Mythos Triumph

Mythos Triumph Der Twin des Lebens

Eine Firmengeschichte wie ein Roman und Bikes wie aus dem Film: Triumph, die älteste existierende Motorradfabrik der Welt, feiert den Hundertsten. MOTORRAD bläst auf Speed Twin und Bonnie zum Geburtstagsständchen.

Deutsche bauen Boxer, Japaner Fours, Italiener und Amis Vau-Zweier und Engländer Parallel-Twins. Verallgemeinerungen machen alles grob und vieles falsch, aber sie speisen sich eben doch aus Wahrheiten. Natürlich weiß alle Welt, dass Britanniens Motorradindustrie in glorreichen Jahren Zylinder konfigurierte, wie es ihr gerade in den Sinn kam. Aber wer die Welt nach Englands bedeutendstem Bike fragt, wird meist diese Antwort kriegen: Speed Twin.

Zwei stehende Zylinder, fein verrippt, angeblocktes und kompaktes Getriebe, charakteristische Deckel für Motor- und Primärtrieb-Gehäuse. Vor allem: toller Sound, satte Leistung, klare Konstruktion. Erst der Vergleich mit Zeitgenossinnen macht klar, wie sensationell die Speed Twin von 1937 ist. Die neue 500er-Triumph wiegt kaum mehr als die gängigen Einzylinder, und sie kostet auch – das macht sie zu einem der schöneren Träume – kaum mehr.

Triumph tragen schon 1937 den Beinamen trusty, verlässlich. Womöglich ist er im Ersten Weltkrieg entstanden, als sich vor allem das Modell H mit seitengesteuertem 550er-Einzylinder beliebt machte. Rund 30000 Motorräder hatte Siegfried Bettmann an die Royal Army geliefert. Längst war der gebürtige Nürnberger und gelernte Kaufmann germanischer Umtriebe unverdächtig, sogar Bürgermeister wurde er in seiner neuen Heimat Coventry. Mitten im Zentrum der mittelenglischen Industriestadt stand seine ständig wachsende Fabrik für Triumph Fahr- und Motorräder. Und er brachte die Firma ganz nach vorn: Jährlich 30000 Bikes plus etliche Autos verließen Ende der Zwanziger seine Hallen.

Doch leider enteilte Bettmann, gebeutelt durch die Weltwirtschaftskrise, der Motorrad-Bühne ziemlich schnöde: Weil er und seine Geschäftsführer mehr an Cars glaubten, verkauften sie 1936 die Bikes an den Ariel-Boss Jack Sangster. Woraus wiederum die Geburt des Speed Twin resultierte, und das zeigt, wie nah das Leben der soap opera stehen kann: Val Page kam von Ariel zu Triumph und entwickelte dort wunderbare Einzylinder sowie einen ebenfalls sehr beachtlichen 650er-Twin. Edward Turner, nach der Übernahme von Sangster zum Chefentwickler gemacht, hatte bei Ariel unter Val Page gearbeitet. Irgendwie müssen die beiden noch eine Rechnung offen gehabt haben, denn als erstes renovierte Turner die Page-Einzylinder, und dann stoppte er den herrlichen Twin.

Viel zu schwer, viel zu kompliziert. Turner hat seine Lektion gelernt, als er die skurrile Ariel Square Four entwickelt, denn alles, was er danach kreiert, berücksichtigt auch Produktion und Produktionskosten. Selbst Marketing ist dem Mitdreißiger nicht fremd, sicher dadurch befördert, dass er einige Prozent vom Gewinn einsteckt. Auf jeden Fall kommen seine Modellbezeichnungen gut – Tiger heißen die Einzylinder, 70, 80 oder 90 steht für die zu erwartende Höchstgeschwindigkeit in Meilen.

Auch die Speed Twin kommt nicht über die 90 hinaus. Absicht? Auf jeden Fall hat Turner im nächsten Jahr etwas zum Drauflegen. Die Tiger 100 nämlich, mit 33 statt 27 PS und bei etwas Glück tauglich zum 100-Meilen-Renner. Macht mit 1,61 multipliziert gute 160 Sachen. Der Krieg schickt Tiger nebst Speed Twin in die Verbannung, gefragt sind trusty Triumph, und in dieser Hinsicht genießen schnöde Seitenventiler immer noch größeres Vertrauen.

Aber der Krieg unterbricht nicht nur die Karriere der genialen Speed Twin, er zerstört auch das Lebenswerk eines strebsamen deutschen Kaufmanns: Am 14. November 1940 legen deutsche Bomben unter anderem die Triumph Motorradwerke in Schutt und Asche. Als das Leben wieder beginnt, da rollen die Triumph schon imVorort Meriden von den Bändern. Die Speed Twin ist dabei, natürlich, auch die Tiger. Gemanagt wird das Ganze wieder von Edward Turner, der nach heftigem Streit und kurzem BSA-Gastspiel doch lieber auf seinen lukrativen Posten zurückgekehrt ist.

63 Millimeter Bohrung und deren 80 Hub, gut 160 Kilogramm, keine Hinterradfederung, aber vorn jetzt mit Telegabel: Die Speed Twin startet durch, kaum zu bremsen im wörtlichen wie übertragenen Sinn. Für den darbenden Heimatmarkt hat Turner eigentlich nur eine 350er im Angebot, die schnellen 500er schielen beide ganz unverhohlen auf betuchtere US-Boys. Und die sind machtlos gegenüber diesen so radikal sportlichen Bikes.

Die wilden Fünfziger können beginnen. Aufbruch. Freiheit. Tempo. Ein, zwei sanfte Kicks, schon brabbelt der Twin los. Sein Schalthebel sitzt rechts, den Fuß nach unten gedrückt, ächzend rastet der erste Gang ein. Kupplung kommen lassen, etwas Gas, klar, alle kennen die Übung, aber dass sie mit einem über 50 Jahre alten Motorrad so selbstverständlich gelingt... Hoch in den Zweiten, ein Genuss, wie weich der Motor ans Gas geht, schon bald macht er allerdings klar, dass er mehr Drehzahl verträgt und auch braucht als englische Singles. Zwar Langhuber wie diese, doch mit viel weniger Schwungmasse versehen, wacht er bei höheren Touren erst richtig auf.

Handlich wie eine 250er, dieses Lob ernten viele großvolumige Brit-Bikes. Tatsächlich kommt keines an die Speed Twin heran, denn die dreht fast auf dem Teller, und das schreit geradezu nach – offroad. In England Tradition, in USA schwer in Mode. Turners ebenso zivilisierter wie leistungsfreudiger Halbliter tritt an, den Singles eine lange Nase zu drehen: 1949 erscheint die Trophy, und sie legt den Grundstein für die wildeste Form, Triumph-Twin zu fahren. Was für eine Show, wenn so ein Ding in enge Kehren röchelt, wenn es beim Herausdriften ohne Zögern ans Gas geht und losbellt. We raced them, we scrambled them, we did everything with them: Ein zierlicher Twin hat den Terrier als besten Freund des Mannes abgelöst.

Aber wie’s so läuft: Weil größer nach Meinung vor allem amerikanischer Männer besser ist, verlangen die rührigen US-Importeure mehr Hubraum. Außerdem wittern sie Gefahr, denn die Konkurrenz bastelt ebenfalls an Twins. Edward Turner – in steter Sorge um seine und der Firma Profite – bohrt von 63 auf 71 Millimeter auf und erhöht den Hub um zwei auf 82 Millimeter: Speed Twin bekommt 1949 eine große Schwester.

Die Thunderbird belegt zweierlei: Erstens, dass es eine Zeit gab, in der Triumph das Ohr näher am Markt hatte als alle anderen. Zweitens, dass Triumph so früh wie keine andere Firma die Bedeutung des US-Exports erkannte. In guten Jahren gehen mehr als zwei Drittel aller großen Bikes über den Teich. Anfangs ist derart reger Export Voraussetzung für die Zuteilung rationierter Materialien, doch auch nach Ende der Zwangswirtschaft sieht Turner überhaupt nicht ein, wieder mehr auf Europa zu schauen. Triumph wird Teil einer wunderbaren Freizeitindustrie. Das weiß der Chef, dafür muss er sich nicht mal Marlon Brando als »The wild one« auf seiner T-Bird angucken.

In leisem Widerspruch zu dieser Erkenntnis befindet sich Turners Abneigung gegen bestimmte und besonders die teuren Formen des Motorsports. Während Norton ein kleines Heer von Werksfahrern beschäftigt und die Renn-Manx sogar in Serie baut, unterstützt Turner allenfalls mal das Six-Days-Team. Über Salzseen donnern und Rekorde brechen überlässt er seinen Amerikanern. Um sofort Gewehr bei Fuß zu stehen, wenn die ihre Fahrten versilbern wollen. Wo lag dieser Salzsee? Bonneville. Das hat Sound. Fehlt nur noch das Bike zum Namen. Um dem guten Johnny Allen und seinen 310, später gar 345 km/h annähernd gerecht zu werden, kriegt der 650er-Twin jetzt zwei Vergaser und eine einteilige Kurbelwelle und noch ein paar Kleinigkeiten – dann wird er mit seinen 46 PS zu einem der größten Erfolge der Motorradgeschichte.

The best motorcycle in the world?. Auf jeden Fall ein Superbike. Nicht so fahrstabil wie die Federbett-Norton, aber schneller. Und schöner. Außerdem immer noch reichlich trusty. Sie zementiert den 650er-Hubraum für die nächsten Jahre als Maß der Dinge, kein Mensch kann sich vorstellen, noch mehr Leistung zu benötigen. Diese Ansicht ist mittlerweile überholt. Dagegen könnte sich die wunderbare Fahrbarkeit der Bonnie dereinst als klassischer Wert herausstellen: Sobald der Smith-Drehzahlmesser auch nur 1100 Touren anzeigt, legt der Gleichläufer beim Gasaufziehen ordentlich zu. Nicht wie ein auf Schnellkraft trainierter Muskelberg, eher wie ein routinierter Held der Arbeit. Beiläufig, effizient, gekonnt.

Alle 360 Grad eine Zündung, beide Kolben rasen im Gleichschritt rauf und runter, 6500 mal in der Minute, wenn 46 PS entstehen sollen. Erst im oberen Drehzahlbereich wird die Leistungsabgabe von aggressivem Sound begleitet, bis 5000 Touren hört sich das alles an wie immer energischer anschwellendes Trompeten. Was bereits nahe legt, diesem Solo bei wechselnden Drehzahlen zu lauschen. Weniger musisch Veranlagte werden daran durch die bei konstanten Drehzahlen, na, sagen wir mal harten Vibrationen erinnert. Gleichläufer eben, Massenkräfte wie beim Einzylinder.

Vibrationsschäden sind ein Thema. Als die Straßen besser werden und die Leute von A nach B heizen. Als CB 750 und Konsorten vormachen, wie locker das geht, und die Bonnie-Helden nicht klein begeben wollen und ihrem Bike auf der Autobahn den Kragen abdrehen. Das ist dann der offensichtlich tragische Teil der Bonnie-Geschichte.

Aber eigentlich begann das Drama dieses Weltklasse-Motorrads schon viel früher. Seit 1951 gehört Triumph zu BSA. Sangster hatte für einen respektablen Preis verkauft, blieb weiter im Management des Konzern, zu dem damals auch noch Ariel gehörte. Später übernahm er sogar wieder die Leitung, Turner wurde Entwicklungschef für alle Marken, bei Triumph blieb irgendwie alles beim Alten. Aber nur irgendwie, denn unterm Strich spielte Meriden die Cash cow. Triumph-Profite versickerten im Gesamtkonzern. Es wurden Triebwerke hin- und hergetauscht, die Marken verloren Profil, gute Ideen – zum Beispiel die Dreizylinder-Trident – wurden so lange diskutiert, bis sie nur noch halb so gut waren.

Einen Einheitsrahmen sollten die Triumph- und BSA-Twins ab 1971 tragen. Die rassige Bonnie wurde füllig. Dann sollte sie in Birmingham gebaut werden. Die Arbeiter streikten. 18 Monate lang. Als sie 1975 wieder produzierten, war die Bonnie eigentlich schon tot.

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