Er ist aus der Mode gekommen, der gute Vorsatz fürs neue Jahr. Spießig soll das sein, beamtenhaft und sowieso vergeblich. Dabei genügt ein bisschen guter Wille, und alle haben ein schöneres und erfüllteres Leben.
Er ist aus der Mode gekommen, der gute Vorsatz fürs neue Jahr. Spießig soll das sein, beamtenhaft und sowieso vergeblich. Dabei genügt ein bisschen guter Wille, und alle haben ein schöneres und erfüllteres Leben.
Liebe Leserinnen, liebe Leser, wieder einmal steht ein neues Jahr
vor der Tür. Wir wollen es nicht abweisen, wir wollen es herzlich begrüßen, jeden Tag als einen neuen Freund willkommen heißen. Einen Freund, den man niemals vergisst, einen Freund, der uns so viel
geben kann, uns und unseren Mitmenschen. Wollen wir es dem Zufall überlassen, was mit unserem Freund, dem Tag, passiert, oder bereiten wir uns auf ihn
vor wie auf ein Fest, das in Eintracht und Harmonie unsere Seele berauschen wird?
Wir wollen es nicht dem Zufall überlassen, und Sie, liebe Leserinnen und
Leser doch sicher auch nicht. Denn
was wäre dann mit Ihrer Seele? Lassen Sie sie nicht baumeln, verkümmern, verrohen. Gehen Sie mit uns das Wagnis ein, stellen Sie sich mit uns dem spannenden Abenteuer: Werden Sie mit uns ein besserer Mensch und ein besserer Motorradfahrer. Denn sind nicht auch
Motorradfahrer Menschen, in deren Adern Blut pulsiert, nicht nur Benzin?
Haben Sie keine Angst vor Ihren
Stärken! Sagen Sie ja zu einem anderen Weg! Wandeln Sie auf neuen Pfaden,
die Sie herausführen werden aus dem Gefängnis, in das all die Konventionen und Vorurteile Sie gesperrt haben. Ergreifen Sie den Schlüssel, der auch die
Herzen anderer aufschließt: Motorradfahrer wollen nicht rücksichtslos sein,
Motorradfahrer wollen nicht einsam sein, wollen nicht dumm bleiben, sie wollen nicht verschwenderisch sein, sie wollen dem Gemeinwesen dienen, sie wollen nicht wankelmütig sein, Motorradfahrer wollen nicht in den Tag hinein leben,
nicht so pessimistisch sein, wollen ihren
Horizont erweitern, und Motorradfahrer wollen der Liebe eine Chance geben.
Wir spüren, wir können es schaffen. Wir
spüren, Sie können es schaffen.
Wissen Sie eigentlich, wie viele unglückliche und traurige Menschen es gibt auf der Welt? Menschen, die nur darauf warten, darauf hoffen, dass eine barmherzige Seele sich ihrer erbarmt, die sie herauszieht aus dem Sumpf ihrer bodenlosen Tristesse, die anhält, um sie über den Zebrastreifen gehen zu lassen. Dabei haben gerade Sie als Motorradfahrer es doch so einfach, diesen unglückseligen Kreaturen eine Freude zu bereiten. Halten Sie nicht einfach an. Beglücken Sie die Großmutter, die sich auf dem Weg zum Friedhof befindet, um die Stiefmütterchen auf dem Grab ihres Antons zu begießen, mit einem Stoppie der Extraklasse. Und wenn dann ein seliges Lächeln das runzlige Gesicht der alten Dame in das Antlitz eines Engels verwandelt, dann geben Sie sich und Ihrem Motorrad einfach noch einen Ruck und rauschen mit einem Wheelie davon. So tun Sie Gutes, dem Großmütterchen und sich selbst. Denn sie hat ihrem Anton was zu erzählen, und Sie üben sich in der Kunst der Motorradbeherrschung. Tun Sies an jeder Ampel, tun Sies jeden Tag, tun Sies, wo immer Menschen Ihnen begegnen im Verkehr.
Geben wir den Dingen überhaupt die Chance, uns ihren wahren Wert zu zeigen? Oder sehen wir nur den Warenwert? Ist ein Reifen nicht rund, und wollen wir die Schönheit und Perfektion seiner Form nicht uneingeschränkt zur Entfaltung kommen lassen? Außerdem: Übersehen wir nicht zu oft, dass hinter einem Produkt ein Mensch steht? Der Reifenbäcker, in Ruß und Gummidunst, auch die Flanken der Pneus mit Liebe bedenkend. Doch wer dankt es ihm? Wahrlich, der Chopperfahrer ist es nicht. Aber wie soll er ohne die Freiheit zur Schräglage, mit der wahre Sparsamkeit beginnt. Was für einer Verschwendung kommt es gleich, Reifen nur mittig abzufahren. Verlassen wir die seelenlose Wegwerfgesellschaft, legen wir uns in die Kurve.
Was bringt mehr Wärme in unser Leben als die Nähe zu anderen Menschen? Zu fühlen, hier werde ich angenommen, werde ich gebraucht. Um auch anderen dieses Gefühl zu geben. Sich als Teil des Ganzen zu erleben, aufzugehen im Miteinander Gleichgesinnter. Was also könnte mehr Wärme in unser Motorradfahrerleben bringen als ein Bikertreff. Gab es nicht einen, der sagte: »Wo mehr als drei von ihnen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.« Es war zwar nicht Willie G., aber lasst uns dennoch zu Bikertreffs fahren, unseren Beitrag zu einer liebevollen Gemeinschaft leisten.
Lesen was soll das? Rebellieren, die spießbürgerliche Kultur ignorieren das machte uns Motorradfahrer einst aus. Die Zeiten haben sich geändert. Kleinstädte aufmischen, Oma die Handtasche entreißen, das kriegen andere heute besser hin. Wie aber können wir Motorradfahrer nunmehr gegen eine immer reglementiertere Gesellschaft opponieren? Durch Lesen längerer Texte eben, länger sogar als die Bedienungsanleitung einer Gold Wing. Texte, die uns bilden. Ja, es ist an der Zeit, dieses einst in unseren Kreisen verpönte Wort »Bildung« mit neuem Inhalt zu füllen. Schließlich kommen Ducati aus Bologna, nicht aus Pisa.
Ein Tabakkonzern engagierte sich kürzlich sozial. Er rechnete einer europäischen Regierung, die plante, die Tabaksteuer zu erhöhen, vor, wie das zu Lasten des Gemeinwesens ginge. All diese Menschen, die länger leben, wenn sie sich das Rauchen abgewöhnen. Was das kostet! Führte den Staat in den Ruin. Und mit dem Alkokol sieht es nicht anders aus. Erste Bürgerpflicht und fester Vorsatz muss also sein, sich am 2. Januar einen Jethelm zu kaufen. Anders als der Integralhelm, der uns Konsumverweigerung aufzwingt, erlaubt der Jet das sozial wertvolle, hemmungslose Rauchen und Trinken sogar während der Fahrt. Und wenn man dabei letal vom Motorrad fällt, freut sich der Herr Finanzminister. Schon wieder was gespart.
Menschen gibts, die geben das Rauchen auf, jeden Tag vor dem Schlafengehen. Die sind konsequent, beenden, was sie angefangen haben. Das Rauchen nämlich. Unser Kollege Gert Thöle hat nie geraucht. Und vielleicht hat er deshalb nicht zu Ende geführt, was er einst angefangen, ja, man kann sagen, erfunden hat: Freestyle Motocross (siehe Fotos unten). Zugegeben, Thöles Innovation krankte anno 1993 noch daran, dass er nach sauberem Abgang den Zugang zu seinem Motorrad nicht mehr finden konnte. Andere haben das später geschafft, seine Nachahmer verdienen sich jetzt dumm und duslig mit ihren doppelten Crossbergern und den links eingesprungenen Einzylinder-Pirouetten. Und was macht Thöle? Schafft immer noch als Testbetriebschef für MOTORRAD, statt in der Dortmunder Westfalenhalle von der Rampe zu jumpen und die Fans zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Thöle weiß mittlerweile, was er falsch gemacht hat, er hat sein Leben geändert, sich vorgenommen, endlich zu beenden, was er begonnen hat und eine Rampe in sein Zucchinifeld nahe Cloppenburg gestellt. Wir täten gut daran, uns am vorsätzlichen, konsequenten Thöle ein Beispiel zu nehmen.
Sollten wir uns gleichwohl entschließen, nicht letal vom Motorrad fallen zu wollen (siehe »Bürgerpflichten wahrnehmen«), muss unser Vorsatz lauten: keinen ungeschützten Verkehr mehr. In der Zubehörindustrie sorgen sich die Menschen sehr um unser körperliches Wohlergehen als Motorradfahrer. Sie produzieren für jeden erdenklichen Verkehrsteilnehmer und für jede erdenkliche Verkehrssituation jedes erdenkliche Utensil mit dem einen edlen Ansinnen, unsere Sicherheit und unseren Spaß zu maximieren. Wir sollten die Anstrengungen dieser Leute nicht ungewürdigt lassen. Neues Design, neue Funktionsmaterialien, neue Passformen sollten uns dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass genietetes Leder dem Motorradfahrer noch immer den besten Schutz bietet. Und den wollen wir über persönliche Eitelkeiten und schnelllebige Moden stellen und annehmen. Denn als Motorradfahrer wissen wir doch nur zu gut, welche Überraschungen der Verkehr uns zu bieten hat.
Die Welt ist schön. Bunte Blumen, possierliche Tierchen, liebe Menschen, liebreizende Landschaften. Doch führen uns durch Wiesen, Wälder, Auen nicht immer schlechtere Straßen? Vergällen sie uns nicht die kindlich reine Freude, die uns beim schwerelosen Dahingleiten und in jeder Kurve aufs Neue durchströmt? Nein, die Straße kann ja nichts dafür. Wir wollen ihr nicht böse sein, wir wollen uns auf sie einlassen, sie annehmen, wie sie ist. Freuen wir uns über die Herausforderung, die jedem Schlagloch, jedem Bitumenstreifen, jedem Kanaldeckel innewohnt. Erfreuen wir uns an einem der letzten Abenteuer, die uns die Welt noch zu bieten hat.
Heimat, Erdverbundenheit, Hausstrecke, das sind Zauberworte, die dem Mensch Motorradfahrer Geborgenheit schenken. Eine Geborgenheit, die uns gut tut, aber uns allzu oft dazu verleitet, das Fremde zu fürchten, neue Welten unentdeckt zu lassen. Und damit einen Teil in uns unentdeckt zu lassen. Dabei steht gerade uns Motor-radfahrern die Welt offen. Das alte Sprichwort, dass alle Straßen nach Rom oder nach Hause führen, ist falsch. Es gibt Reiseveranstalter, die bieten andere Ziele an. Exotische Destinationen und so aufregend, dass der Motorradfahrer dort sogar eine besondere Schutzklei-dung tragen muss. Aber die ist im Reisepreis inbegriffen, inklusive Jethelm (siehe »Bürgerpflichten wahrnehmen«).
Geteiltes Leid, das tröstet uns immer wieder, ist bekanntermaßen halbes Leid. Doch für die Freude gilt das nicht. Geteilte Freude ist doppelte Freude. Teilen wir deshalb unsere Freude mit einem Partner oder einer Partnerin, die uns versteht, die flexibel ist, unser Auge erfreut, unseren Neigungen entspricht, mit einem Wort, offen für uns ist. Versuchen wir also, unsere Partnerin auch für unsere Freude am Motorrad zu gewinnen. Zeigen wir ihr, dass wir es ernst meinen, lassen wir sie nicht nur hinten, sondern auch vorne mal aufsteigen. Lassen wir sie dieses Gefühl zwischen den Beinen spüren, damit sie versteht, warum wir so oft nicht zu Hause sind. Raum für eigene Vorsätze: 1.2.3.