Verkehrte Welt in Hockenheim: Beim Tuner-GP 2008 war der Twin von LSL Schlusslicht auf dem Leistungsprüfstand und eines der langsamsten Motorräder auf dem GP-Kurs - dennoch begeisterte der Café Racer selbst gestandene Tester.
Verkehrte Welt in Hockenheim: Beim Tuner-GP 2008 war der Twin von LSL Schlusslicht auf dem Leistungsprüfstand und eines der langsamsten Motorräder auf dem GP-Kurs - dennoch begeisterte der Café Racer selbst gestandene Tester.
Eckdaten wie 1000 cm³ Hubraum und 180 PS sorgen für den ultimativen Nervenkitzel: Wie weit lassen sich in Schräglage die Drosselklappen öffnen, ohne den permanent drohenden Highsider zu provozieren oder das Vorderrad des Superbikes unkontrolliert gen Himmel zu recken?
Diese LSL-Kawasaki W 760 stellt mit 64 PS statt 180 und 72 Nm statt 110 andere Fragen: Kann so viel Selbstbeschränkung den echten Kick bringen?
Ungewöhnlich, in ihrer grauen Lackierung geradezu zurückhaltend, funkelt die W 760 des Spezialisten LSL aus Krefeld in der Sonne, unverkleidet, unverkennbar klassisch, der Königswellen-Zweizylinder der Kawasaki W 650.
Doch beim genaueren Hinsehen offenbaren sich Racing-Zutaten vom Allerfeinsten. Telegabel und Federbeine von Öhlins verströmen Grand-Prix-Feeling, ebenso die Alu-Schwinge, Lenkerhälften und Fußrasten aus hauseigener Fertigung sowie filigrane Anbauteile wie Blinker und Armaturen, wohin das Auge fällt.
Auch die Akustik ist bereits optisch präsent. Zwei schlanke Megafone von Leo Vince ersetzen die very British angehauchten Schalldämpfer des Originals.
Dem behäbigen Königswellen-Zweizylinder von Kawasaki hat Jochen Schmitz- Linkweiler nicht nur gehörig, sondern auch gefühlig auf die Sprünge geholfen. Drei Millimeter mehr Bohrung liften den Hubraum von 676 auf 733 cm³. Mit der Erhöhung der Verdichtung von 8,6 auf 9,2, der Bearbeitung der Kanäle und der Abstimmung der Vergaser, nun mit offenen Lufttrichtern, stieg nicht nur die Leistung um 14 PS, sondern vor allem das Drehmoment um satte 20 Nm.
Schnell offenbart die W 760, dass die Maßnahmen dem etwas behäbigen Temperament der W 650 gehörig auf die Sprünge geholfen haben. Gleichmäßig legt der Twin los und strebt zügig der 8000er-Marke auf dem Kombi-Instrument mit klassisch weiß unterlegter Skala entgegen.
Über den gesamten Drehzahlbereich entwickelt der Zweizylinder erheblich mehr Dampf und legt sich auch dann noch kräftig ins Zeug, wenn das Original bereits in asthmatische Lethargie verfällt.
Ein sonores Ansauggeräusch und bassiger Sound aus den Megafonen untermalen die Arbeit des Twins stets präsent, aber nie aufdringlich. Im Gegenteil, das Klangbild wirkt auf den Fahrer ebenso beruhigend wie die jederzeit kontrollierbare Leistungsentfaltung: nach dem Kurvenscheitelpunkt die Drosselklappen ohne Reue voll aufreißen und die homogene Leistungsentfaltung genießen, verbunden mit runden flüssigen Linien, die das straffe, aber keinesfalls unkomfortable, sauber abgestimmte Fahrwerk diktiert.
12 Kilogramm weniger Gewicht, eine handlingfreundlichere Fahrwerksgeometrie und ein 18- anstatt des 19-Zoll-Vorderrads verleihen der LSL-Kawa eine nie gekannte Wendigkeit bei gleichzeitig besserer Fahrstabilität.
Knackige Schräglagen sind mit den griffigen Bridgestone BT 012 geradezu Pflicht. Die aufwendige Bremsanlage mit den Nissin-Vierkolbensätteln und den Wave-Bremsscheiben ist jeder Situation souverän gewachsen. Dazu fördert die fehlende Verkleidung die totale Übersicht.
Selten war Fahren auf der Rennstrecke entspannter, Easy going in jeder Situation. Kaum einmal war Motorradfahren unaufgeregter, spielerischer.
Kleine Kritik am Rande: Statt des mausgrauen Tanks und der Fladensitzbank hätten ein flacher, langgstreckter Alu-Kurzstreckentank und eine Höckersitzbank à la Norton Manx den Charakter des Café-Racers besser akzentuiert.
Auch der Komplettpreis von 23500 Euro erschreckt zunächst. Aber keine Bange: Jochen Schmitz-Linkweiler hat an der Kawasaki viel verbaut, was gut und teuer ist. Interessenten können jede Umbaumaßnahme einzeln ordern und sich ein individuelles Paket schnüren, das auf der Rennstrecke oder auf der Landstraße Fahrspaß ohne Reue garantiert.
LSL-Kawasaki W 760
Gewicht: 198,0 kg
vorne/hinten: 50,3/49,7 %
Leistung: 64 PS
Preis: 23500 Euro
Kontakt
LSL-Motorradtechnik
Heinrich-Malina-Straße 107
47809 Krefeld
Telefon 02151/5559-0
www.lsl-motorradtechnik.de