„Z wie zornig“ titelten wir den Top-Test von Kawasakis Premium-Nackedei im Jahr 2014. Drei Jahre später begehrt die eigene Jugend auf, die unglaublich erwachsen, stark, aber auch zivil geworden ist. Ist die neue 900er die bessere Z?
„Z wie zornig“ titelten wir den Top-Test von Kawasakis Premium-Nackedei im Jahr 2014. Drei Jahre später begehrt die eigene Jugend auf, die unglaublich erwachsen, stark, aber auch zivil geworden ist. Ist die neue 900er die bessere Z?
Kinder, wie die Zeit vergeht. Da hat man ein paar Tage nicht auf den Kalender geschaut, schon ist’s 2017 und die Kawasaki Z 1000 älter als drei Jahre. Da macht es Sinn, dass die Japaner das 142-PS-Naked-Bike unter anderem als edle R-Edition in die Verkaufshallen schieben, potenzielle Kunden mit feinem Öhlins-Federbein und bissigen Brembo-M50-Monoblock-Zangen zum (aufpreispflichtigen) Kauf motivieren wollen. Zumal die Z 1000 ja, ehrlich gesagt, in den Vergleichstests der Vergangenheit nicht immer sonderlich gut wegkam. Weder bietet sie moderne Helferlein wie Traktionskontrolle, Quickshifter oder Anti-Hopping-Kupplung, noch konnte sie fahrerisch besonders auftrumpfen. Das lag vor allem an der viel kritisierten und auch jetzt wieder aufgezogenen Erstbereifung, den Dunlops D214, hinten als 190er-Reifen mit 50er-Querschnitt. So viel vorweg: Diese Pneus mit kräftigem Aufstellmoment, schlechtem Nassgrip und demotiviertem Einlenkverhalten wirken weiterhin wie eine angezogene Handbremse für die Z 1000. Alles wie immer also? Nee, die Überraschung folgt noch. Also dranbleiben!
Richten wir den Blick auf die Straße, schmeißen den rau laufenden Vierzylinder-Kraftprotz an und genießen dieses Sägen, Schaben und Mahlen aus dem 1043 Kubik großen Brennraum, das Röcheln aus der Airbox. Ganz ehrlich: Kein Vierzylinder-1000er-Motor klingt derart gierig, kräftig und kolossal zugleich. Da kommt auch das 948-Kubik-Aggregat der Z 900 nicht ran, obwohl es technisch auf der stärkeren Schwester basiert. In neuer Konfiguration mit 3,6 Millimeter geringerer Bohrung läuft die 900er sanfter, etwas befreiter, dafür nicht ganz so angriffslustig. Ansonsten bietet sie genau das, woran es der Kollegin fehlt. Da wären einerseits die Reifen. Ja, auch die Z 900 rollt auf Dunlops D214. Die Sonderspezifikation „Z“ und der 55er-Querschnitt des 180er-Hinterreifens stellen aber das bisher über den Reifen Geschriebene auf den Kopf. Diese Variante der Dunlop-Pelle sorgt für eine starke Performance, beweist eindrücklich, dass eine Erstbereifung hervorragend zum Bike passen kann.
Nächster Stich gegenüber der großen Schwester: Die Z 900 hat zwar weniger Power, steht dafür deutlich drahtiger und zehn Kilo leichter auf dem Asphalt. So sorgt bei ihr ein Gitterrohrrahmen für den Zusammenhalt, auf der Großen dominiert hingegen der mächtige Rückgratrahmen aus Aluminium mit breiten Profilen. Das macht optisch einiges her. Und gibt einen ersten Hinweis darauf, dass die Z 1000 R nicht nur in allen Belangen hochwertiger aussieht, sondern tatsächlich viel besser verarbeitet ist. Natürlich hat man die 900er alles andere als lieblos zusammengebruzzelt, doch Schweißnähte, verwendete Materialien, Plastikabdeckungen am Rahmen und vor allem die Schwinge geben zu erkennen, wo der Rotstift zugeschlagen hat. Die beiden Zs trennen immerhin rund 4.800 Euro.
Was beim Blick auf die Bikes im Profil noch auffällt, bestätigen auch die Datentabellen: Die 1000er hat die extremere Fahrwerksgeometrie. Ihr Radstand ist 15 Millimeter kürzer, der Nachlauf vier Millimeter geringer, der Lenkkopf ein halbes Grad steiler. Ob sie deshalb der 900er nicht nur leistungsmäßig zeigt, wer der Chef im Ring ist, sondern auch im Kapitel Agilität?
Die Z 900 hat mit gemessenen 127 PS und 101 Newtonmetern keine allzu schlechten Bedingungen, um der 14 PS stärkeren Schwester lange am Heck zu kleben. Warum? Sie ist einerseits kürzer übersetzt – ausgenommen der sechste Gang, der als Overdrive ausgelegt ist –, andererseits bietet sie dem Z 900-Fahrer beim Aufsitzen auf der Sitzbank aus dem Kawasaki-eigenen Zubehörprogramm (plus 20 Millimeter, 162,50 Euro) ein ordentliches Platzarrangement. Und dieses lässt etwas mehr Bewegungsfreiheit für beschwingten Körpereinsatz zu als die bulligere 1000er.
Auf beiden Bikes liegen die Lenker gut zur Hand, sind nicht zu breit sowie angenehm gekröpft. Die Knie winkeln sportlich, aber nicht spitz, die Füße finden dank moderater Sitzhöhe sicheren Stand. Zudem werfen die Bedienungen der futuristischen und für europäische Augen eher sonderbar gestalteten Cockpits keine Fragen auf. Nur, ob man ihnen dieses Aussehen wirklich hat aufzwingen müssen? Nun ja, dafür dürfte niemand mit den zwei Knöpfen überfordert sein, um sich Infos wie Restreichweite und Momentanverbrauch anzeigen zu lassen. Viel mehr geben die Bordcomputer nicht her.
Die Kupplungen trennen sauber, lassen sich prima dosieren, benötigen nur wenig Handkraft. Die Gänge flutschen fluffig und präzise rein, nur beim Runterschalten wirken beide Getriebe mitunter etwas knochig. Harsch geht die Z 1000 ans Gas, macht deutlich, dass man von ihr keine Blümchen-Pflücker-Kompetenzen erwarten braucht. Der Z 900 gelingt das etwas besser, sie präsentiert sich auch in der Summe ziviler.
Die Motorcharakteristika ähneln sich nicht nur auf dem Prüfstandsdiagramm gewaltig. Beide Vierzylinder bieten beinahe Big-Bike-Flair, lassen sich ebenso genüsslich wie wohlerzogen im sechsten Gang durch die Ortschaft bewegen, ohne an deren Ende beim Dreh am Gasgriff zu verhungern. Klar, nicht nur subjektiv profitiert die Große von ihrem kräftigen Schluck mehr Hubraum, pumpt bei 3000 Touren bereits 85, bei 5000 Umdrehungen schon 98 Newtonmeter an die Kurbelwelle. Das erlaubt nicht nur untertouriges Dahingleiten, sondern auch unglaubliche Reserven. Denn nach wie vor tanzen die Mundwinkel Polka, wenn man im Eifer des Gefechts zwei, drei Gänge runtersteppt und das Gas beherzt stehen lässt. Wie die Fuhre um 6000 Umdrehungen noch einmal Späne gibt und in den unteren Gängen Männchen macht, begeistert auch nach drei Jahren wie am ersten Tag.
Und die Kleine? Bietet in der Summe die gleichen Eigenschaften, wirkt nie untermotorisiert, aber gegenüber der 1000er immer ein Quäntchen zahmer. Doch mit Verlaub: Das zeigt sich nur, wenn man das Bein von der einen runter und über die andere Sitzbank rüberschwingt. Was dabei viel stärker und nicht nur sprichwörtlich ins Gewicht fällt: das Fahrverhalten. Auf der
Z 1000 kann man verdammt schnell unterwegs sein, muss dafür aber ordentlich kämpfen und seine Linie sehr präzise wählen. Wie das gemeint ist? Nun, wer auf die Z 900 aufsteigt und losfährt, fühlt sich sofort wohl, kann das Motorrad schnell einschätzen und dank neutralen Lenkeigenschaften und kinderleichten Handlings beherzt in die Kurve werfen. Wer hingegen auf dem Premium-Brenner draufhockt, merkt schon beim Losrollen das Mehrgewicht und eine gewisse Widerspenstigkeit gegenüber Schräglagen. Davon darf man sich nicht entmutigen lassen! Die Tausender will an den Hörnern gepackt, von Kurve zu Kurve gezwirbelt werden, steht nicht auf Romantik, sondern auf die Nummer mit Leder und Handschellen. Wer das Bike dominiert, freut sich in der R-Version über das deutlich bessere Ansprechverhalten des Öhlins-Federbeins gegenüber dem Serien-Teil. Seine satte Dämpfung bot auf der Testfahrt keinen Anlass zur Kritik. Ohnehin lieferte die Z 1000 eine ordentliche Vorstellung ab, stellte sich in Kurven nicht ganz so stark auf wie frühere Testexemplare. Ob wir es deshalb so schräg getrieben haben, dass kurz nach den Angstnippeln der Auspuff in Mitleidenschaft gezogen wurde? Mag sein.
Überraschend: Auf der kleinen Z fährt man dieselbe Pace mit deutlich weniger Adrenalin im Blut. Ihre Fahrwerkskomponenten mögen einfacher Machart sein, doch sie brillieren mit Gutmütigkeit, satter Dämpfung, Unauffälligkeit. So wie die ganze Z 900, die auch punkteseitig stillheimlich an der großen Schwester vorbeizieht. Ziviler Ungehorsam hat ja noch nie geschadet. Und den Stimmen nach zu urteilen, könnte es nächstes Jahr bereits eine neue Z 1000 geben. Dann beginnt das Duell von Neuem.
1. Kawasaki Z 900
Agiler, intuitiver, stark und bis aufs futuristische Cockpit in allen Belangen zivil. Klingt langweilig? Fährt aber sensationell. Vor allem mit Blick auf den attraktiven Preis.
2. Kawasaki Z 1000 R Edition
Als R-Version besser als bisher und doch immer noch ein Opfer ihrer Erstbereifung. Der Motor bleibt eine Wucht, die Brembo-Bremsen ein Anker. Die Z 1000 will dominiert werden.