Sensation. Relativ hohe Last und Drehzahlen verhindern ein noch besseres Ergebnis des von Haus aus sicher mit sehr hohem Wirkungsgrad arbeitenden, mit zahmer Auslegung versehenen Einzylinders. Gemessen am Gebotenen sind die 4,8 Liter der Dreizylinder-MT da schon interessanter, mehr noch die gerade einmal 4,5 Liter des 790 Duke-Twins – im Gute-Laune-Modus, sei nochmals unterstrichen. Bis hierhin ein höchst erfreuliches Resultat, das eines klar dokumentiert: Beim Stand der Technik lassen sich großer Fahrspaß und geringer Verbrauch ohne Weiteres unter einen Hut bringen.

Der Erklärungsansatz, warum die Duke noch etwas sparsamer als die MT-09 läuft, wurde schon angerissen: Ein Zylinder weniger bedeutet insgesamt weniger Verluste durch Abwärme aufgrund innerer Reibung. Zudem hilft der 790 Duke sicherlich die Doppelzündung, das Gemisch in allen Drehzahl- und Lastbereichen optimal kontrolliert zu entflammen.

Gemessen an dem Gebotenen verbraucht auch die H2 SX geradezu knauserige 5,2 Liter. Hilfreich: Der aufgeladene Reihenvierzylinder verträgt klaglos niedrige Drehzahlen, beschleunigt auch dann noch mehr als genügend kraftvoll. Negativ wirkt sich die Zwangsbeatmung in der aktuellen H2 SX im Normalbetrieb also offensichtlich nicht aus. Was damit belegt wäre.

Etwas weniger grün fällt die Bilanz der Panigale aus. Sicher, große Erwartungen im Hinblick auf eine lupenreine Ökobilanz der V4 S hatte keiner. Doch die gut acht Liter, die nach getaner Fahrt in ihren hübsch geformten Tank gluckern, lassen aufhorchen. Hier darf ebenfalls informiert gemutmaßt werden: Auch als V4 ist das Ducati-Superbike schlicht auf andere Prioritäten hin konstruiert, profane Sparsamkeit abseits der Rennstrecke kann im Lastenheft erst unter ferner liefen aufgetaucht sein. Die Sachlage: Ein extrem kurzer Kolbenhub ist gut für Drehzahlfestigkeit und darüber Spitzenleistung, die daraus folgende, relativ große Bohrung aber bedingt dann eine im Hinblick auf Effizienz ungünstige Brennraumform – mehr Verlust von Wärmeenergie, schlechterer Wirkungsgrad. Dann extreme Steuerzeiten mit langen Ventilüberschneidungen, große Ventile, kurze Ansaugwege – alles gut für viel Power. Aber alles schlecht, um die im Sprit gebundene Energie außerhalb des eigentlichen Leistungsbereichs ideal in Vortrieb umzusetzen. Das vielleicht entscheidende Stichwort: Gemischanfettung. Ob beim Gasanlegen zur Verbesserung der Fahrbarkeit, oder zur inneren Kühlung – die Duc gönnt sich offensichtlich reichlich davon. Man könnte das V4-Aggregat auch als Heiz-Kraftwerk im doppelten Wortsinn betrachten. Oder einfacher: Effektivität ja, Effizienz nein.

Überraschung, als die Honda nachfasst. 5,6 Liter auf 100 für sie zügig bis fordernd abgerittenen Kilometern sind mehr als beachtlich. Enormes Gewicht, enorme Stirnfläche (Luftwiderstand!), doch offensichtlich wurde bei der Gold Wing höchstes Augenmerk auf Verbrauchsoptimierung gelegt. Da wäre etwa die aus den Motocrossern entliehene Unicam-Bauweise, bei der je nur eine Nockenwelle pro Zylinderbank den Ladungswechsel steuert, das spart Teile und damit Reibung. Und selbst wenn man es sich so erklärt, die Genügsamkeit des Sechszylinders beeindruckt. Insgesamt also ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis, sieht man einmal von der Ducati ab.

Ermittlung Minimalverbrauch

Was folgt, sei nur Masochisten zur Nachahmung empfohlen: der Versuch, dem theoretisch erreichbaren Minimalverbrauch in der Praxis möglichst nahezukommen. Hat man gerade keine abgesperrte Strecke zur Verfügung, scheint dies am ehesten auf der Autobahn möglich: anderthalb Stunden Konstantfahrt bei relativ niedriger Geschwindigkeit, im höchsten Gang mit wenig Drehzahl, in windschlüpfiger Haltung. Keine Lastwechsel, keine Energie mit Bremsen vergeuden, bergab rollen. Höchststrafe? Fraglos, doch es geschah im Dienst der Wissenschaft.

Mit 3,2 Litern unterstreicht die 790 Duke ihre ausgezeichnete Effizienz hier erneut, dicht gefolgt von der MT-09 mit 3,3 Litern, welche unter diesen extremen Bedingungen mit noch weniger Drehzahl gefahren werden kann als die Duke und daher aufschließt. Auch die Gold Wing rationiert ihren Vorrat: 3,8 Liter. Bei ihr macht sich der lang übersetzte siebte Gang des DCT positiv bemerkbar, der es dem Motor gestattet, bei Tempo 90 mit kaum vierstelliger Drehzahl die Kilometer hinwegzusäuseln. Obendrein genießt der GL-Fahrer, am Rande bemerkt, den Luxus, sich während dieser Tortur vom On-Board-Entertainment berieseln lassen zu können. Erstaunlich auch, dass die über 200 PS starke Kawasaki mit 3,9 Litern pro 100 Kilometer bewegt werden könnte, so man denn wöllte. Die 4,7 Liter der Panigale sind kein Ruhmesblatt, stellen dabei praktisch den in der realen Welt erreichbaren Minimalverbrauch dar. Im letzten Gang läuft der Motor in Kolonne mit Lkws so eben richtig rund.

Schließlich die CB 300 R: 2,2 Liter auf 100 Kilometer. Das klingt hervorragend, und ist es auch. Doch es ginge sicherlich noch sparsamer. Zunächst einmal ist der Einzylinder für die Schleichfahrt natürlich prädestiniert, fährt er doch keine für diese Übung unnötigen großen Leistungsreserven spazieren. Zudem bietet die kompakte Maschine dem Fahrtwind mit die geringste Angriffsfläche. Aber: Um nicht zum gefährlichen Dauerhindernis für Brummis zu werden, braucht man etwas über 80 Stundenkilometer. Für die aber muss der Motor höher drehen, als der engagierte Spritsparer sich das wünscht. Besser wäre ein Dauertempo von 60 bis 65 Stundenkilometern. Dann bewegte sich der Motor in noch verbrauchsgünstigeren Regionen. Dann wäre, disziplinierter Fahrer vorausgesetzt, fraglos eine Eins vorm Komma drin. Man male sich aus, wozu eine mit längerer Übersetzung, gut geschmierter, schmaler Rennkette, Leichtlauf-Radlagern und etwas höherem Reifendruck gerüstete CB 300 R fähig wäre.

Ermittlung Maximalverbrauch

Wir strecken nun die gekrümmten Glieder aus, atmen tief durch und heben ab zur letzten Messfahrt: Maximalverbrauch. Es folgt das Ende aller Geschwindigkeitsverbote. 50 Autobahnkilometer in die eine Richtung, 50 zurück. Volle Suppe, was geht, im Dienste des Erkenntnisgewinns. Mit der CB 300 R eine einfache Sache: Bei Tacho 160 steht der Eintopf an, und das praktisch über 100 Kilometer. Macht dann 7,2 Liter – 3,2-mal der Minimalverbrauch. Ebenfalls unter halbwegs überschaubarem Stressfaktor absolviert die Gold Wing das Prozedere; sie ist bei 180 Stundenkilometern elektronisch begrenzt, spritzt über die Distanz dann 10,3 Liter ein. Hier scheint der spürbar höhere Luftwiderstand seinen Tribut zu fordern, denn die auf 210 Stundenkilometer eingebremste MT-09 läuft deutlich schneller, verbraucht aber mit 10,4 Litern bei Topspeed nur unwesentlich mehr. Und wieder setzt die 790 Duke eine Marke. Denn sie rennt nicht nur offen mit beachtlichen 250 Stundenkilometern auf dem Tacho der MT davon, sondern verbraucht dabei gerade einmal 8,5 Liter – der herausragendste Wert der gesamten Messreihe.

Und von da an wird es deftig. Die Kawasaki kratzt, für diesen Test ohne Koffer, an der 300er-Marke, da ist Konzentration angeraten. Nicht, dass man das Gebolze lange treiben könnte: Bei 13,5 Litern auf 100 Kilometer schrumpft der Aktionsradius auf überschaubare 141 Kilometer. Noch ärger geht es im Sitz der Panigale V4 S zu. Hier, und nur hier, kann die Duc im öffentlichen Straßenverkehr ihr motorisches Potenzial entfalten. Und was für ein Potenzial das ist: Mit echten 314 Stundenkilometern haben wir sie zuletzt gemessen – windschlüpfige Fahrerhaltung ist dann schon lange keine Sparstrategie mehr, sondern Notwendigkeit. Natürlich konnten die nicht permanent erreicht werden – in dem Fall läge der Verbrauch leicht noch höher als die ermittelten 13,8 Liter. Ein ineffizienter Motor? Nur auf den flüchtigen Blick. Denn setzt man diesen Verbrauch in Relation zur geleisteten Arbeit, zu den Fahrleistungen, erscheinen die 13,8 Liter nachgerade sparsam. Während andere Motoren im alltagsrelevanten Bereich effizient arbeiten, arbeitet der Motor der Panigale eben im Höchstleistungsbereich effizient. Und effektiv sowieso.

Benzinpreisentwicklung seit den 1970ern

Wir haben lange nicht mehr über Benzinpreise gesprochen? Kein Wunder. Nach dem Allzeit-Hoch im Jahr 2012, als der Preis für einen Liter Super 1,64 Euro betrug und damit für viele eine Schmerzgrenze erreicht war, hat sich die Lage lange spürbar entspannt. Die Gründe dafür sind hochkomplex, hängen bei gleichbleibend hoher Besteuerung mit globaler Erdölfördermenge, Wirtschaftswachstum und Energienachfrage, alternativen Fördermethoden (Stichwort Ölsande), aber auch Preisspekulation zusammen. Klar ist: Seit 2016 ziehen die Preise wieder an, und mittelfristig ist angesichts der Endlichkeit des fossilen Rohstoffs, trotz zunehmender Bedeutung von Bio- und Synthetik-Kraftstoffen, eine Entwicklung erst mal nur in eine Richtung erwartbar – nach oben. Daher lohnt, auch wenn Motorradfahren meist Hobby ist, ein kleines Rechenexempel. 3.000 Kilometer Jahresfahrleistung kosten bei vier Liter Durchschnittsverbrauch aktuell 168 Euro, bei sechs Litern sind es 252 Euro. Ob die Differenz von 84 Euro ins Gewicht fällt, muss jeder selbst entscheiden. Bei dreifacher Kilometerleistung betragen die Mehrkosten exakt 250 Euro – immerhin schon ein Satz Reifen.

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Erscheinungsdatum 26.05.2023