Alpen Masters 2011: Enduros/Funbikes
Aprilia Dorsoduro 1200, Honda Crossrunner, KTM 990 SM T, Triumph Tiger 800

Statt echter Grobstoller kämpfen in der Kategorie Enduros/Funbikes in diesem Jahr vier aktuelle Vertreter der Spaßgesellschaft ums Weiterkommen. Spielzeuge, die aber auch mit breitem Einsatzbereich und guten Alltags­eigenschaften überzeugen wollen. Welches der Funbikes hat die Nase am Ende vorn: der Mittelklasse-Allrounder oder der knackige Supermoto-Flitzer?

Aprilia Dorsoduro 1200, Honda Crossrunner, KTM 990 SM T, Triumph Tiger 800
Foto: Gargolov

So viel stand von vornherein fest: Wieder einmal ist das Segment der hochbeinigen Bikes die heiß umkämpfte Klasse, hier wird reichlich Spannung geboten. Wer diese Kategorie ge­winnt, darf sich – wie letztes Mal die R 1200 GS – gute Chancen auf den Gesamtsieg im großen Finale ausrechnen. In diesem Jahr am Start: Aprilia Dorsoduro 1200, eine große Supermoto mit hohem Unterhaltungswert. Honda Crossrunner, ein Crossover-Konzept, das wie geschaffen für die vielfältigen Anforderungen im Gebirge erscheint. KTM 990 SM T, die spritzige Touren-Supermoto, die sich nun mit ABS noch bes­sere Chancen ausrechnet als die beim Alpen-Masters 2009 nur knapp gescheiterte Vorgängerin ohne Blockierverhinderer. Und schließlich die Triumph Tiger 800, die als neue Protagonistin der Mittelklasse-Funbikes in die Fußstapfen der zweimaligen Gesamtsiegerin Suzuki V-Strom treten könnte.

Unsere Highlights

Dass der letzte Platz in einem so starken Feld keinesfalls als Desaster empfunden werden muss, mag für die Aprilia ein schwacher Trost sein. Ihre Stärke ist ganz eindeutig der kraftvolle, dumpf bollernde  Motor, der aus tiefsten Drehzahlen mit Macht anschiebt und ihr so die volle Punktzahl für die beiden Durchzugskriterien beschert. Zudem bringt der 1200er-V-Twin dank üppiger Schwungmassen viel Lauf­kultur und Charakter mit, was besonders bei oft tief absackenden Drehzahlen in den unzähligen Spitzkehren des Stilfser Jochs vorteilhaft ist. Einziger Schönheitsfehler des Triebwerks: Das Mapping scheint nicht ganz ausgereift, entsprechend hoch der Spritkonsum. Auch dürfte die Gasannahme des Ride-by-Wire geschmeidiger sein.

Woran man sich aber eher gewöhnen kann als an den hohen, kantigen Sitz und den niedrigen Lenker. Und auch das Fahrwerk, das man auf ebenem Geläuf noch mit gesunder Härte umschreiben würde, holt einen auf der Huckelpiste des Umbrail runter in die Schweiz unsanft auf den Boden der Realität zurück. Da hat man alle Hände voll zu tun, nicht schon vor der regulären Schotterpassage eine unplanmäßige Offroad-Einlage einzulegen. Immerhin helfen in Notsituationen gute Bremsen inklusive ABS, das allerdings bergab den Hang zum Salto vorwärts nicht ganz unterdrücken kann.

Schwächen, die sich das ABS im Crossrunner nicht leistet. Überhaupt, die Honda-Stopper sind über jeden Zweifel erhaben, lassen sich fein dosieren und stauchen im Notfall die Maschine auch bergab hart zusammen, wenn es die Kollision mit einem aufgeschreckten Murmeltier zu vermeiden gilt. Insofern erfüllt der Crossrunner die hohen Erwartungen der Tester also.
Was aber leider weniger für das Fahrwerk gilt. Hat das im Top-Test auf ebenen Pisten noch überzeugen können, wird es den Erwartungen unter schwierigen alpinen Bedingungen nicht ganz gerecht. Zwar spricht es weich und komfortabel an, doch hängt der Crossrunner einfach zu tief in den Seilen. Da bleiben auf den welligen Abschnitten wenig Reserven. Das gilt nicht nur bei starker Zuladung, schon im Solobetrieb stößt die Honda an Grenzen. Überraschen­de Schwächen, denn erstens ist die unruhige Lenkung und die wenig ausge­wo­ge­ne Balance alles andere als Honda-typisch. Und zweitens zeigt die CBR 600 F bei den Allroundern, wie gut selbst technisch schlichte Federelemente ohne viele Einstellschräubchen unter schwierigen Bedingungen ­funktionieren können. Dass die ge­wöh­nungs­bedürftige Ergonomie mit stark angewinkelten Knien in den Alpen auch nicht hilfreich ist, deutete sich hingegen bereits bei früheren Tests an.

Gargolov
Von links: Honda Crossrunner, Triumph Tiger 800, Aprilia Dorsoduro 1200 und KTM 990 SM T.

Licht und Schatten lässt auch der Antrieb erkennen. Einerseits spricht er vorbildlich sanft an, was angesichts der Spitzkehren äußerst hilfreich ist. Andererseits wirkt der V-Tec-V4 wenig ausgewogen. Untenrum geht ihm am Berg die Puste aus, was die Messwerte für die Beschleunigung am Berg nur unzulänglich widerspiegeln, da der kurz übersetzte zweite Gang das Problem übertüncht. Ganz oben bietet der 800er sicher Druck in ausreichendem Maß. Aber wer sich hier einigermaßen zivilisiert benehmen will, trotzdem aber bergauf nicht verhungern möchte, muss zwangsläufig den mittleren Drehzahlbereich nutzen. Und genau da nervt das plärrende Umschaltgeräusch bei 6000 Umdrehungen, wenn der V4 von Zwei- auf Vierventilbetrieb umschaltet.

Damit haben sich zwei hoffnungsvolle Kandidaten im Kampf um den Klassensieg also vorzeitig verabschiedet, und es kommt zu einem knappen Duell um den Spitzenplatz zwischen zwei grundverschiedenen Ansätzen: KTM 990 SM T und Triumph Tiger 800. Maschinen und Motoren, die charakterlich komplett divergieren. Hier der impulsive KTM-V2, der mit richtig Schmackes aus den Kurven den Berg hochprescht, dort der sanfte Dreizylinder, der mit seiner anspruchslosen Art überzeugt. Sicher sprechen die Messwerte eher  für den starken Zweizylinder, der jedoch bei untertourigem Dahingezuckel etwas unausgeglichen wirkt. Anerkennenswert bleibt trotzdem, wie viel Laufkultur und Manieren die Österreicher ihrem ehemali­gen Raubauz anerzogen haben. Mit ihrer überlegenen Kraft kann sich die SM T in der Motorenwertung einen Vorsprung erarbeiten – doch die Triumph bleibt dran. Denn die Tiger überzeugt in den Wechselkurven unterhalb der Umbrail-Passhöhe mit neutraler Lenkung und wunderbarer Leichtigkeit. Sicher könnte die Gabel ein wenig feiner auf Stöße ansprechen.

Doch entscheidend ist, dass die Grundabstimmung passt. Selbst übelstes Wellblech bringt das Triumph-Chassis nicht aus der Fassung. Was man von der KTM nicht ­behaupten kann. Die begeistert auf ebenem Asphalt mit überragender Handlichkeit und straffer Federung, starke Bodenwellen bringen aber viel Eigenleben in die Lenkung.

Es wäre es in dieser Gruppe beinahe zu einem Patt gekommen, hätten am Ende nicht zwei Kritikpunkte am kleinen Tiger den Ausschlag in Richtung KTM gegeben. Die Bremse ist vor allem bergab mit Beladung zu stumpf. Das kann die fein an der Stoppie-Grenze entlangregelnde KTM um Klassen besser. Und bei der muss sich ein engagierter Treiber auch nicht um aufsetzende Teile in Schräglage Sorgen machen. Dass die Triumph in Schräglage über den Seitenständerschalter die Zündung abschalten kann, ist mehr als ein Fauxpas, das gehört schnellstens geändert. So triumphiert also die KTM und darf ihre Kategorie im Finale vertreten.

Fazit: Funbikes/Enduros

Gargolov
In diesem Feld hat die KTM 990 SM T die Nase vorn.

Ein Außenseiter, drei Sieganwärter: Der Aprilia fehlen trotz tollen Motors Allround-Qualitäten, das kam nicht ganz unerwartet. Dass zwei hoffnungsvolle Kandidaten schwächelten, überraschte dagegen. Der Crossrunner erwies sich als fahrwerksseitig zu lasch eingestellt und am Berg motorisch unausgewogen. Und der Tiger schwächelt beim Bremsen und leistet sich einen herben Schnitzer bei der Schräglagenfreiheit. Am Ende triumphiert die KTM 990 SM T mit spritzigem Antrieb, knackigem Fahrwerk und tollen Bremsen.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023