1. Schrauben
An neuen Maschinen ist kaum noch was zu basteln, zu schrauben, zu flicken. Erstens geht nix kaputt, zweitens geht nix ohne Diagnosestecker, wenn doch mal was nicht so tut, wie es soll. Aber Schrauben fördert die Persönlichkeit. Man vermackt sich die Finger, doch man reift dabei. Kaum vorstellbar, wie ein Kolbenring oder Gangradpaar die eigene Frustrationstoleranz ausloten, Gelassenheit strapazieren wie ausweiten kann. Und wer es gern ein bisschen bodenständiger hat: Es gibt keine bessere Möglichkeit, eine Maschine kennenzulernen, ihr Inneres zu verstehen, wenn man so will, als sie auseinanderzunehmen und wieder zusammenzusetzen. Hier ist noch ein Argument, zu Schlüssel und Zange zu greifen: Mag sein, man bekommt nicht alles wieder richtig zusammen; ohne Frage jedoch wächst man zusammen, Mensch und Maschine. Sie gekauft zu haben heißt nur, dass einem die Maschine gehört. Ob man sich ihr zugehörig fühlt, ist eine ganz andere Sache. Vielleicht mal mit einem einfachen Ölwechsel anfangen. Oder versuchen, ob man bis zu den Kerzen durchdringt.
2. Jethelm und Jeans
Wozu fahren wir eigentlich? Zum Fahren, oder? Doch sicher nicht, um aufs Maul zu fallen. Komisch also, dass sich fast alle immer so armieren, als ginge es darum, sich auf die schlimmstmögliche Eventualität einzurichten. Viel zu sehr bestimmt das Vielleicht und das Auweia unser Leben. Motorradfahren ist gefährlich. Punkt. Allerdings ist die größte Gefahr keine Folge mangelnder Sicherheitsausrüstung. Sie resultiert aus dem trügerischen Gefühl der Sicherheit, das einen, von den Zehennägeln bis über den Scheitel durch Hightech-Schaum und Tierhaut protektoriert, beschleichen kann. Wobei, und das ist nicht schlimm, aber schade, das Erlebnis auf der Strecke bleibt. Im Vollvisierhelm bleibt die Welt nun mal draußen und jedes Auge trocken. Die Gore-Kombi mag so aktiv atmen, wie sie nur kann: Durchlüften fühlt sich anders an. Und wenn einem bei Tempo 70 eine Mücke vor die Brust oder in die Zähne haut, hat man schlagartig wieder ein anderes Gefühl für Geschwindigkeit. Eins, das der Sicherheit dient.
3. Nass werden
Wassertropfen töten nicht. Denn wir sind nicht aus Zucker. Tun aber so. Schlechtes Wetter? Erst gar nicht los fahren. Schauer? Unter der Brücke warten. Regenrisiko über 50 Prozent? Den ganzen Körper membranen. Um Himmels willen nur nicht nass werden. Wieso nicht? Es kann schon die Seuche sein, zugegeben, wenn das Wasser sich nach einigem Dringen und Saugen durchs undichte Gewebe vorgekämpft hat, wenn die Nässe, als kleiner Fleck auf dem T-Shirt zunächst, der Haut hallo sagt. Bald danach weichen die Zehen in Tümpeln, das Handschuhleder hinterlässt gewellte Fingerspitzen knallschwarz, und die Unterhose umschlingt die Sitzgegend mit der Kuscheligkeit eines feuchten Putzlappens. Irgendwann dann wärmt der Körper das Wasser nicht mehr. Umgekehrtes ist der Fall: Das Wasser kühlt den Körper. Was aber ist das gegen die Vorfreude auf noch mehr Nass? Eine warme Badewanne, ein Bier und das gute Gefühl, tatsächlich nicht aus Zucker zu sein.
Vorsatz 4 bis 6
4. Vorurteile killen
Es ist nicht immer leicht, ein besserer Mensch zu werden. Manchmal allerdings schon. Indem man sich von seinen Vorurteilen befreit zum Beispiel. Das müssen ja nicht gleich alle auf einmal sein. Oft reicht schon ein bisschen guter Wille und der Termin für eine Probefahrt mit einem Motorrad, von dem man bisher behauptet hat: was für ein hässlicher, was für ein langweiliger Schrott. Manche geben sich gerne kategorisch reserviert (Supersportler sind unbequem und nur für Raser), andere definieren sich über markenspezifische Abscheu (BMWs sind wie gehäkelte Topflappen, nur teurer). Solcher Meinung darf jeder gerne sein. Wenn es denn tatsächlich eine Meinung ist und nicht nur stumpfe Voreingenommenheit. Zwischen beidem steht nicht mehr als Ausprobieren. Vielleicht lockerts die verknöcherte Ansicht, und das wäre doch schon was. Vielleicht fühlt man sich in seiner Abscheu bestätigt, bitte, aber dann hat man es wenigstens versucht und darf sich zu Recht viel toleranter fühlen als zuvor.
5. Breitensport
Rossi ist schnell, ohne Zweifel, und Neukirchner weiß mit seinem Arbeitsgerät ebenfalls begeisternd umzugehen. An welcher Grand-Prix-Strecke jedoch verkauft die Hausfrauen-Turngruppe selbst gebackene Kuchen, und bei welchem Superbike-Lauf verdient sich der Metzger am Ort ein Zubrot, indem er neben dem Vereinshaus seinen Grill anfeuert? Ganz klar, die Entscheidung muss für den Breitensport fallen. Nicht nur des kulinarischen Rahmenprogramms wegen. Was beim Motocross in der Provinz rüberkommt oder beim Grasbahnrennen auf dem platten Land, sind vielleicht weniger rekordverdächtige Rundenzeiten. Die Begeisterung, der persönliche Einsatz und die ganze dramatische Faszination für den Sport mit Motor dafür umso mehr. Auf zum Vier-Stunden-Enduro des MC Tuckelbühl. Kann ja sein, dass man sich dann mal nicht für Profis begeistert, sondern von Amateuren anstecken lässt.
6. Langsam
Wir eilen durchs Leben, und wir sollen das bitte schön, so ist die Botschaft, die in diesen, den Zeiten der Krisen aus allen Kanälen tönt, immer schneller machen. Nicht stehen bleiben, den Zeichen der Zeit folgen, flexibel, dynamisch. Schritt halten, mithalten. Pah! Anhalten. Abschalten. Wieso nicht, wenn der Lauf der Dinge gerade so tut, als wolle er sich selbst überholen, mit dem Motorrad mal langsamer tun. Oder besser: langsam. Letzter Gang, über Land, Tempo 60, 70 allenfalls. Gleichsam als eine Art freiwillige Selbstbeschränkung, die uns die Zeit gibt, die wir selbst und andere uns so selten lassen. Also Landschaft statt Ideallinie. Kaffee statt Kilometer. Abhängen statt Hanging-off. Reisen statt rasen. Langsam entspannen statt schnell verkrampfen.
Vorsatz 7 bis 10
7. Benzin reden
Wir verbrennen es die ganze Zeit, wenn wir unterwegs sind mit dem Motorrad. Wir fackeln es ab mit jedem Dreh am Gas, und hinten raus hauen wir die Klimapest. Na toll. Kann man das denn überhaupt noch mit gutem Gewissen, darf man das? Ist es moralisch okay und ethisch in Ordnung? Wo es doch nur noch so wenig davon geben soll, also sowohl Benzin als auch gute Atmosphäre. Man kann ja mal drüber reden: mal wieder richtig Benzin reden. Das nämlich lässt sich im Gegensatz zum Verbrennen ohne Ende und ohne Gewissensbisse. Und eigentlich spielt es keine Rolle, was hinten rauskommt die intime Kenntnis der Unzulänglichkeiten dieser oder jener Art, Ventile zu steuern, Vorderräder zu führen oder beide Räder unblockiert abzubremsen, große Rennerfolge, kleine Schrauber-Katastrophen. Meist bleibt es nicht bei einem Thema. Und nicht selten hat man am nächsten Tag sowieso alles wieder vergessen. Denn je besser das Gespräch läuft, umso besser läuft auch das Bier. Oder umgekehrt, egal.
8. Anhalten
Es gab mal den Gelben Schal, das ist schon eine ganze Weile her. Aber weil, wie die Statistik weiß, Motorradfahrer im Schnitt immer älter werden, dürften sich noch einige daran erinnern. An sich ein verabscheuungswürdig hässliches Kleidungsstück, steckte eine noch gruseligere Idee hinter dem Stück Stoff: Motorradfahrer, die eine Panne hatten, sollten den Gelben Schal an den Lenker binden oder damit wedeln, um so zu signalisieren, dass sie Hilfe brauchen. Bitte schön, wenn wir schon vor Jahren so weit waren, einen affig bunten Fetzen mitzuführen, auf dass andere uns eventuell helfen, wie weit sind wir dann heute? Ein Stück Bequemlichkeit, ein bisschen Gleichgültigkeit und ein Schuss Psychopropaganda (Achtung, eine Falle...), und schon ist man vorbeigerollt am havarierten Verkehrskollegen. Der, wie man sich beruhigend einreden möchte, sicher auch so zurechtkommt. Stimmt alles nicht? Sie halten an? Na, dann ist ja früher doch nicht alles besser gewesen. Was man sich gerade alternd öfter mal bewusst machen sollte.
9. Ohne alles
Der Mensch braucht ein Ziel, sonst irrt er umher. Na und? Irrt man eben mal, ganz ohne Ziel, ganz ohne Gepäck vielleicht, ohne Ballast sogar. Immerhin: Man könnte es doch auch ganz anders sehen ohne ein festgelegtes Ziel, ohne einen ausgemachten Weg dorthin, gibt es überhaupt kein Irren, weil jede Straße so gut ist wie die andere. Weil es ja nicht ums Ankommen geht, sondern ums Losfahren. Und: ums Fahren. Einfach aufbrechen, wann hat man das zuletzt gemacht, mit nichts als der Zahnbürste in der Innentasche der Lederjacke? Unterwegs sein, um sich von dem, was kommt, über-raschen zu lassen, und nicht, um seine Erwartungen zu bestätigen. Was könnte zugleich spannender und entspannender sein?
10. Mitnahme-Effekt
Allein ist man schneller. Bessere Beschleunigung, leichteres Handling. Man hat mehr Platz, es kommt beim Bremsen keiner von hinten gerutscht. Und: Man ist allein. Was, man muss nicht drum herum reden, oft genug ein Segen ist. Oft aber auch nicht. Speziell, wenn es darum geht, mal jemanden mitzunehmen, der nie zuvor die Welt vom Rücksitz eines Motorrads aus erlebt hat. Oder zu-mindest viel zu selten. Jemanden, der das noch nicht kennt, woran man sich selbst schon viel zu sehr gewöhnt hat. Jemanden, für den völlig neu ist, wovon man selbst, zur Genüge beinahe, weiß, was man zu erwarten hat: diese Kurve, jene Gerade, hier Berg runter, dort über die Kuppe, vorbei an Wiesen, mitten durch Mischwald. Man wird die Geschichte, die der Premieren-Sozius oder die Premieren-Sozia da erzählen, eigentlich kennen. Jedoch wird man sie kaum wiedererkennen. So viel Überraschung, so viel Faszination, so viel Erschrecken, Staunen, Spannung, Erleichterung, Erleben wird die Hausstrecke lange nicht mehr geboten haben. Und: Wen wollen Sie mal mitnehmen?