Während europäische Motorrad-Messen geprägt sind von Maschinen, die demnächst erscheinen, gestatten die japanischen Hersteller bei der Motor Show in Tokio Einblicke in die fernere Zukunft.
Während europäische Motorrad-Messen geprägt sind von Maschinen, die demnächst erscheinen, gestatten die japanischen Hersteller bei der Motor Show in Tokio Einblicke in die fernere Zukunft.
Sie kam vor 21 Jahren und hatte einen Auftritt mit Pauken, Trompeten und
Beschleunigungsrekorden. Weil sie zunächst nur in den USA angeboten
wurde, gab es für die ihr spontan verfallenen Fans nur eines: sie von dort zu
importieren. Und auch die Redaktion MOTORRAD holte sich ein Exemplar. Trotz der anfänglichen Zurückhaltung des deutschen Importeurs, trotz einer selbstbeschränkt-verwässerten deutschen 100-PS-Variante und obwohl sie nie ein Massenmotorrad wurde, erlangte sie den Status einer Legende die Yamaha Vmax.
Ganz vergessen wird man sie sicherlich nie, doch in den letzten Jahren begann
ihr Bild gleichsam von den Rändern her zu verblassen. Gerade rechtzeitig, bevor das Ausbleichen der Erinnerung auf das Motorrad selbst übergreift, hat Yamaha die Studie
einer neuen Vmax präsentiert. Und dabei handelt es sich um mehr als einen ersten Entwurf; nach Ansicht vieler Beobachter brachten die Yamaha-Entwickler eher einen bereits fahr-
fertigen Prototyp auf die Tokyo Motor Show.
Zwar sind Details wie das Sitzbankpolster oder die Bestückung des Scheinwerfergehäuses noch nicht festgelegt, aber insgesamt soll die Studie laut Auskunft der Yamaha-Offiziellen die endgültige Form des Motorrads zeigen, die Markteinführung sei für das Jahr 2008 geplant. Das war es dann auch schon an
Informationen, kein Wort verlautete über die Technik.
Was zu sehen und vernünftigerweise zu vermuten ist, bleibt die einzige Informationsquelle. So dient als Orientierung für den Hubraum und die Leistung des dunkelbraun glänzenden V4-
Motors die Triumph Rocket III mit ihrem 2,3-Liter-Dreizylinder. Er leistet 140 PS und drückt mächtige 200 Nm an maximalem Drehmoment. Es ist anzunehmen, dass Yamaha diese Werte übertrumpfen will. Andererseits musste bereits Triumph im Lauf der Rocket III-Entwicklung immer mehr Leistung und Drehmoment zurücknehmen, weil der Brocken zu rasch und oft
bei durchdrehendem Hinterrad Wheelies produzierte. Yamaha wird also bei der Vmax wohl nicht ohne irgendeine Art von Schlupfregelung oder Leistungsreduzierung in den unteren Gängen auskommen. Hoffentlich finden die Ingenieure im Dschungel der Kennfelder den richtigen Weg zwischen zu viel
und zu wenig, und es bleibt eine Reminiszenz erhalten an den
spontanen Antritt der Ur-Vmax mit ihrem legendären V-Booster. Er verband ab einer bestimmten Drehzahl die Vergaser der nebenein-
ander liegenden Zylinder, so dass die jeweils ansaugende Einheit mit einer Extraportion Gemisch versorgt wurde.
Anders als bei der ersten Vmax mit Rohrrahmen bildet bei
der Nachfolgerin ein gegossenes Leichtmetallchassis das Rückgrat, interessanterweise weist es wie die Tauchrohre der konven-
tionellen Gabel eine hautähnlich strukturierte Oberfläche auf.
Ansonsten bleibt vieles erhalten, was unverbrüchlich zu den Besonderheiten der Vmax zählte. Der Tank unter der Sitzbank zum Beispiel, während sich vorne unter der tankähnlichen Abdeckung die Airbox verbirgt. Oder der Kardanantrieb, der allerdings neu und imposant gestaltet wurde. In Sachen Bremsen dagegen, nicht gerade ein Ruhmesblatt der alten Vmax, darf die Neue mit radial montierten Sechskolbenzangen protzen.
Gestaltet sich bei der Vmax die Zukunft nach Motiven aus der Vergangenheit, so geschieht bei den Studien Yamaha Gen-Ryu, Yamaha Maxam 3000 (siehe auch MOTORRAD 23/2005), Honda E4-01 (22/2005) und jüngst bei der Honda DN-01 wahrhaft Neues. Es geht um die Verschmelzung von Roller- und Motorradtechnik. Mal stärker zur Roller-, mal mehr zur Motorradseite hin entwickelt, wie bei der DN-01. Sie trägt 17-Zoll-Räder, nimmt das Fahrwerkskonzept sowie Motor und Endantrieb aus dem Motorradbereich, genauer gesagt aus der jüngst vorgestellten Deauville. Ergänzt durch Sitz- und Bedienungskomfort, wie er bislang hauptsächlich Luxusroller auszeichnet. Die niedrige, ungemein bequem aussehende Fahrersitzbank ist mit einstellbarer Rückenlehne ausgestattet, auch der Beifahrer findet einen geräumigen Platz vor. Angesichts der geringen Sitzhöhe konnte die Verkleidung mit dem breiten Scheinwerferband niedrig bleiben und verspricht dennoch ordentlichen Windschutz.
Am meisten technische Innovation steckt zwischen dem 680er-V2 und dem Kardanantrieb: ein neues, hydraulisch-mechanisches Automatikgetriebe, von Honda HFT (Human Fitting Transmission) genannt. Es kann in zwei vollautomatischen Betriebsarten oder als »Sechsganggetriebe« mit fixierten Übersetzungen, per Knopfdruck vom Lenker aus bedient, gefahren werden und soll trotz stufenloser Übersetzung und eines Drehmomentwandlers die Motorleistung direkt und spontan übertragen. Anders als herkömmliche Automatikgetriebe, die bei Vollgas zunächst viel Drehzahl in wenig Vortrieb umsetzen.
Ein Sensorkranz im Vorderrad der DN-01 weist auf ABS, zwei getrennte Anschlüsse an der rechten Bremszange auf ein CBS hin. Während der eine Bremskreis konventionell über den rechten Handhebel betätigt wird, ersetzt ein zweiter Hebel am linken Lenkerende das übliche Pedal für den zweiten Kreis. Sehr interessant wirkt auch die gleichsam vollverkleidete Auspuffanlage, deren
Linien bis hin zum Kühllufteinlass ins Gesamtbild integriert sind. Der Cruiser-Roller-Tourer ist bereits fertig entwickelt, er wird nach Aussage eines Honda-Sprechers in naher Zukunft in Serie pro-
duziert werden. Für welche Länder, war nicht zu erfahren.
Etwas länger noch braucht die Suzuki Stratosphere. Doch was bei der ersten Vorstellung dieser packenden Studie nur vermutet werden konnte, ist mittlerweile Gewissheit: Der Sechszylinder läuft, und das Motorrad fährt. Zu Beginn der Tokyo Motor Show schaltete Suzuki eine Internetseite frei (http://tokyo2005.suzuki.
co.jp/motor/EN/cm/index.hmtl), die nicht nur eine Sound-Datei mit dem Klang des Reihensechszylinders enthält, sondern auch ein kurzes Video der fahrenden Maschine. 2007, so das jüngste
Gerücht, soll die Stratosphere produziert werden. Sicherlich mit elektrohydraulisch geschaltetem Getriebe und wahlweise auto-matischer oder manueller Kupplungsbetätigung und ABS. Ob
jedoch Gimmicks wie die elektrische Einstellung der kleinen Windschutzscheibe oder gar die zwischen den Scheinwerfern eingebaute Videokamera erhalten bleiben, darf bezweifelt werden. Obgleich ihr Zweck ein durchaus ehrenwerter ist: Sie soll den Spaß an der eben beendeten und gefilmten Fahrt verlängern.