Ducati 50 SL/1: das seltene Sammlerstück bietet klassische Formen und schöne Details

Große Show: die einzigartige Ducati 50 SL/1 bietet schöne Details und klassische Formen Ducati 50 SL/1: das seltene Sammlerstück in der Detailansicht

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Vor Amors Pfeilen ist man nie gefeit. Auch nicht im Urlaub. Das bekam ein leidenschaftlicher Sammler italienischer Motorräder zu spüren, der vom ersten Augenblick an Feuer und Flamme für diese seltene 50er-Ducati war.

Ducati 50 SL/1: das seltene Sammlerstück in der Detailansicht Bilski
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Mit Urlaubsflirts ist das so eine Sache. Erst tanzen die Schmetterlinge, dann sieht man sich nie wieder. Die große Liebe? Treffen die wenigsten. Das weiß natürlich auch ein gestandener Schwabe wie Horst Stirm. Und dennoch hat er sich auf so ein Abenteuer eingelassen. Bei einem Kurztrip nach Italien im vergangenen Dezember war es passiert, mitten in Ferrara, als der Sammler italienischer Motorrad-Kleinkunst über den dortigen Teilemarkt schlenderte. Da stand sie, diese rassige Signorina: so klein, so zierlich - und so wunderschön, dass er ihr sofort verfallen war.

Ja, es war Liebe auf den ersten Blick. Und er ließ es geschehen. Kommt ja auch aus gutem Haus, die Kleine. Eine Ducati hat eben einen Namen, selbst wenn es „nur“ eine 50er wie die 50 SL/1 ist. Mit diesem sehr sportlich gestylten Mini-Flitzer wollte Ducati Mitte der 1960er-Jahre bei den Jugendlichen landen, um die dramatisch sinkenden Motorrad-Verkäufe zu kompensieren.

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Mit ihren klassischen Formen und vielen schönen Details bietet die kleine Duc eine große Show.

Tja, da stand er nun, der frisch verliebte Teutone. Mit begehrlichen Blicken vor der Roten - und einem großen Problem. Denn der Besitzer, ein Teilehändler aus Modena, war des Englischen ebenso wenig mächtig wie Stirm der italienischen Sprache. Mit Händen und Füßen gelang so etwas wie eine Konversation. Die jedoch für Horst Stirm enttäuschend verlief, denn der Eigner wollte sich nicht von der Duc trennen. Höchstens von einer Visitenkarte.

Immerhin. So bestand noch ein Funke Hoffnung. Denn auch zu Hause ging Stirm die grazile Sportlerin nicht mehr aus dem Kopf: „Die Ducati ist für mich einfach die Schönste von all den kleinen Mopeds.“ Zum Glück gibt es im Ort noch eine italienische Eisdiele mit einem italienisch sprechenden Besitzer. Der spielte gerne den Dolmetscher. Was dieser berichtete, war aber alles andere als beruhigend: Stirm hatte einen Nebenbuhler, einen Engländer, der angeblich kurz vor dem Vertragsabschluss stand. Ein Schock, der zu raschem Handeln zwang. Denn Stirm wollte diese 50er unbedingt haben.

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Richtig was her macht auch der offene Ansaugtrichter.

Also musste der Übersetzer nochmal ran. Alle Einzelheiten wurden am Telefon besprochen, der Deal klappte. Ein paar Tage später stand Horst Stirm dann in Modena vor „seiner“ roten Signorina, glücklich und erleichtert. Auch um etliche Scheine. Der Preis? „Ziemlich hoch und nicht verhandelbar. Dafür hätte man sich auch ein großes Motorrad kaufen können.“ Dass die Papiere fehlten, war dem ehemaligen Monteur in der Daimler-Entwicklungsabteilung egal: „Die Duc läuft zwar wunderbar, wird aber sowieso nicht mehr gefahren.“ Er erfreut sich einfach am Anblick der klassischen Linien, dem offenen Ansaugtrichter oder den vielen polierten Aluteilen. Ein Augenschmaus, der jeden Augenblick des Betrachtens zu einem besonderen macht.

Dennoch war Stirm froh, als einige Wochen später per Post aus Italien die originalen Papiere nachgeliefert wurden. Jetzt erst hatte er nämlich die Gewissheit, dass es sich bei seiner Ducati nicht um ein toprestauriertes Exemplar handelt, sondern tatsächlich um eine jungfräuliche 50 SL/1 ohne Haltereintrag in den Dokumenten. Wie sich im Nach-hinein herausstellte, hatte der Verkäufer, ein ehemaliger Ducati-Vertragshändler, diese schön gemachte 50er damals für sich selbst aufbewahrt.

Klar, dass Horst Stirm auch bei künftigen Italien-Reisen die dortigen Oldie-Märkte besuchen wird. Für amouröse Urlaubs-Abenteuer dieser Art ist man eben nie zu alt. Auch nicht mit 77 Jahren.

Interview mit Livio Lodi

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Livio Lodi, Kurator des Ducati-Museums in Bologna.

„Es waren auch Gurken dabei“

Wann genau wurde die 50 SL/1 gebaut?
Sie kam 1966 auf den Markt. Davor und auch danach gab es ähnliche Modelle mit 48 bis 50 Kubik, die touristischer waren oder den Auspuff auch mal unten trugen wie die SL/1A. Später baute Ducati auch eine kleine Scrambler auf der Basis der SL/1. Technisch waren sich die 50er aber alle ähnlich, mit einem Zweitaktmotor und um die vier bis 4,5 PS sowie einer Drei- oder Viergangschaltung. Die SL/1 blieb mindestens bis 1970 in Produktion. Ob sie später auch noch gebaut wurde, wissen wir nicht sicher, denn unsere Unterlagen aus dieser Zeit sind nicht vollständig.

Ducati hatte zuvor erfolgreich größere Viertakt-Motorräder gebaut. Warum diese Rückkehr zu den 50ern?

Motorräder waren Ende der 50er-Jahre auf dem absteigenden Ast. In Deutschand fuhren die Leute lieber Käfer, in Italien gab es einen Run auf den Fiat 500. Ist ja auch klar, man war vor Wind und Wetter geschützt, konnte die Familie mitnehmen und auch mal größere Sachen transportieren. Deswegen sind die Absatzzahlen bei Motorrädern stark eingebrochen, und Ducati konnte dem ja nicht tatenlos zusehen. Und so hat man versucht, mit diesen 50ern wenigstens die 14- und 15-Jährigen zu gewinnen. Nicht nur wir, sondern auch Hersteller wie Malanca und Italjet, um nur mal zwei weitere aus Bologna zu nennen.

Im Vergleich zu anderen 50ern von Ducati hatte die SL/1 eine sehr sportliche Optik. War das ebenfalls ein Versuch, die Jugendlichen anzusprechen?
Ja. Man darf nicht vergessen, dass Ducati Ende der 50er-Jahre mehrmals den Motogiro d‘Italia gewonnen hatte, ein sehr populäres Rennen, und eine sportliche 50er des Hauses daher glaubwürdig war. Außerdem gab es im Grand Prix damals noch die 50er-Klasse, das sprach die jungen Fahrer ebenfalls an. Und so wurde die SL/1 eben im Racing-Look gebaut, also mit langem Tank, langer Sitzbank, niedrigem Lenker und den beiden Tankdeckeln, die eine rein optische Funk-tion hatten. Auch das Vierganggetriebe war der Sportlichkeit geschuldet, denn nur drei Gänge, wie bei den zuvor gebauten Ducati-50ern, hätten sie sofort der Lächerlichkeit preisgegeben, und ihren Fahrer gleich dazu. Wenn man so will, war die SL/1 das, was in den 90er-Jahren die 125er-Cagiva Mito im Vergleich zur Ducati 916 war: Ein Angebot für diejenigen, die von einem großen sportlichen Motorrad träumten, es sich aber entweder nicht leisten konnten oder es nicht fahren durften, weil sie zu jung waren.

Was hat die SL/1 denn damals gekostet?
Sie hieß ja mit vollem Namen Sport Lusso, also Luxussportler, und war nicht wirklich billig. Laut Liste kostete sie 1967 genau 118000 Lire. Zum Vergleich: Den Fiat 500 F aus dem gleichen Jahr gab es für 475000 Lire. Ducati hatte aber auch billigere 50er im Programm, etwa die Brisk für 71000 Lire oder die Piuma. Das waren aber mehr Mofas, sowohl optisch als auch technisch. Ehrlich gesagt, waren in dem 50er-Angebot ein paar ganz schöne Gurken dabei. Aber die Manager haben halt versucht, das Beste aus den harten Zeiten zu machen und alles anzubieten, von dem sie dachten, es könnte ziehen. Ducati hat in diesen Jahren sogar dreirädrige Klein-Traktoren und einen Roller, den Brio, gebaut.

War die SL/1 denn ein Erfolg?
Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, wir haben aus diesen Jahren kaum Zahlen. Ich glaube aber nicht, dass sich die Leute um sie gerissen haben. Ihr Design immerhin kam an, daran lehnte sich später die Optik der bekannten 350er-Mark 3 Desmo von 1968 an. Fest steht, dass keine dieser 50er aus den 60er-Jahren zu den Motorrädern gehörte, die wichtig für Ducati sind und den Ruf der Marke begründet haben. Sie sind ein interessantes und kaum bekanntes Kapitel unserer Firmengeschichte, das Licht auf eine schwierige Zeit wirft - mehr aber nicht.
Das Interview führte Eva Breutel

Technische Daten

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Der markante Auspuff ist ein zeitgenössisches Tuning-Teil.

Motor:
Einzylinder-Zweitaktmotor, leicht nach vorn geneigter Zylinder, Kopf und Zylinder aus Aluminium, Bohrung x Hub 38,6 x 42 mm, Hubraum 49,695 cm³, 4,5 PS bei 8200/min, Verdichtungsverhältnis 11:1, DellOrto-Vergaser, Magnetzündung, Luftkühlung, Kickstarter, Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Vierganggetriebe mit Fußschaltung auf der rechten Seite

Fahrwerk:
geschlossener Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohren, mechanische Telegabel vorn, Schwinge mit zwei mechanischen Federbeinen hinten, Alu-Trommelbremse vorn und hinten mit je 118 mm Durchmesser, Stahlspeichenräder, Reifen v/h 2.25-19, Reifendruck v/h 1,75/2,25 bar

Masse und Gewicht:
Länge 1770 mm, Radstand 1150 mm, Lenkerbreite 578 mm, Höhe 860 mm, Sitzhöhe 750 mm, Fußrastenhöhe 260 mm, Bodenfreiheit 200 mm, Trockengewicht 69 kg, Tankinhalt 9,6 Liter (1,8 Liter Reserve), Gemisch mit fünf Prozent Öl. Verbrauch 2,02 Liter/100 km

Höchstgeschwindigkeit: 80 km/h
Preis (1967): 118 000 Lire

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