...doch sonst ist alles anders. MOTORRAD-Redakteur Werner Koch zwängte sich ins dreirädige 200-PS-Geschoss von Jörg Steinhausen.
...doch sonst ist alles anders. MOTORRAD-Redakteur Werner Koch zwängte sich ins dreirädige 200-PS-Geschoss von Jörg Steinhausen.
Ich pass einfach nicht rein in das Ding. Es klemmt an allen Ecken und Enden, drückt und zwickt; die Schultern sperren sich hartnäckig dagegen, in dem schmalen Ausschnitt der Kunststoff-Zigarrre zu verschwinden. Zusteigen geht hier anscheinend nur mit Schuhlöffel.
»Na ja, so wird das nix, die Protektoren müssen raus, so was fährt man nicht im Gespann.« Jörg Steinhausen, deutscher Meister und Weltcup-Starter, grinst und puhlt mir die Hartschalen aus der Rennkombi. Dann tauche ich in Badewanne und fädle mich kniend, den Oberkörper flach liegend und über den Auspuffschacht gepresst, in die schmale Röhre ein.
Schmiermaxe Frank Schmidt gibt dem Dreirad einen Schubs, und der GSX-R 1100 R-Motor brüllt los. Gang rein, patsch abgewürgt. Kleine Peinlichkeit lässig überspielt, denn das halbe Fahrerlager im Hockenheimer Motodrom lauert nur auf meine Premiere mit dem 200-PS-Renner. Kommt ja nicht alle Tage vor, dass sich einer aus der zweirädrigen Zunft auf das Abenteuer Renngespann einlässt. Noch ein Schubs aus dem Seitenwagen, die nervösen 39er-Mikuni-Flachschiebervergaser etwas zarter an die Gasschnur genommen, und es geht los. Aber Achtung: Das Gas ist zwar wie gehabt rechts, aber sonst ist alles anders. Einen Handbremshebel gibts hier nicht, geankert wird ausschließlich mit der Fußbremse - und die ist links. Dafür liegt die Schaltung rechts, und der erste Gang ist oben. Alles klar? Im Zentralrechner unterm Helm läuft das Suchprogramm nach solch absonderlichen Bewegungsabläufen und wird fündig. In der späten Pubertät wurden die Vorgänge bereits gespeichert, damals auf der Moto Guzzi V7 Sport, auch dort Rechtsschaltung und links die Bremse.
Vielleicht läufts deshalb die ersten Runden wie geschmiert. Trotzdem sachte, denn die hypernervöse Lenkgeomtrie reagiert auf den kleinsten Druck an den Lenkerstummeln mit zackigem Spurwechsel. Tausend und eine Rennrunde mit dem Solomotorrad auf dem kleinen Kurs helfen mir ein wenig, auch aus der Schildkröten-Perspektive eine halbwegs brauchbare Linie zu finden.
Doch Vorsicht mit den Kerbs: Titschen die 250 Millimeter breiten Yokohama-Walzen auf die schräge Kante, zackt die Fuhre wie von der Tarantel gestochen aus der Spur. Nach einem halben Dutzend Runden freue ich mich über die ersten sanften Slides. Mit dem brachialen Schub der Suzuki-Dampfmaschine kein Wunder. Das Ding schiebt aus allen Drehzahlen erbarmungslos vorwärts, lässt seine Muskeln aber fein kalkulierbar spielen.
Jetzt muss sogar der Schmiermaxe ran, zwingt in den wenigen Linkskurven in akrobatischer Turnübung das Seitenwagenrad zu Boden. Rechtsrum spielt die Flunder richtig auf, biegt leicht quer stehend ein, sticht sauber durch die Senke der Opelkurve, schnellt mit mächtig viel Speed hinaus auf die Zielgerade und dann Gaaaaas.
Na ja, sagen wir mal Halbgas. Genügt mir vollauf, denn am Ende muss das Dreirad ziemlich zackig eingebremmst werden, und das ist nicht so einfach. Wie es schlingert und zuckt, wenn die Integralbremse alle drei Räder kurz vor der Blockiergrenze verzögert. Und bei diesem Gezappel soll der geübte Zweiradfahrer auch noch die korrekte Spur für die schnelle Nordkurve treffen? Alles nicht so einfach. Und so groß ist das Kiesbett hier auch wieder nicht. Da haben schon ganz andere Spezialisten in den Reifenstapeln gesteckt.
So ein richtig wohliges Gefühl will in der knapp geschnittenen Glasfaser-Karosse nicht aufkommen. Kein Überrollbügel, kein Aufprallschutz, kein Garnix. »Wenns schief läuft«, hatte mich der englische Weltcup-Sieger Steve Webster aus dem Steinhausen-Team ein paar Minuten vorher noch aufgeklärt, »halte das Ding, wenns irgenwie geht, auf den Rädern. Denn wenns kippt, wirds brenzlig.« Schon allein deshalb, weil Kopf und Rücken auch dann noch aus dem Einstieg ragen, wenn ich mich so tief wie möglich ins Gespann verkrieche
Unbequem ist das 235 Kilogramm schwere und auf Hochgeschwindigkeitspisten rund 280 km/h schnelle Dreirad obendrein. Es poltert und schüttelt, die Oberarme klatschen bei zackiger Fahrt gegen die Kanten der Verkleidung. Blaue Striemen und Flecken zeugen noch Tage später von der sportlichen Tortur. Beim Blick unters Leichtmetall-Monocoque-Chassis wird alles klar. Gerade mal 35 Millimeter Federweg vorn und hinten, das Seitenwagenrad komplett starr aufgehängt, da bleibt der Komfort im wahrsten Sinn des Wortes auf der Strecke.
Okay, ein waschechtes GP-Rennmotorrad ist auch nicht unbedingt das Sofa auf Erden, aber es ist nicht so kantig und ungehobelt. Du legst es elegant in die Kurven, den Oberkörper geschmeidig an den Tank gelehnt, ohne Seitenkräfte, ohne dieses wüste Schwänzeln, Poltern und Schlingern. Und wenns schief läuft, gehen Mensch und Maschine meist getrennte Wege.
Boxenstopp, Sprit alle. Auch nicht schlecht, weil sich meine Schmerzen in Armen und Beinen bereits nach zehn Runden zu Krämpfen ausweiten. Schnapp, den Kontakt für die Zündunterbrechung ausgehängt und nix wie raus aus der Faltschachtel.
Gute 30 Minuten rackern sich die Gespann-Profis in den Weltcup-Läufen ab, und dann ist es nicht nur eng, sondern durch die Abstrahlung der glühenden Auspuffkrümmer auch noch kochend heiß in der Bratröhre. Alles nicht so lustig. Ein Knochensport, ohne Zweifel.
Für Jörg Steinhausen, als Sohn des zweifachen Gespann-Weltmeiters Rolf Steihnausen sozusagen im Fahrerlager groß geworden, ist Gespann fahren die natürlichste Sache der Welt. Jörg startete in den letzten Jahren mit Frank Schmidt, in dieser Saison spannt er mit dem Österreicher Christian Parzer zusammen.
Das Chassis der Steinhausen-Suzuki stammt vom Schweizer Fahrwerks-Guru Louis Christen. Aus vernieteten und verklebten Leichtmetallplatten zusammengefügt, trägt das Chassis von LCR (steht für Louis Christen Racing) vor dem Hinterrad den von Motoren-Tuner Burkhard Bender aufgemöbelten GSX-R 1100 W-Motor.
Mit 195 PS Leistung ist der Vierzylinder den 500er- Zweitaktmotoren ebenbürtig, in Sachen Standfestigkeit und Wartungsintervalle weit überlegen. Alle 2000 Rennkilometer wird das Triebwerk zerlegt und revidiert. Rennzweitakter dagegen verlangen spätestens nach 500 Kilometern neue Kolben und eine sorgfältige Überprüfung der Innereien.
Schon deshalb wird das Steinhausen-Racing-Team dem Viertakt-Konzept auch im Jahr 2000 treu bleiben. Aktuelle, moderne Motoren für Testzwecke hatte man bereits das auf 1200 Kubikzentimeter heruntergebuchste Hayabusa-Kraftwerk angeflanscht bieten durch geradlinigere Ansaugwege beste Voraussetzungen, die Fahrleistungen nochmals zu verbessern. Für Steve Webster eine willkommene Hilfe, um seinen Titel gegen die Zweitakt-Granaten der Konkurrenz in der Saison 2000 zu verteidigen.
DatenMotor: Wassergekühlter Suzuki-Vierzylinder Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebeneNockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, über Tassenstößel betätigt, Nasssumpf-Schmierung, vier 39 mm Mikuni-Flachschieber-Vergaser mit Staudruck-Airbox, kontaktlose Transistor-Zündanlage, kein Starter.Bohrung x Hub 79,75 x 60 mmHubraum 1198 cm3Verdichtung 12:1Nennleistung 194 PS bei 11000/minMax. Drehmoment 134 Nm bei 8400/minKraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, wahlweise 5- oder 6-Ganggetriebe, Mehrscheiben- Ölbadkupplung, Sekundärantrieb über O-Ring-Rollenkette FahrwerkLCR-Monocoque-Rahmen aus Leichtmetall-Platten vernietet und verklebt, Motor seitlich angeflanscht, Achsschenkel-Lenkung vorn, Doppel-Längslenker hinten, Seitenwagenrad starr verschraubt, Federweg v/h 35 mm, Eibach-Stoßdämpfer und FedernInnenbelüftete AP-Bremsscheiben, v/h 280 0 mit Vierkolbenzangen, Seitenwagen 240 0, mit Zweikolbenzangen, dreiteilige BBS-Leichtmetallfelgen, Yokohama-Bereifung vorn 210/525-13, hinten 250/515-14, Seitenwagen 250/525-13, Radstand 2200 mmRadstand Vorderrad/Seitenwagen 1650mm 30/+60mm einstellbar Spurweite 1100 mm Spurversatz 80 mm, Nachlauf einstellbar Bodenfreiheit beladen 65 mm, Kontakt- und Autogramm-Adresse: Steinhausen Racing, Driescher Straße 2, 51588 Nümbrecht, Telefon 02293-914 10, Internet-Adresse: http://www. steinhausen.de