- Ganze Bandbreite des Offroad-Sports
- Marathon-Tour nach Winterschlaf
- Bilanz nach 100 Stunden
- Kosten und Wartung
- Defekte im Test
- KTM nimmt Stellung
- Zubehör im Test
- Gebrauchte KTM 350 EXC-F in Deutschland
Sie ist die Leichteste, die Kräftigste, die Handlichste, die Traktionsstärkste, die am universellsten Abgestimmte und die Spritzigste – starker Worte bediente sich MOTORRAD für das Fazit über die KTM 350 EXC-F im Vergleichstest (Heft 21/2011). Dass auch die Österreicher von den Qualitäten ihres Mittelklassekonzepts überzeugt waren, zeigten die Produktionszahlen. Mit insgesamt 8000 Maschinen lief im Premieren-Modelljahr 2012 genau die Hälfte aller KTM-Viertakt-Sportenduros mit 350er-Motor vom Band.
Ganze Bandbreite des Offroad-Sports
Stellte sich nur die ganz banale Frage: Hält die Technik? Die Antwort sollte ein Dauertest über 100 Stunden – je nach Engagement etwa das Doppelte der Jahresleistung eines Amateurfahrers – geben. Von Enduro-Touren durch die Pyrenäen und Mecklenburg über einen Lehrgang und die Enduro-Wochenenden des MOTORRAD action teams sowie viele Runden auf Motocross-Pisten bis hin zu Einsätzen bei Mehrstunden-Enduro-Veranstaltungen spulte die Dauertest-Maschine die ganze Bandbreite des Offroad-Sports ab.
Zu allererst schützte Werkstattchef Gerry Wagner – wie bei allen MOTORRAD-Dauertestern – mit Plomben an Zylinderkopf und Motorgehäuse die Österreicherin vor allzu engagierten Durchsichten. Denn sämtliche Inspektionen erledigte im vorgeschriebenen 15-Stunden-Rhythmus die deutsche KTM-Niederlassung.
Zunächst bestätigte die Eingangsmessung die bereits beim Vergleichstest gemessene Leistung. Immerhin 47 PS – nur vier PS weniger als die 450 EXC – drückte der 350er-Motor auf die Rolle des MOTORRAD-Prüfstands. Und mit 109 Kilogramm (ohne Benzin) bestätigt die EXC-F ihre schlanke Linie auch auf der Waage und liegt – nebenbei bemerkt – damit einige Pfunde unter ihren wichtigsten Konkurrentinnen (Husaberg FE 390, Modell 2012: 117 kg, Beta RR 4T 350: 115 kg, Husqvarna TE 310: 112 kg).
Marathon-Tour nach Winterschlaf
Was beim ersten Wettbewerbseinsatz keine Rolle spielte. Denn beim verregneten Nikolaus-Enduro 2012 in Neunkirchen/Saar wühlten sich MOTORRAD-Redakteur Peter Mayer und Kumpel Helmut Alexander drei Stunden durch den Schlamm und holten Platz zwei der Teamwertung. Die KTM erwies sich trotz morastigen Stop-and-go-Verkehrs dabei thermisch stabil.

Den anschließenden ausgedehnten Winterschlaf beendete sie dann mit einer Marathon-Tour. Stramme 800 Kilometer wurde die Österreicherin bei der Mecklenburg-Tour des MOTORRAD action teams über die Wege gescheucht. Die teilweise hohen Drehzahlen auf dem sandigen Terrain steckte der Motor unbeeindruckt weg. Ein Ölverbrauch war nicht messbar. Genauso wenig wie kurz darauf auf einer 400 Kilometer langen Offroad-Tour durch die Ausläufer der Pyrenäen
Dennoch: Die extremsten Ansprüche an das Material stellen eindeutig Einsätze auf Motocross-Strecken dar. Insgesamt wurden etwa die Hälfte aller Betriebsstunden auf diesen Arealen abgespult. Obwohl die KTM im Vergleich zur größtenteils deutlich weicher abgestimmten Sportenduro-Konkurrenz Motocross-Ausflüge recht gut wegsteckt, vergrößerten je eine Nummer härtere Federn an Gabel (4,6 statt 4,4 N/mm) und Federbein (72 statt 69 N/mm) die Reserven für diesen Einsatzzweck. Eine gute Wahl, zumal die Sensibilität der Federung für den Enduro-Einsatz darunter nicht leidet. Im Gegenteil. Die gestrafften Federelemente halten die Maschine über Wellen besser in der Balance. Wobei Kanten ohnehin nicht zur Stärke der Teile von WP Suspension gehören. Das Ansprechverhalten könnte sowohl vorn als auch hinten sensibler ausfallen. Daran änderte auch der nach der Testhalbzeit durchgeführte Service an den Federelementen nichts.
Was MOTORRAD-Offroad-Experte Didi Lacher offensichtlich wenig einbremste. Beim Vier-Stunden-Lauf zum ADAC-Pirelli-Enduro-Cup holte der Südbadener mit der 350er souverän den Klassensieg. Allerdings: Nach der Zieldurchfahrt war der Motor der EXC-F im Fahrerlager partout nicht mehr zum Leben zu erwecken. Ein Phänomen, das bei der KTM bereits wenige Wochen vorher aufgetreten war und mit dem Tausch der Benzinpumpe behoben schien. Als bei der wiederholten Durchsicht ein vom Rahmen angescheuertes Relais ausgewechselt wurde, lief die 350er wieder.
Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch der erste Ausfall auf das Konto des mechanisch malträtierten Elektronikteils ging. Oder sogar nur auf Schmutzpartikel im Benzin. Denn mit der Einführung der Benzineinspritzung reagieren auch Offroad-Motoren empfindlich auf beim Nachtanken unter den oft unwirtlichen Bedingungen in den Kraftstoff geratene Schmutzpartikel. Wie dem auch sei, nachdem die Teile getauscht worden waren und ein Filter im Tankstutzen (KTM Powerparts, 30,25 Euro) für sauberes Benzin sorgte, lief die KTM bis zum Testende klaglos.
Wenig Grund zum Klagen hatte Werkstattchef Gerry Wagner dann auch bei der Demontage des Motors. Obwohl die Service-Richtlinien nach 105 Stunden den Tausch von Kolben, Ventilen, Pleueln und Hubzapfen sowie allen Lagern vorsehen, zeigen sich diese Teile nach der Testdistanz von 100 Stunden in sehr gutem Zustand. Getriebe und Kupplung sind fast neuwertig, Kolben, Zylinder und Ventiltrieb weisen unbedenkliche Gebrauchsspuren auf.
Nicht einmal die empfindlichen Titanventile sind nach dieser Distanz in ihren Sitzen eingeschlagen. Ein Bild, das zur bemerkenswert hochwertigen Verarbeitung aller Motorenteile passt – und den Superlativen aus dem MOTORRAD-Test vielleicht sogar noch einen weiteren hinzufügt. Denn mit dieser Bilanz könnte die Österreicherin möglicherweise auch noch eins sein: die Zuverlässigste.
Bilanz nach 100 Stunden

Zylinderkopf:
Alle Ventile schließen dicht, die Ventildichtflächen zeigen ein gleichmäßiges Verschleißbild, die Dichtsitzbreite entspricht den Vorgaben. Alle Ventilführungen sind leicht trompetenförmig aufgeweitet. Die Nockenwellen sowie deren Lager befinden sich in gutem Zustand.
Zylinder/Kolben:
Die Kompression hat kaum nachgelassen, die Kolbenringe sind nur wenig verschlissen. Die Grafitbeschichtung des Kolbens ist deutlich abgetragen. Der Zylinder ist form- und maßhaltig und weist nur geringe Laufspuren auf.
Kurbeltrieb:
Der wälzgelagerte Kurbeltrieb befindet sich ebenso wie der Kolbenbolzen in gutem Zustand.
Kraftübertragung:
An Korb und Nabe der Kupplung sind nur geringe Verschleißspuren sichtbar, auch die Schaltklauen sowie die Getrieberäder befinden sich in sehr gutem Zustand.
Rahmen/Fahrwerk:
Lenkkopf- sowie Schwingenlager sind in Ordnung, die Beschichtung des Rahmens zeigt sich bis auf wenige, dem Einsatz entsprechende Abnutzungsspuren in gutem Zustand.
Kosten und Wartung

Kosten
Ersatzteile während 100 Stunden Betriebsdauer
6,6 Liter Öl: 265,60 Euro
6 Ölfilter: 40,68 Euro
1 Luftfilter: 16,42 Euro
1 Zündkerze: 25,53 Euro
1 Satz Bremsbeläge hinten: 51,76 Euro
5 Kettengleitschützer: 46,93 Euro
1 Kettensatz: 159,87 Euro
1 Service Gabel/Federbein (inklusive Material): 217,46 Euro
2 Sätze Dämmstoff für Schalldämpfer: 129,24 Euro
2 Kraftstoffsiebe: 18,45 Euro
Kleinteile: 177,47 Euro
Gesamtkosten: 1149,41 Euro
Wartung + Reparaturen
Motoröl, Kraftstofffilter, Ölfilter erneuert: 9,8 Stunden
Motoröl, Ölfilter, Luftfilter, Kettengleitschutz, Schalldämpferwolle erneuert: 29 Stunden
Motoröl, Kraftstofffilter, Ölfilter, Kraftstoffpumpe (Garantie), Kettengleitschutz, Glühlampe vorn erneuert: 41,2 Stunden
Gabel und Federbein überholt (Ölwechsel, neue Gleitbuchsen): 50 Stunden
Motoröl, Ölfilter erneuert: 57,9 Stunden
Motoröl, Kraftstofffilter, Ölfilter, Lagerbuchsen Federbein erneuert: 72 Stunden
Motoröl, Kraftstofffilter, Ölfilter, Kettensatz, Kettengleitschutz, Zündkerze, Schalthebel, Tacho-Batterie erneuert: 83,8 Stunden
Defekte im Test

Benzinpumpe und Relais
Verwirrung stiftete die Dauertest-KTM im ersten Testdrittel. Wiederholte Male sprang der Motor der EXC-F im heiß gefahrenen Zustand nicht an, um am folgenden Tag wieder problemlos seinen Dienst aufzunehmen. Zunächst wurde eine defekte Benzinpumpe als Schadensursache festgestellt und das Teil auf Kulanz ausgetauscht. Als dasselbe Symptom wieder auftrat, brachte eine zweite Inspektion ein vom Rahmen durchgescheuertes Relais (Foto links) zum Vorschein. Nachdem das Teil (Preis: 8,69 Euro) getauscht wurde, lief die 350er fortan problemlos. Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch der erste Ausfall auf das Konto der mechanisch malträtierten Elektronik ging. Ein Benzin-Feinstfilter im Tankstutzen (Preis: 30,25 Euro) ist bei Motoren mit Einspritzanlagen auf alle Fälle anzuraten.
Motorschutzplatte
Harten Landungen mit Bodenkontakt der Rahmenunterzüge ist der Schnellverschluss des Kunststoff-Motorschutzes (KTM Powerparts, 100,14 Euro) nicht gewachsen. Das Teil riss mehrfach aus und wurde letztlich mit einer Schraube und Unterlegscheibe fixiert. Der Nachteil: Um Schmutz zwischen Bodenwanne und Motor zu entfernen, muss der Schützer nun abgeschraubt statt abgeklickt werden.
Elektrik
Die kräftigen Vibrationen von Einzylinder-Sportmotoren, harter Offroad-Einsatz und empfindliche Elektronik vertragen sich nur ungern. Geschützte und sorgfältige Verlegung der Kabelstränge und Bauteile ist für die Zuverlässigkeit der Elektrik ein unabdingbares Muss. Bereits nach zehn Stunden riss das Tachometerkabel ab. Wenig später brachen auch die Kabel an den Steckverbindungen zum Scheinwerfer. Danach scheuerte sich das Relais der Benzinpumpe (siehe Foto ganz oben) an den Rahmenrohren auf, legte dadurch wahrscheinlich die Spritversorgung lahm. Bei Testende zeigten sich durch äußere Einwirkungen auch die Tülle des Kabelbaums und zwei darunterliegende Kabel beschädigt.
KTM nimmt Stellung

KTM nimmt Stellung
… zur Ursache der defekten Benzinpumpe.
Nach ausführlichen Tests der getauschten Benzinpumpe im Werk gehen wir davon aus, dass schon bei den ersten Problemen mit dem Fahrzeug das angescheuerte Hauptrelais und nicht die Benzinpumpe die Ursache für den Defekt war.
… zu den häufig verschmutzten Filtern in der Benzinleitung.
Der im KTM-Zubehör angebotene Kraftstofffilter für den Tankstutzen verhindert zwar, dass im Kraftstoff befindliche Partikel in den Tank gelangen, erschwert aber auch das Tanken. Das kann beim Einsatz einer Schnelltankanlage bei Wettbewerben von Nachteil sein. Als zusätzliche Maßnahme gegen Schmutzpartikel wurde bei den 2012er-Modellen ein kleiner Kraftstofffilter in der Benzinleitung nachgerüstet. Bereits ab Modelljahr 2013 ist dieser Filter serienmäßig in der Kupplung der Kraftstoffleitung verbaut und sollte beim Service ausgetauscht werden.
… zum ausgerissenen Schnellverschluss des Motorschutzes.
Der gesamte Halter für den Schnellverschluss des Kunststoff-Motorschutzes wurde mittlerweile geändert, um höheren Belastungen standzuhalten.
… zu den empfindlichen Kabelverbindungen der Elektrik.
KTM sind keine Probleme mit empfindlichen Kabelverbindungen bekannt, die Elektrik der EXC-Modelle ist zuverlässig und solide. Dennoch gibt es bei den EXC-Modellen 2014 Änderungen. Der Kabelbaum, Stecker und die Halterungen der ECU wurden überarbeitet und vereinfachen das elektrische System.
Zubehör im Test

Aufkleber-Kit von try-it
Die individuelle Optik verlieh der Dauertest-KTM ein Aufkleberkit von try-it (www.try-it.de) für 180 Euro. Die Sticker des Wolfsburger Herstellers sind leicht anzubringen, passen hervorragend und erwiesen sich als erstaunlich abriebfest. Nach Testende war lediglich ein schmaler Streifen an der stark beanspruchten Stelle der Tankverkleidung durchgewetzt.
Urteil: sehr gut.
Öhlins Lenkungsdämpfer
Mit einem in die obere Gabelbrücke integrierten Lenkungsdämpfer bietet Öhlins einen technisch aufwendigen Weg, um Lenkerschlagen bei Offroad-Bikes zu verhindern. Der Beruhigungseffekt des teuren Teils (1250 Euro) hielt sich allerdings in Grenzen. Nur in Extremfällen (harte Spurrillen et cetera) schien der S3 kräftige Ausschläge zu unterdrücken.
Urteil: ausreichend.
Lenkererhöhung von KTM
Die zierlichen Dimensionen der EXC-Modellinie sind ein Grund für das agile Handling der orangefarbenen Bikes. Größere Piloten fühlen sich auf den Österreicherinnen jedoch ergonomisch etwas beengt. Die 20 Millimeter hohen Lenkererhöhungen (KTM Powerparts, 30,25 Euro, www.ktm.com) sorgen für eine deutlich entspanntere Position im Stehen und mehr Bewegungsfreiheit.
Urteil: sehr gut.
Hitzeschild von Akrapovic
Angesengte Innenseiten der Stiefel sind bei Piloten von Viertakt-Offroadern nicht selten. Abhilfe schuf das ausschließlich von KTM vertriebene Karbon-Hitzeschild (KTM Powerparts, 80,81 Euro, www.ktm.com) des slowenischen Herstellers Akrapovic. Das nicht ganz billige Teil erledigte seinen Job effektiv und überstand den Test auch optisch im Bestzustand.
Urteil: sehr gut.
Akrapovic-Auspuff
So viel vorab: Mit dem Serien-Schalldämpfer zeigt sich KTM -erfreulich verantwortungsbewusst. Die Originalanlage liegt deutlich unterhalb der im Enduro-Sport gültigen Grenzwerte. Insofern punktet die – noch vertretbar – lautere Titan-Auspuffanlage von Akrapovic (KTM Powerparts; Krümmer: 858,76 Euro, Schalldämpfer: 585,66 Euro) mit toller Optik und Gewichtsersparnis (1,3 Kilogramm), vor allem aber einem spontaneren Ansprechen aus niedrigen Drehzahlen. Mehr Spitzenleistung kann die Anlage aber nicht liefern.
Urteil: gut.
Gebrauchte KTM 350 EXC-F in Deutschland

Betrachtet man die Verfügbarkeit der KTM 350 EXC-F, steht sie besser dar, als so manches Naked Bike aus dem Hause KTM. Es sind viele Exemplare der 350 EXC-F und ihrer begehrten Sixdays-Version am Gebrauchtmarkt zu finden. Hier ein Überblick: gebrauchte KTM 350 EXC-F in Deutschland.