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Wenn der Motor zweimal klingelt, der Schuh drückt, ein Reifen nicht die Kurve kriegt oder der Kofferträger nicht das hält, was er verspricht – was dann? MOTORRAD hilft Ihnen weiter.

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Foto: Mycron

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Protektorenhemden

Ich fahre mit meiner Enduro auf Landstraßen, Schotterpisten und meistens in leichterem Gelände. Empfiehlt sich
dafür ein Protektorenhemd oder besser ein Schutzpanzer? Reicht gar eine Jacke mit eingearbeiteten Protektoren?

Michael Griep, Rallyefahrer und Enduro-Tourguide in Pforzheim, www.roadbooktouren.de:

Beim Endurofahren ausschließlich eine Jacke zu tragen reicht meiner Meinung nach kaum aus, weil die eingearbeiteten Protektoren nicht besonders eng anliegen und deshalb leicht verrutschen – ein Sicherheitsrisiko.
Dicke Panzer aus Hartplastik, wie sie gerne beim Motocross getragen werden, bieten zwar große Schutzwirkung beim Aufprall und auch vor derbem Steinschlag, haben aber einige Nachteile:
Sie sind im Schulter- und Armbereich
unkomfortabel, und um die Bewegungsfreiheit der Hüfte nicht einzuschränken, sind sie im Rückenbereich kurz aus-
gelegt, so dass sie den Steiß der Wirbelsäule nicht schützen. Moderne Protek-
torenhemden sind besser ausgestattet, zum Beispiel mit abtrennbarem, langem Rückenteil und Nierengurt, und die im gut belüfteten Netzhemd eingearbeiteten Protektoren verrutschen nicht. Protektorenhemden bieten einen guten Kompromiss aus Schutz und Bewegungsfreiheit, eignen sich deshalb ideal für Fahrten
mit höheren Geschwindigkeiten auf Schotter- und Sandpisten. Auf Land-
straßen-Etappen tragen sie sich angenehm und ergänzen die Schutzwirkung der Jacke. Die meisten Rallyeprofis
tragen Protektorenhemden, weil diese das größte Spektrum für den Einsatz
im Gelände abdecken.

Unsere Highlights

Verzogene Bremsscheibe

Seit ein paar Wochen bemerke ich beim Bremsen ein leichtes Rubbeln. Wahrscheinlich ist die Bremsscheibe verzogen. Weiterfahren oder Bremsscheibe wechseln, was meint Ihr?

Ivano Zana, Mycron Präzisionsschleiftechnik in Bad Urach, Telefon 07125/408773:

Verzogene oder riefige Bremsscheiben sind ein Sicherheitsrisiko,
müssen aber nicht zwangsläufig ersetzt werden. Wir können die
Scheibe auf einen tausendstel Millimeter genau wieder plan schleifen. Am besten zunächst die betroffene Bremsscheibe ausbauen und
mit einer Schieblehre die Stärke überprüfen. Bei unserem Planschliff
nehmen wir etwa 0,1 bis 0,15 Millimeter ab, das also mit einrechnen. Sofern die vorgesehene Mindestdicke dann nicht unterschritten
wird, kann die Scheibe zu uns geschickt werden, und wir bringen
sie ab 50 Euro wieder auf Vordermann. Die Mindestdicke für die
Bremsscheibe kann man über ein Werkstatthandbuch oder beim
Vertragshändler in Erfahrung bringen. Vor dem Arbeitsgang messen
wir auch noch einmal selbst nach. Erkennen wir dabei, dass sich
die Scheibe nicht für einen Schliff eignet, teilen wir das dem Kunden mit, der dann nur die Portogebühren fürs Zusenden bezahlt hat.

Höchstgeschwindigkeit mit Koffern

Für meine FJR 1300 mit montierten Koffern schreibt Yamaha eine maximale Geschwindigkeit von 130 km/h vor. Davon stand in Prospekten, auf der Internetseite und Zubehörliste aber nichts.

Hans-Werner Möller, Abteilungsleiter Zubehör Yamaha in Neuss:

Koffer und Träger sind weder genehmigungs- noch eintragungspflichtig, selbst Eigenkonstruktionen sind somit erlaubt. Als Hersteller und Anbieter haben wir
dem Kunden gegenüber jedoch eine Verantwortung und stehen in einer Produkt-
haftungspflicht. Deshalb empfehlen wir genau wie andere Hersteller beim Fahren mit Koffern eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Die von Kofferherstellern angegebenen Grenzen für Zuladung und Höchstgeschwindigkeit sind verkehrsrechtlich nicht bindend. Wer schneller fährt, muss zwar kein Bußgeld fürchten, tut dies aber auf eigenes Risiko. Passiert ein Unfall bei höherer Geschwindigkeit, der etwa auf Pendelbewegungen zu-
rückzuführen ist, greift die Produktions-
haftungspflicht dementsprechend nicht. Unsere Geschwindigkeitsempfehlung fällt aus Sicherheitsgründen bewusst sehr
niedrig aus, denn wir wissen im Vorfeld natürlich nichts über das Fahrkönnen des einzelnen Fahrers. Unsere eigenen Tests haben jedoch bewiesen, dass die FJR auch bei weit höheren Geschwindigkeiten fahrstabil bleibt. Eine Tempoempfehlung wird nicht in der allgemeinen Werbung oder in der Zubehörliste angegeben, sondern darauf wird üblicherweise zusammen mit anderen Sicherheitshinweisen in der Betriebsanleitung oder durch Aufkleber am Produkt selbst hingewiesen.

Reifenbindungen

Letztes Jahr hörte ich, dass ab 2004 keine Reifenbindungen mehr gelten und entsprechend keine Reifenfreigaben mehr nötig wären. Was ist dran?

Bernd Lange, SPD-Abgeordneter im Europaparlament in Brüssel:

Zwar sieht das Europäische Parlament eine Festlegung von Reifen-
typen im Rahmen der Betriebserlaubnis für Motorräder (EU-ABE)
als Wettbewerbsbeschränkung an, in Deutschland scheinen Fahrzeug-
hersteller aber über den Umweg
der Typenprüfung nach wie vor
eine Eintragung bestimmter Reifentypen in die Fahrzeugpapiere zu
erreichen. Da sind wohl Ängste, dass ein Billigreifen zwar die richtige Größe, aber nicht die entsprechenden Sicherheitsanforderungen erfüllt. Von der EU-Kommission habe ich auf
Anfrage, was mit den Reifenbindungen für Motorräder zukünftig passiert, folgende Antworten erhalten:
»Nach Ansicht der Kommission ist die Festlegung von Reifentypen für Krafträder gleichermaßen unannehmbar. Die Kommission wird sich mit den deutschen
Behörden in Verbindung setzen, um die Lage zu klären.«
Laut Richtlinie dürfte es also schon jetzt nirgends mehr Reifenbindungen geben. Deutschland wurde aufgefordert, diese Richtlinie einzuhalten. Die hiesigen Be-
hörden berufen sich jedoch auf Untersuchungen, nach denen bestimmte Reifenbindungen der Verkehrssicherheit dienten. Nun hat die EU-Kommission eine
unabhängige Studie gefordert. Die Auseinandersetzung kann noch eine ganze Weile dauern. Beim derzeitigen Stand handelt es sich daher nur um ein Gerücht, dass 2004 die Reifenbindungen in ganz Europa nicht mehr gelten.

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023