Verwandlungsfähig, erwachsen und unverwechselbar soll die in Indien gefertigte KTM 125 Duke zu einem echten Straßenfeger werden. Weltweit, nicht nur in Europa.
Verwandlungsfähig, erwachsen und unverwechselbar soll die in Indien gefertigte KTM 125 Duke zu einem echten Straßenfeger werden. Weltweit, nicht nur in Europa.
Sie ist nicht bloß ein neuer kleiner Straßensingle, die KTM 125 Duke. Sondern vielleicht das wichtigste neue Motorrad der kommenden Saison. Denn zum einen tritt die kleine Duke an, eine neue, junge Zielgruppe nicht nur für KTM, sondern fürs Motorradfahren allgemein zu begeistern. Zum anderen ist dieses Modell als echtes "Weltrad" konzipiert. Es soll der Marke aus Mattighofen in Österreich ermöglichen, mit Wucht in aufstrebende Märkte Asiens, Afrikas und Südamerikas zu expandieren. Und gleichzeitig den Geschmack europäischer und amerikanischer Jugendlicher zu treffen.
Und zwar mit einer völligen Neukonstruktion, einer echten Downsizing-KTM. Dies geht bis zum komplett neuen, wassergekühlten Vierventil-DOHC-Motor. Für das aufregende Einstiegsmotorrad haben sich der zweitgrößte Zweiradhersteller Europas und Indiens zusammen getan, KTM und Bajaj Auto. Österreich trifft Indien. Bajaj fertigt mehr als drei Millionen Zweiräder jährlich und hält mittlerweile mehr als ein Drittel der KTM-Aktien. Nach dem endgültigen Startschuss für das125er-Projekt zu Beginn 2008 war schnell klar, wie das Gemeinschaftsunternehmen Duke 125 laufen muss: KTM konstruiert, Kiska Design in Salzburg macht die Optik (siehe Interview), und Bajaj, das an der technischen Entwicklung maßgeblich beteiligt ist, übernimmt komplett die Fertigung. Nur durch die viel niedrigeren Produktionskosten auf dem indischen Subkontinent ist eines der maßgeblichen Entwicklungsziele der aufwändigen kleinen Duke zu realisieren: erschwinglich zu bleiben.
Hoher, europäischer Qualitätsstandard aus Asien. Abgesehen von den Rädern aus China und den Aluminium-Schmiedeteilen aus Polen stammen ausnahmslos alle Komponenten der Duke 125 aus indischer Produktion. Nicht wenige Zulieferer mussten dafür innerhalb kürzester Zeit ihren Qualitätsstandard weit über das sonst übliche Maß anheben, bis hin zu Investitionen in den Maschinenpark.
Mit Erfolg. Nun stehen hier fünf Vorserien-Prototypen in Mattighofen, die zusammen mehr als 100000 Kilometer Straßentest hinter sich haben. Hinzu kommen Dutzende der neuen Doppelnockenwellen-Singles, die auf dem Motorenprüfstand eine 150stündige Dauererprobung aushalten mussten. Ausdauer war, neben Top-Leistungsentfaltung, eines der Kern-Entwicklungsziele. KTM hat Erfahrungen aus dem hoch belasteten 250er-Motocross-Motor in die Entwicklung des 28 Kilogramm leichten 125er-Einzylinder-Motors einfließen lassen. 58 Millimeter Bohrung bei immerhin 47,2 Millimeter Hub gelten heute schon fast als quadratisches Verhältnis. Der Kolben verdichtet mit seinen drei Kolbenringen das per Einspritzung zugeführte Gemisch hoch auf 12,6.
Damit soll der Single volle 15 PS bei 10500 Touren per stählernem Schmiedepleuel auf die einteilige, rollengelagerte Kurbelwelle wuchten. Das angegebene maximale Drehmoment von vollen zwölf Newtonmetern bei 8000/min lässt aufhorchen. Bereitwillig nimmt der Motor beim Druck aufs Knöpfchen die Arbeit auf und hängt sehr feinfühlig am Gas. Die Kupplung lässt sich einfach ziehen und dosieren. Gerade für Anfänger ein wichtiger Punkt. Sanft lässt sich der nächste Gang einlegen. Ein toller Antriebsstrang.
Flott setzt sich die vollgetankt mit 125 Kilogramm angegebene 125er in Bewegung. Kommt ganz schön kräftig rüber, der kleine Kerl von Viertakter. So kann man früh hoch schalten, es passen stets zwei der sechs Gänge. Nur wer unbedingt will, muss den Single bis in den Begrenzer bei 11000 Touren drehen. Und sich dabei fühlen wie die Red-Bull-Rookies auf ihren zweitaktenden 125er-KTM-GP-Rennmaschinen. Störende Vibrationen eliminiert die zahnradgetriebene Ausgleichswelle vollständig. Dumpf, für diese Klasse fast schon rennmäßig, tönt es aus dem tief liegenden Auspuff. Ausgesprochen dezent fallen die mechanischen Geräusche aus. Eine Kette treibt die obenliegenden Nockenwellen an. Neuland für indische Verhältnisse sind Schlepphebel zur Betätigung der vier Ventile. Von vornherein ist die Duke 125 als Plattform für weitere Modelle und Motorisierungen konzipiert. Nach Beginn der Serienproduktion im Februar 2011 und Markteinführung im Frühjahr 2011 soll zukünftig ein 200-Kubik-Satz als "Power-Kit" folgen. Chassis, Wasserkühler, Luftfilterkasten und Unterflur-Auspuff sind bereits auf die Mehrleistung der 200-cm3-Version hin ausgelegt. Nur der 33er-Drosselklappenkörper und die Krümmer müssten gewechselt, die Software der von Bosch India gelieferten Zünd-/Einspritzanlage angepasst werden.
Somit soll die Einstiegs-Duke mit den Ansprüchen ihrer Fahrer mitwachsen, wenn diese erst einmal älter sind und den großen Führerschein haben. Auch das optische Erscheinungsbild soll sich einfach individualisieren lassen. Farbe und Look sind durch Tausch von Lackteilen, Scheinwerfer und Sitz schnell zu ändern. Noch weiter gehen die Studien, die aus dem Serien-Herzog einen SM- oder Rundkurs-Renner zaubern, siehe Seite 58. Chamäleon cool. Customizing via KTM-Katalog soll so zukünftig einer deutlich jüngeren Klientel möglich sein. Vor allem aber sollen nun 16-jährige Straßenfahrer in den Genuss des typischen KTM-Fahrgefühls kommen.
Die kleine Duke ist eine ganz Große. Das beginnt mit stattlichen 81 Zentimetern Sitzhöhe, ein Tribut an absolut erwachsene Proportionen. Man fühlt sich auch mit 1,82 Meter und einem Vielfachen von 16 Jahren auf dieser 125er richtig gut untergebracht. Die Hände finden wie von selbst zu den orange-schwarzen Griffen am breiten, hohen Lenker. Die Beine und Knie wiederum finden genügend Platz in den Ausbuchtungen des Elf-Liter-Tanks. Dieser soll stets 300 Kilometer Reichweite ermöglichen.
Natürlich-aufrecht genießt man jede Kurve. Diese 125er trägt den ehrwürdigen Namen Duke völlig zu Recht. Leicht und doch berechenbar klappt das Fliegengewicht mit seinem 1,35 Meter kurzen Radstand ab, bleibt in Schräglage neutral auf Kurs. Wie eine Downsizing-690er. Breiter als bei 125ern üblich sind die 17-Zoll-Radialreifen, vorn 110, hinten 150 Millimeter. Aber schmal genug. Auf haftfreudigen Michelins rollen die Prototypen, die Serie wird indische MRF als Erstausrüstung tragen.
Die radial angeschlagene Vierkolbenvorderbremse von Bybre, der indischen Tochter von Brembo, fängt die Duke sicher wieder ein. Vorn wie hinten bieten je 160 Millimeter Federweg genügend Reserven bei rauen Straßenverhältnissen. Von WP entwickelt und der indischen Partnerfirma Endurance produziert ist die nicht einstellbare 43er-Upside-down-Gabel. Ebenso das direkt angelenkte Federbein mit verstellbarer Zugstufe. Mit ähnlichem Stahlrohr-Chassis soll 18 Monate nach der 125er ein 250er- bis 300er-Ableger folgen.
KTM-Chef Pierer denkt sogar über eine neue Modellfamilie mit 400er- und 600er-Einzylindern nach, um jüngere Kunden und für KTM neue Länder, wie auch Indien selbst, zu erreichen. Nach all den Erfolgen in der Motocross- und Enduro-WM scheint die kleine Duke KTM einen neuen Weg auf Asphalt zu ebnen. Somit ist das "World-Bike" technologisch wie gesellschaftlich bemerkenswert. Da müssten sogar die Mitbewerber hoffen, dass diese strategisch platzierte 125er ein Erfolg wird.
Hier geht's zum Video der Intermot-Präsentation der KTM 125 Duke:
Und hier geht's zum Werbe-Video von KTM:
Motor:
Wassergekühlter Einzylinder-Viertakt-Motor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile, Schlepphebel, Nasssumpfschmierung Einspritzung, Ø 33 mm, Lichtmaschine 230 W, Batterie 12 V/6 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Sekundärübersetzung 45:14.
Bohrung x Hub 58,0 x 47,2 mm
Hubraum 124,7 cm³
Verdichtungsverhältnis 12,6:1
Nennleistung 11,3 kW (15 PS) bei 10500/min
Max. Drehmoment 12 Nm bei 8000/min
Fahrwerk:
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Federbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn, Ø 280 mm, Vierkolben-Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 230 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 3.00 x 17; 4.00 x 17
Reifen 110/70 ZR 17; 150/60 ZR 17
Maße und Gewichte:
Radstand 1350 mm, Lenkkopfwinkel 65,0 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 160/160 mm, 125 kg vollgetankt*, Sitzhöhe 810 mm, Tankinhalt 11,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Preis 3995 Euro
Nebenkosten 200 Euro
Gerald Kiska verantwortet seit mehr als 20 Jahren das charakteristische Design aller KTMs. Auch bei der Entwicklung der 125er-Duke spielte er eine Schlüsselrolle - konzeptionell und gestalterisch. Dies erklärt er in seinem Salzburger Büro, dem Sitz von 80 Mitarbeitern.
? Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an der Duke 125?
! Sie soll eine völlig neue Zielgruppe erschließen, Einstiegsstufe in die Welt von KTM sein. Wir haben dafür reihenweise Interviews mit 15- bis 20-Jährigen geführt. Dabei fiel auf, dass diese Leute fundamental anders denken als über 30-Jährige. Sie verstehen unter "Leistung" etwas komplett anderes. Dies zeigen schon die Transport- und Sportarten der jungen Altersgruppe: BMX, Mountainbike, Snow- oder Skateboard. Bei ihnen laufen Wettbewerbe nicht mit Stoppuhr und Rundenzeiten, sie urteilen über Stil. Man will der Coolste, der Mutigste, der am meisten Bewunderte sein, der, der die extremsten Tricks kann. Die Jugendlichen wollen sich vor allem selbst ausdrücken.
? Gilt das auch für Indien und andere Boom-Märkte?
! Auch dort durchlebt das motorisierte Zweirad gerade einen Bedeutungswandel weg vom billigsten individuellen Transportmittel hin zu einem Vehikel, mit dem man die eigene Persönlichkeit zum Ausdruck bringt. Also zu einem Spaßgerät, das anderen sagt: "Seht her, ich bin sportlich und cool". Diesen Menschen wollen wir nun ein europäisches Motorrad aus indischer Fertigung anbieten. Weltweit betrachtet sollen Jugendliche die Möglichkeit haben, eine Duke 125 günstig zu erwerben und sie dann individuell zu verbessern, mit Teilen aus dem KTM-Zubehörkatalog. Aber dafür müssen wir uns auf diese speziellen Kunden zubewegen. Denn sie definieren Leistung anders und sie müssen anders, in ihrer Sprache angesprochen werden. Und zwar an ihren Plätzen und unmittelbar. Diese Generation ist nicht bereit, auf etwas zu warten.
? Was war der Anspruch an das Design der Duke 125?
! Der gleiche wie bei anderen KTMs, sie muss einfach auf den ersten Blick als KTM zu erkennen sein. Selbst wenn sie nicht orange ist. Wir haben hier in Europa die gleichen Leute, die wir interviewt hatten, eingeladen, sich anzusehen, was wir daraus geformt haben. Ihre Wünsche fütterten unsere Gestaltungsvorgaben. Wenn man 16 ist, muss das Design heute stimmen, nicht irgendwann.
? Die Duke 125 soll die Plattform sein für eine ganz neue Modellfamilie, beginnend mit dem 200-Kubik-Kit?
! In den kommenden Jahren wollen wir Modelle mit verschiedenen Hubräumen in ähnlichen Fahrgestellen neu etablieren. Den Auftakt soll die 250er machen. Allerdings muss das modulare Rahmenkonzept dafür leicht abgewandelt werden. Es ist eben nicht so einfach, eine 250er-Enduro mit dem exakt gleichen Rahmen zu bauen, indem man einfach größere Räder reinsteckt. Da muss man "Plattform" ganz anders verstehen als in der Automobilindustrie, wo man einfach eine anders geformte Blechhülle über die gleichen Innereien stülpt, um sie in etwas Neues zu verwandeln.