Wahrhaftige Kilometerkönige kamen zum MOTORRAD-Treffen der Vielfahrer in Thüringen: Ihre 15 Motorräder brachten es gemeinsam auf rund fünf Millionen Kilometer. Eine bunte Truppe mit höchst individuellen Maschinen wie Fahrphilosophien. Ende 2006 suchte MOTORRAD unter der Überschrift "Dauer-Auftrag" nach extremen Vielfahrern unter den Lesern. Und war überrascht von der Resonanz auf diesen Aufruf, rund 120 interessante Biographien flatterten ins Haus. Zahlenmäßig dominierten Bewerbungen von BMW- und Honda-Fahrern, bei Letzteren bis hin zu Fireblades, dicht gefolgt von Yamaha-Eignern. Erst mit großem Abstand folgten Kawasaki und Suzuki, noch seltener waren Harleys oder Guzzis. Ducatis und Triumphs als Dauerläufer? Fehlanzeige.
So oder so fiel eine Auswahl für ein Treffen nicht leicht. Ende Juli 2007 war es so weit: 15 Menschen kamen mit ihren Maschinen nach Saalfeld, Tor zum tollen Motorradrevier des Thüringer Walds. Für alle Teilnehmer ist das Motorrad Liebhaberei wie Lebenseinstellung und zum Teil einziges Fahrzeug. Gleichwohl hat jeder Kilometerfresser eine ganz individuelle Biographie und Fahrphilosophie: Fernreise, alltägliche Tour oder Weg zur Arbeit.
Bunter kann ein Motorrad-Treff kaum sein: Maschinen von 125 bis 1200 cm3, vom Single bis zum Sechszylinder, vier Monate bis 29 Jahre alt, mit 32000 bis 827000 Kilometern. 15 Zweiräder vereinen zusammen 5,17 Millionen Kilometer und rund 260 Jahre. Ergibt pi mal Daumen knapp 20000 Kilometer jährlich.
Dagegen kommt der deutsche Durchschnitts-Biker eher auf 3000 als 5000 Kilometer Jahresfahrleistung. 344867 Kilometer im Mittel legten die eingeladenen 15 Gegen-alle-Trends-Fahrer/innen zurück. Dafür reicht ein Durchschnittsleben nicht aus. Es fehlen nur 40000 Kilometer ziemlich genau ein Erdumfang , um einmal zum Mond gereist zu sein: 384401 Kilometer ist der Erdtrabant entfernt.
Solche Zahlen verschieben einfach die Wahrnehmung. MOTORRAD führt mehr Dauertests durch als jede andere Zeitschrift in Europa. Sie gehen über 50000 Kilometer, danach wird die jeweilige Maschine zerlegt und begutachtet. In der Regel braucht es dafür rund 18 Monate. Da sind die Vielfahrer-Maschinen gerade mal gut eingefahren. Was sind das für Menschen, die wie Siegfried Donath 827000 Kilometer in 13 Jahren fahren? Was ist ihr Antrieb zur Marathon-Manie mental wie motorradtechnisch? Was sind ihre zeitgerafften Erlebnisse, die wichtigsten Schäden im Langstreckeneinsatz? Antworten darauf liefern die oftmals detaillierten Aufzeichnungen.
Gunter Baron etwa listete in einem 30-seitigen, penibel geführten Wartungsbuch alle wichtigen Stationen mit seiner TR1 auf. Die hat er bei Kilometerstand 25274 übernommen und bei 300306 in sein Wohnzimmer gestellt. Macht 275032 eigene Kilometer an 5843 angemeldeten Tagen bis zur endgültigen Stilllegung im September 2003. Oder 5500 Stunden Fahrzeit bei angenommenem Durchschnittstempo von 50 km/h auf Nebenstrecken. Heißt 229 Tage am Lenker. Ununterbrochen. Minimal 781 Tankstopps (bei 5,4 Liter je 100 km und 19 Liter Tankinhalt) gehen extra.
Stolz auf die Kilometer? "Ja klar", sagt Erich Zimmermann, "die haben wir uns alle hart ersessen. Der Ex-Fahrlehrer weiß, wovon er redet. Nicht nur, weil er sich das Sitzmöbel seiner BMW R 1200 GS hat speziell anpassen lassen. Sondern weil er mit ihr in exakt vier Monaten 32483 Kilometer fuhr. Respekt. Erich ist ein wahrer Kilometer-Millionär, hat die R 1150 GS, mit der er sich als Marathon-Man beworben hatte, Anfang 2007 verkauft. Nach 493000 Kilometern in neun Jahren. Eben der ganz normale Wahnsinn.
Andreas Gottschalk aus Mönchengladbach, ebenfalls Fahrlehrer, hält die Kawa-Fahne hoch. Er hat seit 1983 fast 320000 Kilometer auf seine Z 750 E gespult. Und die Wartungsintervalle, natürlich in Eigenregie, auf 10000 Kilometer erhöht. Trotz vieler Chromteile nutzt Andreas den Brot-und-Butter-Vierzylinder als Begleit-Bike in der Motorradausbildung. Er hat eine Verkleidung und einen Zigarettenzünder als Zubehör nachgerüstet, Thomas Andres an seiner XT 500 (191124 km) einen Regenschirmhalter.
Wer je mit eigenem Motorrad "100000" voll machte, kennt das bewegende Gefühl, wenn 99999,9 auf der Uhr steht. Zumindest, wenn es ein Tacho von der mechanisch-analogen Sorte ist und nicht nur Flüssigkristalle pixeln. Auf dem Tachogehäuse der Kawa hat Andreas die Tage des "Nullens" bei vollen 100000 Kilometern vermerkt: der 28. April 1995, der 10. August 2002 sowie der 23. September 2006.
Auf Autobahnen setzt Andreas sein Zweit-Motorrad ein, eine Yamaha XJ 900 Diversion. "Aber die hat erst 113000 Kilometer drauf." Überhaupt sind die meisten Teilnehmer nicht bloß Überzeugungs-, sondern wahre Wiederholungstäter: Sie besitzen mehrere Motorräder. Und fahren schon mit einem einzigen ihrer oftmals großen Sammlung dermaßen viel.
Wie hält das Material so lange? Kaum eine Maschine blieb im Dauerstress ohne Schäden. Trotzdem kann man der Technik auf die Sprünge helfen. In dem man sein Motorrad gut kennt fast zwangsläufig bei rund 17 Jahren Durchschnittsalter. Und irgendwann selber wartet und repariert. Oft dienen ganze Maschinen oder Zweitmotoren als Teileträger, damit Defekte schnell behoben sind. Oder weil sich Ersatzteile der Youngtimer mitunter schon fast in Gold aufwiegen lassen.
Wenig Kaltstarts und behutsames Warmfahren der Motoren sind weitere Erfolgsgeheimnisse: "5,5 Liter Öl wollen erst mal auf Temperatur kommen", erklärt CBX-Treiber Jürgen. Er fährt morgens 100 Kilometer Umweg zur Arbeit mit seinem "Baby", feiert sogar dessen Geburtstag. Am anderen Ende des Spektrums rangiert der 18-jährige Jannik. Seine CBR 125 trug ihn zwei Jahre lang auf Tempo 80 gedrosselt knapp 36000 Kilometer weit. Bis zur Schule fährt der Gymnasiast bloß zwei Kilometer. Ob er keine Probleme wegen der Kurzstrecken sehe? Nein. "Das ist eine Honda, die hält auch so."
Dass Erfahrung vom Fahren kommt, zeigte sich in Thüringen auf den traurigerweise voll gefluteten, kleinen Motorradsträßchen. Alle Vielfahrer beherrschen ihr Motorrad auch bei widrigen Bedingungen aus dem Effeff, in Kurven, beim Wenden und Rangieren. Was vielleicht bei diesen Kilometerleistungen nicht sehr verwundert. Aber den Wunsch aufkommen lässt, dass es mehr solcher Leute gäbe. MOTORRAD zieht seine Lehren aus diesem Erfahrungsaustausch. Und wird dranbleiben am Thema. 2008 soll ein Nachtreffen stattfinden. Sie ist noch lange nicht zu Ende, die Motorrad-Reise zum Mond.
Siegfreid Donath, BMW K 75:
"Gerne bin ich unterwegs, aber auch gerne abends wieder zu Hause." Siegfried fährt unter der Woche einfach morgens los, und abends, wenn die Frau von der Arbeit kommt, stehen 300 oder 500 Kilometer mehr auf der Uhr. Nach diesem Rezept ("In Urlaub fahre ich selten mit dem Motorrad") bringt es der fitte 73-Jährige mit der BMW K 75 in 13 Jahren auf astronomische 827173 Kilometer. Das entspricht 20 Erdumrundungen oder mehr als der Strecke zum Mond und wieder zurück. Kein Wunder, dass bereits der zweite Motor und Antriebsstrang ihren Dienst angetreten haben.
Im Jahr 2000 stellte Siggi seinen ganz persönlichen Rekord auf: 114900 Kilometer in zwölf Monaten. Macht durchschnittlich 314 Kilometer pro Tag, sommers wie winters. Sein Reifenhändler sieht ihn mitunter nach drei Wochen wieder. Das 50. Paar spendierte ihm Michelin, nach rund 500000 Kilometern. Lange her.
1992 ging der Maschinenbau-Ingenieur bei Opel in den Vorruhestand. Seit 1994 erkundet er mit dem Dreizylinder Spessart und Odenwald, Taunus und Rhön, Eifel und Schwarzwald. Da kam das Kilometerschrubben eher nebenbei.
"Ich habe das Motorrad ja als reine Freizeitbeschäftigung gekauft. Dann hat man einfach ein Ziel." Auch für Sehenswürdigkeiten und Spaziergänge nimmt er sich Zeit.
17000 Mark kostete die K 75, inklusive Windschild, Koffern und ABS. "Leider hat BMW nie einen Nachfolger gebracht, so was Leichtes und Kompaktes fehlt heute im Programm." Die Pluspunkte der K 75: Der kultivierte Motor, Kardan und hohe Zuverlässigkeit ("bis 400000 Kilometer war der Ölverbrauch ganz normal"). Das Öl wechselt der Kilometer-König nicht nach Laufleistung, sondern nach Farbe: "Solange es noch gelb ist, ist alles in Ordnung."
Sparsam sei die K 75 im Benzinverbrauch, auf Bundesstraßen nur fünf Liter je hundert Kilometer. Was bei bloß einem Euro je Liter dennoch 40000 Euro für Sprit bedeutet.
Gern und viel gefahren ist Siggi schon immer: 90000 Kilometer ab 1955 mit einer 125er-NSU Super Fox, 65000 Kilometer auf einer 200er-Vespa. Seine BMW R 100 RS hatte er nur von 1978 bis 1981: "Die vibrierte so stark, dass alle zwei Stunden eine Pause nötig war." Siegfried nutzt Zweiräder wie einen Pkw, für Besorgungen und Besuche in Stadien und an Rennstrecken. Seit Anfang Dezember ist Siggis Frau in Rente: "Sie fährt gerne mit, ohne Angst." Dann viel Spaß beim Touren zu zweit!
Das Motorrad: neu gekauft am 18. März 1994, nach stark angestiegenem Ölverbrauch bei km-Stand 540000 gebrauchten Originalmotor eingebaut (Baujahr 1986); Antriebsstrang nach Schaden am Getriebeausgangslager nach 625000 km komplett erneuert; insgesamt rund 80 Hinter- und 60 Vorderreifen verschlissen.
Yvonne Kreischgens, Honda XRV 750:
Yvonne Keischgens war bloß als "Freundin" ihres Lebensgefährten Bruno Just zum Vielfahrertreffen angekündigt. Doch Überraschung, die fröhliche Rheinländerin reiste mit eigenem Motorrad an, einer 750er-Africa-Twin (RD 07). Die hat, inklusive Vorbesitzer, "erst" 101105 Kilometer auf dem Tacho. Egal, die Vielfahrer zeigten sich gnädig, haben Yvonne kurzerhand in die "Krabbelgruppe" adoptiert. Während die Bankerin es gewohnt ist, bei die Arbeit "feine Klamotten" zu tragen, zeugen Beulen und Kratzer der Honda von diversen Geländetrainings. In ganz Europa geht die Patchwork-Familie, Yvonne, Bruno und seine Tochter Bianca (12 Jahre), gut gerüstet auf Camping-Tour. "Den Gepäckträger hat Bruno selber konstruiert und geschweißt", erklärt Yvonne. "Wenn die Africa Twin auf dem Hauptständer parkt, steht die Ablagefläche genau waagerecht, und wir können darauf kochen." Selbst Stühle und ein Tisch finden auf den zwei Hondas Platz.
Vater und Tochter sind an Bord mittels Gegensprechanlage, Yvonne und Bruno per Funk untereinander verbunden. "Ich könnte mir nie mehr vorstellen, mit dem Auto durch die Alpen zu fahren". (Yvonne).
Das Motorrad: im Februar 1999 gebraucht gekauft (EZ 6/94) mit 25000 km für 7200 Mark, bislang außer einer abgescherten Tachowelle und Getriebeausgangswelle keine Defekte; auf Tour ist immer eine Benzinpumpe im Gepäck, aber bis dato ist noch die erste im Einsatz.
Bruno Just, Honda VFR 750 F:
Die Fahrgestellnummer seiner RC 24 kennt Bruno auswendig. "Ich bin mit meiner VFR zusammengewachsen, was noch haltbarer ist als verheiratet sein." Ein weiteres Familienmitglied quasi. "Dabei war die VFR mein erstes Straßenmotorrad." Kaufgrund 1986 war die neue, zweijährige Garantie von Honda. Heute liebt er den V4-Motor, hat zusätzlich eine RC 30 und eine 1998er-VFR (RC 46). "Wie verwandelt" sei die RC 24 mit der jüngsten Reifenpaarung: Bridgestone BT 45 und BT 21. Bruno besitzt sechs weitere Motorräder, von KTM, Ducati, NSU und Wanderer. Mitunter fährt der selbständige Maschinenbau-Mechaniker-Meister aus der Eifel sogar auf Montage mit der RC 24 im In- und Ausland, die Werkzeugkiste hinten-drauf. Auf der Tourist Trophy 2007 lernte Bruno den Belgier André kennen, der 405000 Kilometer auf seiner 1100er-Pan-European drauf hat. Beide wolle zusammen eine Million feiern.
Das Motorrad: EZ 4/1986, aktuell tun Vorderbremsen, Auspuffanlage und Kupplung Nummer drei Dienst, ferner die zweite Gabel, der zweite Motor (gebraucht), die vierte Benzinpumpe und der 33. Vorder- und 41. Hinterreifen; zwei Risse der Antriebskette blieben ohne Folgeschäden.
Manfred Möller, Honda XRV 650:
Am Anfang war Skepsis. Nach 270000 Kilometern auf einer Yamaha XS 1100 und 210000 Kilometern mit einer FJ 1100 stieg Manfred im Sommer 1989 auf die "Affen-Twin", Typ RD 03, um. "Ohne an die von den Vierzylindern gewohnte Langlebigkeit zu glauben." 471000 Kilometer später hat ihn die 650er-Honda eines Besseren belehrt. "Seit dem Defekt der Benzinpumpe eine Woche nach dem Kauf blieb sie nie wieder außerplanmäßig stehen", schwärmt der Hesse, der Wartung und Defekte lückenlos schriftlich dokumentiert.
Manfreds Africa Twin macht ihrem Namen alle Ehre. Sie spulte rund 35000 Kilometer auf afrikanischen Pisten ab, etwa von Kenia nach Kapstadt, und mehrmals in West- und Süd-Afrika. So etwas schweißt zusammen. Ferner fuhr die Reiseenduro durch viele Länder Europas, hat sich bei einem Wildschaden ramponiert (Fahrer okay) und warf Manfred einmal nach wildem Slide bei Nacht auf Schotter ab (Fahrer nicht okay).
Den Service übernimmt der Werkzeugmacher komplett selbst. "Honda schreibt enge 6000er-Wartungsintervalle vor. Doch wenn mal viel fährt, merkt man schnell, dass sich die Ventile nach 15000 Kilometern noch nicht verstellt haben." Mittlerweile pendeln sich seine Service-Intervalle bei rund 20000 Kilometern ein. Beim Ölwechsel ist Manfred penibel: "Ich wechsle immer den Filter mit und benutze gutes Markenöl." Er hat sich gleich ein 60-Liter-Fass davon gekauft, "dann passt das mit dem Preis".
Die 471000 Kilometer verteilen sich auf zwei Motoren, und es gibt da noch eine zweite RD 03 als Teileträger. Mitte der 80er Jahre nützte Manfred seine Vielfahr-Leidenschaft sogar in einem Nebenjob: Für Honda fuhr er Vorserien-Modelle in der Dauererprobung. "20000 Kilometer in acht Tagen, zusammen mit Kollegen 3000 Kilometer am Tag im Dreischicht-Betrieb."
Seit 2004 hat Manfred zusätzlich eine KTM LC8 mit 75000 Kilometern, fährt die seit 1989 ununterbrochen zugelassene Honda vor allem im Winter: "Die KTM ist empfindlicher." Daher unternimmt er die Tour nach Chile und Peru, die er sich im Februar 2008 zu seinem 50. Geburtstag schenkt, auch mit der treuen Africa Twin.
Das Motorrad: EZ 8/1989 gekauft mit 5350 Kilometern; neue Benzinpumpe (km 6100); Ersatzmotor eingebaut (2500 Mark, km 183500); Zündboxen erneuert (km 258000); Stoßdämpfer, Radlager und Bremsscheiben gewechselt (km 260000); Auspuff, Kupplung und Lenkkopflager neu (km 318000); Tachotausch (km 448000, mit Bohrmaschine auf exakten Stand gebracht);Bremsscheiben, Lenkkopflager und Prolink-Lager neu (km 471000).
Jannik Lorenz, Honda CBR 125:
Seine CBR bekam der Gymnasiast am 29. Juni 2005 vom Vater als Geschenk zum 16. Geburtstag. Gut zwei Jahre später hat Jannik 36000 Kilometer damit abgespult. Und das mit maximal 80 Sachen. Alle Achtung. Nur gut, dass kurz vor dem Vielfahrer-Treffen die leidige Tempo-Drosselung raus durfte, Jannik ist nun 18 und die 125er ein echtes, kleines Motorrad, kein Leichtkraftrad mehr.
Die vielen Kilometer sammelt Jannik weniger auf den zwei Kilometern zur Schule als auf Tagestouren im Vogelsberg, rund ums Rennsport-Mekka Schotten. Momentan spart der Butzbacher auf seinen großen Traum, die CBR 600 RR.
Das Motorrad: im Juni 2005 neu gekauft; wegen Undichtigkeiten vier neue Kühler auf Garantie; Zylinderkopfdichtung erneuert nach 25000 km (150 Euro); 2008 kommen Bridgestone BT 45; Sprit zahlt der Schüler selbst.
Gunter Saron, Yamaha TR1:
Das ist eine von sechs "TReinsen", die Gunter besitzt, sie lief 84075 Kilometer. Ihre Schwester spulte dagegen glatt 300306 Kilometer ab. Seit 2003 steht sie abgemeldet im heimischen Wohnzimmer in Hechingen. Mit ungeöffnetem Rumpfmotor, der ersten Kupplung wie auch der ersten Endantriebskette. Tja, der geschlossene Kettenkasten der TR1 hat viel gebracht.
Ersatzteile gibt es kaum noch für den einst gefloppten, heute raren 1000er-V2-Tourer. "Ich habe die Läden leer gekauft", gesteht Gunter, "mich haben schon Händler um Teile angefleht." Ingesamt hat Gunter rund 750000 Kilometer Motorrad-Erfahrung, zusätzlich zu den TR1 noch ein Gespann ("für Transporte") und diverse Oldtimer "für die Runde ums Haus".
Das Motorrad: gekauft im März 1986 (25274 km;EZ 1981); an Teilen verbraucht: 22 Zündkerzen,elf Ölfilter, acht Bremsbeläge vorne, drei Schalldämpfer und Krümmer, zwei Tachowellen.
Volker Löcken, Yamaha XS 1100:
Auch Volker besitzt mehrere Motorräder. Mit der XS 1100 tourte er vom Nordkap bis Marokko, von Griechen- bis England, war allein elfmal damit bei der Tourist Trophy auf der Isle of Man. "Von der XS bin ich der erste und letzte Besitzer", sagt er. In deren Kilometerzähler integrierte er eine sechste Stelle. Ferner besitzt der Polizist noch ein Vmax-Gespann (150000 km) und sechs weitere Bikes, darunter eine seltene Yamaha TX 750.
Was Volker freut: die stark gesunkenen Versicherungstarife. "Für fünf Motorräder zahle ich heute weniger als 1978 für die XS alleine." 1979 rüstete er für 2000 Mark die ausladende Verkleidung nach. "Das war damals eine Menge Holz!" Liegen blieb die 1100er in den 29 Jahren nur einmal wegen eines technischen Defekts (Kolben).
Das Motorrad: neu gekauft 1978. "Die XS hat bis heute über 30 Vorder- und 60 Hinterreifen gefressen. Dazu zig Sätze Bremsbeläge, acht Kolben,zwei Auspuffanlagen, ein Getriebe, einen Tankwagen voll Öl und einen Ozeanriesen voll Sprit."
Jan Berghaus, BMW R 100 GS HPN:
Seit 1986 legte Jan eine halbe Million Motorrad-Kilometer zurück. »Die erste Möhre«, eine Yamaha DT 175, hielt nicht lange. Dann kam eine nagelneue Honda XL 600 R, die nach vier Jahren und 105000 Kilometern die Flügel streckte. Seit 1990 ist die schwarze "Sara", eine R 100 GS, bei ihm (Jans echte Freundin fährt XBR 500).
Eine zweite GS springt seit 1993 als Ersatzmaschine ein, wenn die andere unpässlich ist. »Das Motorrad wird ausschließlich von mir gewartet und repariert, sonst könnte ich mir die Vielfahrerei gar nicht leisten«, sagt der Selbst-Schrauber aus Kleve. Er spendierte seiner GS nach Motorschaden bei 256000 Kilometern einen neuen Boxer und nach einem Unfall ein HPN-Chassis für 10000 Mark: WP-Gabel, angepasste Schwinge aus der R 1100 GS, stärkerer Rahmen. "Jetzt sitzt der Zweiventilboxer in einem genialen Sport-/Gelände-Fahrwerk", freut sich der erfahrene Straßen- und Offroad-Fahrer.
Das Motorrad: 9/1990 für 12500 Mark gekauft (EZ 3/90, 1400 km); "kapitale Getriebeschäden" bei 70000 und 140000 km, nach 165000 kmrechtes Auslassventil abgerissen; Tauschmotornach 256000 km; je zwei neue Kardanwellen,Zündspulen und Lichtmaschinenrotoren.
Jürgen Hereth, Honda CBX 1000:
Eigentlich sind es nur vier Kilometer bis zu seiner Arbeit bei MAN. Doch im Sommer kommt Jürgen vor der Frühschicht locker auf 100 Kilometer mit seiner CBX. Für solche Frühtouren steht er schon um drei Uhr auf: "Was Geileres gibt es nicht, du bist allein, siehst die Sonne aufgehen und Nebelschwaden aufsteigen. Mein Baby liebe ich einfach abgöttisch." Das fränkische Urgestein spult auch mal eben so 6580 Kilometer im Dauerregen zu einem Treffen in Schweden ab. Bis heute stehen schon über 600000 Kilometer auf der Runduhr.
Ein Auto hat Jürgen keines, nur eine Enduro für schlechtes Wetter. Er macht alles an Wartung und Reparaturen selbst. Honda hat ihm eine Urkunde überreicht, für eine halbe Million Kilometer, aber kaum noch kaum Ersatzteile zur Hand. Rat, Tipps und Teile-Infos gibts hingegen auf den Treffen des CBX-Clubs.
Das Motorrad: 1986 für 6000 Mark "optisch heruntergeludert" (17800 km, EZ 1983) erstanden; erste Übermaßkolben bei 70000 km; bei 342000 km neue Lager, Primär- und Steuerketten; zweite Übermaßkolben bei 423000 km.
Erich Zimmermann, BMW R 1200 GS Adventure:
Erst Ende März 2007 kaufte Erich seine 1200er-Adventure, nach 493000 Kilometern auf einer R 1150 GS. Nun hat er in vier Monaten über 32000 Kilometer zurückgelegt, 8000 Kilometer monatlich! Etwa auf einer Reise durch zwölf Länder Osteuropas bis in die Ukraine. Nein, mehr Urlaub als andere habe Erich nicht. "GPS und Karte gepackt der Weg ist das Ziel" Er geht fast jedes Wochenende auf Tour. Und sagt: "Autos kotzen mich an."
Der Südbadener hat eine simple Erklärung, weshalb er es längst zum Kilometer-Millionär im Sattel diverser GS-Typen ab 1980 gebracht hat: "Weil ich mit meinen kurzen Beinen nicht anhalten will."
Dass die 1200er mit fünf Liter Sprit auf 100 Kilometern auskommt, freut Erich. So sind 700 Kilometer Reichweite drin. Erst über Tempo 140 fordere der cw-Wert "eines offenen Kühlschranks" Tribut. In flotten Kurven schliffen schon mal die Sturzbügel. Aber ABS, das will er nicht, "so lange ich noch einen Arsch in der Hose habe".
Das Motorrad: EZ am 27. 3. 2007; ausgerüstet mit um 4 cm abgepolsterter Sitzbank, anderer Verkleidungsscheibe und zweitem Radsatz zum Wechsel von Metzeler Tourance auf ContinentalTKC 80; Tankvolumen 35 Liter.
Christina Gluche, BMW R 1100 GS:
"Ich bin Erichs Schatten", sagt Christina, "sonst bekäme ich ihn ja nie zu sehen." Stolz ist sie, die vielen Kilometer ihrer 1100er nur an Wochenenden und in Urlauben gefahren zu sein. "Ich habe kein Auto, gehe zur Fuß zur Arbeit", betont die gebürtige Hamburgerin. Auf Reisen hat sie stets eine Ersatz-Tachowelle dabei. "Wäre doch schade, wenn die Kilometer nicht mitzählen." Die Wartung ihrer GS erledigen beide selbst. Sie zelten auf Tour "in der Botanik", fernab von Campingplätzen. GS hieße ja "Gehört Schmutzig".
Das Motorrad: EZ 9/1998; Kupplung neu bei km 168000; Verkleidung, Lenkererhöhung und 41-Liter-Spritfass von Touratech; einteilige Sitzbank; Getriebegehäuse verstärkt.
Bernd Deichfuss, Suzuki GSX 1100 G:
"Das war wohl das schwärzeste Wochenende meiner Zweiradlaufbahn." Ihre Fahrt zum Vielfahrertreffen werden Bernd und Astrid Deichfuß nicht so schnell vergessen. Auf der Hinfahrt verabschiedete sich der Kardan der Suzuki GSX 1100 G der zweite Defekt dieser Art. "Kein schönes Geräusch ist das, bei 170 km/h auf der linken Spur".
Dabei hatte er die G vor 16 Jahren genau wegen des Kardans gekauft, "nachdem von 1979 bis 1991 eine GS 850 G 235000 Kilometer unter mir hatte erleiden müssen". Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Zwei Kilometer auf der Autobahn die defekte 1100er geschoben, dann Rücktransport, am Abend einen Kardan aus dem Gebrauchtteile-Fundus montiert und morgens wieder los. Bis auf der Rückfahrt 80 Kilometer vor Zuhause ein Pleuel abriss.
Aus Zeitmangel wartet die Suzi bislang noch waidwund neben einer ebenfalls zerlegten Yamaha XS 650. Egal, der semiprofessionelle Sänger der "Rockn Roll Doctors" aus Bensheim ("Suzuki Deutschland liegt bei uns vor der Tür") will der G treu bleiben. Toll sei Suzukis Baukastensystem: "Da passt die Kurbelwelle der Bandit und der 17-Zoll-Radsatz einer GSX-R." 2008 soll die Upside-down-Gabel eines Schwestermodells die "nicht mehr ganz originale" GSX aufwerten, die schon bis Südspanien und die Türkei fuhr.
Und der abweichende Tachostand? "Nach einem Wegrutscher habe ich mal Armaturen und Instrumente getauscht." Na denn, zukünftig gute Fahrt!
Das Motorrad: neu gekauft im Frühjahr 1991, bislangzweimal Endantrieb (Kardan) nach herausgedrücktem Simmerring defekt; ein Pleuelriss nach gut 248000 km; die GSX trägt die modifizierte Verkleidung einer GSX-R, Kofferträger von Krauser und eine Vier-in-eins-Auspuffanlage.
11 Tipps für eine lange Lebensdauer:
Zwar sind heutige Fertigungstoleranzen viel enger als früher, die verwendeten Materialien hochwertiger und die Fertigungsmaschinen in der Produktion präziser. Trotzdem: Bei neuen Motoren unbedingt die Einfahrvorschriften des Herstellers beachten. Last und Drehzahl kontinuierlich steigern, bis der Motor voll eingefahren ist. Gilt in besonderem Maß für großvolumige, luftgekühlte Motoren à la BMW-Boxer und Guzzi- oder Harley-V2.
Das A und O der Motor-Haltbarkeit ist die richtige Betriebstemperatur. Das gilt insbesondere für luftgekühlte Motoren. Sie brauchen länger, um auf "Temperatur zu kommen" und werden etwa im Bereich des Zylinderkopfs wesentlich heißer als wassergekühlte Motoren. Bei älteren Motoren empfiehlt es sich, ein Ölthermometer zu montieren.
Nichts mindert die Dauerhaltbarkeit mehr als höchste Drehzahlen unmittelbar nach Kaltstarts! Dann ist das Öl noch zähflüssig, sind die Betriebstoleranzen der Bauteile aus verschiedenen Metall-Legierungen gefertigt noch nicht aufeinander eingespielt. Also: Bei kaltem Motor sachte beschleunigen, höchstens halbe Maximaldrehzahl und geringe Last abrufen.
Den Motor auch nicht untertourig fahren. Am wohlsten fühlt er sich bei dynamischer Landstraßenfahrt, bei der sich Drehzahl und Last ständig ändern. Bei warmem Motor auch mal das letzte Drehzahldrittel entern, dafür wurde der Antrieb schließlich konstruiert.
Öl rechtzeitig wechseln. Motoröl altert auch durch Oxidation an der Luft; ein Wechsel vor der Winterpause schwemmt gebundene Säuren aus dem Motorgehäuse. Mit dem frischen "Winteröl" kann man dann, je nach Fahrleistung, noch einen guten Teil der Folgesaison abspulen. Ölfilter immer gleich mit wechseln.
Gutes Motorrad-Öl verwenden. Es muss nicht das teuerste oder im Handbuch empfohlene sein. Es muss aber unbedingt auf die hohen Scherkräfte beim Schmieren von Getriebe und Kupplung abgestimmt sein. Beides brauchen Auto-Öle wegen separater Getriebe-Öle und Trockenkupplungen nicht zu leisten; zudem lassen sie Nasskupplungen oftmals rutschen.
Bei Vergasern: Einstellung regelmäßig kontrollieren und einstellen (lassen). Zu mageres Gemisch erhöht die Temperatur im Zylinder stark, zu fettes kann im schlimmsten Fall zu einer Verdünnung des Motoröls mit Benzin führen, das an den (noch kalten) Zylinderwandungen kondensiert. Rückschlüsse aufs Gemisch lassen die Kerzenbilder zu. Und verharzenden Sprit in den Schwimmerkammern durch Ablassen derselbigen vor der Winterpause vermeiden.
Drohende Defekte unverzüglich angehen, um Folgeschäden zu vermeiden: Ungewohnte Geräusche von der Fachwerkstatt kontrollieren lassen, zerschlissene Züge, abgefahrene Bremsbeläge sofort tauschen. Aber funktionierende Teile auch nicht ohne Not tauschen. Nur echte Schwachpunkte ausmerzen. Und Züge wie Gelenke regelmäßig schmieren.
"Eine persönliche Beziehung" zu seinem Motorrad aufbauen. Es ist wie in einer wahren Partnerschaft: Wenn man sich gut kennt, erkennt man kleine Wehwehchen noch rechtzeitig, weiß schon kleine Mucken richtig zu deuten.
Regelmäßiges, schonendes Putzen schärft den Blick auch für verborgene Ecken, etwa Rostnester am Rahmen, abvibrierte Schrauben, gebrochene Schweißnähte. So wie früher: Mit Eimer, Schwamm und anschließend mit Chrom- und Lackpolitur pflegen und polieren. Macht sogar Spaß.
Sich selber nicht zu viel zutrauen, nichts verschlimmbessern. Zweirad-Mechaniker ist nicht ohne Grund ein anspruchsvoller Lehrberuf.