ABS mit Rennsport-Lizenz
Ein Albtraum wird wahr: Die ersten beiden Supersportler mit ABS kommen auf den Markt! Puristen, Rennfahrern und Ewiggestrigen rollen sich schon die Fußnägel auf, Forumisten werden Hass-Mails an Honda formulieren. Schließlich taugt ja ABS an Motorrädern nix, und jeder durchschnittlich trainierte und talentierte Sportler-Pilot bremst besser als dieser technische Schnickschnack. Ruhig Blut Jungs, mal ganz sachte. Die Zeiten, in denen ein durchschnittlicher Motorradfahrer ein ABS jederzeit ausbremste, sind schon lange vorbei. Und die Zeiten, in denen ein durchschnittlicher Pilot bei einer Schreckbremsung auf rutschigem Untergrund besser war als ein ABS, gab es nie.
Die Crux der Antiblockiersysteme bestand bislang immer darin, dass das von Sportfahrern gewünschte Bremsgefühl am Hebel ausblieb. Es wirkte immer schwammig, man wusste nie recht, wie weit man sich vor dem Regelbereich befand. Setzte das ABS mit der Regelung ein, störten einen das Pulsieren im Bremshebel und die insgesamt sehr grobe Regelung. Das ist nun alles weitgehend Geschichte, denn Honda nahm sich als erster Hersteller der Welt den Bedürfnissen der Sportfahrer an und entwickelte das C-ABS, bei dem es kein Pulsieren und kein Stottern mehr gibt. Einzig der wenig sportliche, weil schwammige Druckpunkt des Systems ist zu kritisieren. Grundsätzlich unterscheidet sich das C-ABS der CBR 600 RR nicht von dem der Fireblade: Das System kostet an beiden Motorrädern 1000 Euro Aufpreis und bringt 10 Kilogramm Mehrgewicht mit sich. Wirkungsweise und Bauteile sind identisch, logischerweise ist die Software des Steuergerätes fahrzeugspezifisch abgestimmt. Lediglich an der Vorderachse gibt es geringfügige Hardware-Unterschiede, denn an der Blade sind zwei 320 Millimeter große Bremsscheiben verbaut, wo die 600er-Schwester mit 310er-Scheiben auskommt.
ABS, Bremsen und Fahrwerk

Die 10 Kilogramm Zusatzgewicht, die das System mit sich bringt, sind auf der Rennstrecke ohne direkten Vergleich mit einem Non-ABS-Bike nicht spürbar. Das liegt sicherlich auch an der Charakteristik der Rennstrecke von Losail, denn wirklich enge Schikanen hat die nicht. Dafür kann das ABS in Highspeed-Bremszonen zeigen, was in ihm steckt: Auf der Fireblade stehen am Bremspunkt Ende der Start/Ziel-Geraden über 280 km/h auf dem Tacho. Also aufrichten und den Hebel bemühen: Wer die Beläge weich anlegt und dann knackig zuzieht, wird vom ABS nichts merken, da er sich wie bei jedem anderen Sportler außerhalb des Regelbereichs befindet. Der bereits erwähnte, etwas knatschige Druckpunkt ist zwar nicht toll, die Bremse dennoch gut zu dosieren und ihre Performance über jeden Zweifel erhaben. Interessanter wird es, wenn der Fahrer gefühl- und ansatzlos am Hebel zieht, wie bei einer Schreckbremsung: Die Blade zieht sich erst hinten in die Federn, das Heck taucht also etwas ab, bevor das System vorn volle Kanone verzögert. Kommen dann, wie in Losail, kleine Bodenwellen ins Spiel, ist schnell der Regelbereich des C-ABS erreicht.
Eine auf diesen Bodenwellen simulierte Schreckbremsung erzeugt ein eindrucksvolles Fahrerlebnis: Auf den Unebenheiten verringert sich die Bremsleistung im Regelbereich zunächst etwas, als würde die Bremse faden. Man fliegt also gefühlsmäßig viel zu schnell auf den Einlenkpunkt zu, lenkt mit flauem Bauch und subjektiv zu hoher Kurveneingangsgeschwindigkeit ein und verlässt dabei den Streckenbereich mit den Bodenwellen. Das ABS, nun nicht mehr im Regelbereich, erhöht bei etwa 15 Grad Schräglage sofort die Bremsleistung, was einerseits die Blade geringfügig aufstellt und andererseits zu einer richtig kernigen Verzögerung in Schräglage führt, die man freiwillig so nie abrufen würde. Da im gesamten Bremssystem kein Pulsieren spürbar ist, fühlt sich dieser Bremsvorgang in moderater Schräglage schon sehr weltmeisterlich an und erweitert den Erfahrungshorizont. Selbst auf der CBR 600 RR, die anders als die Firebalde ohne eine beruhigende Anti-Hopping-Kupplung durchs Leben rollt, verlängert sich der Bremsweg nicht spürbar, wenn nach schnellen Gangwechseln das Hinterrad zu stempeln anfängt. Um den härteren Bremsattacken gerecht zu werden, erhöhte Honda an beiden Motorrädern die Federrate der Gabelfedern um 5 Prozent. Dass das C-ABS im Alltagsbetrieb ein Lebensretter sein kann, steht außer Zweifel; dass es selbst im Trockenen Hobbypiloten auf der Rennstrecke beim Schnellfahren helfen kann, jetzt auch.
Fazit

Fazit: Okay, 1000 Euro Aufpreis für das Honda-Antiblockiersystem sind kein Pappenstiel. Aber wer in der letzten Zeit einmal seinen Supersportler abgelegt hat, der weiß, dass selbst ein noch so glimpflicher Sturz nicht für diese Summe zu reparieren ist. Insgesamt überzeugte das in Katar präsentierte C-ABS an der CBR 600 RR und an der Fireblade auf ganzer Linie, da es im normalen Rennstreckenbetrieb, wenn überhaupt, kaum spürbar agiert und in riskanten Situationen den Piloten unterstützt. Außerdem hält es einem den Kopf frei, sorgt für noch unbeschwerteres Bremsen und noch mehr Fahrspaß.
Technische Daten |