Test
Guzzi-Tuning

Verbesserungen ab Werk und Modifikationen von renommierten Tuning-Schmieden machen die großen Guzzi-Motoren endlich richtig bullig, durchzugs- und drehmomentstark.

Guzzi-Tuning
Foto: Archiv

Klang? Geht klar. Ausstrahlung? Aber hallo. Kraft? Nun ja. So recht gingen sie nicht voran, die charakteristischen großen Guzzi-V2-Motoren der vergangenen Jahre. Zumindest da nicht, wo Hubraumboliden sonst ihren Drehmoment-Trumpf ausspielen: im Drehzahlkeller. Auf riesigen Drehmomentwogen zu surfen, war eher Wunsch als Wirklichkeit. Stattdessen lauerten tiefe Krater und Dellen in den Leistungskurven.

Das Tal der Tränen hat Tradition bei Guzzi. Selbst bei den Zweiventilern, die ja prinzipiell gute Füllung bei niedrigen Drehzahlen ermöglichen sollten. So musste man trotz fetten Hubraums zum Überholen runterschalten. Ein Trend, der sich mit mehr Punch oben raus noch verstärkte. Dies gilt besonders für den 2007 in der Griso 8V neu aufgelegten Vierventiler. Einen Tiefpunkt markierte dieser Quattrovalvole-Motor 2008 in der Reise-Enduro Stelvio 1200 4V: „Bei ihr ist der Drehmomenteinbruch zwischen 3000 und 5000/min trotz geringerer Spitzenleistung sogar noch deutlicher als in der Griso“, schrieb Redakteur Rolf Henniges im Top-Test (MOTORRAD 15/2008).

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Das Resultat: Bei 4000 Touren schaufelte eine BMW R 1200 GS heftige 30 Newtonmeter mehr als die Stelvio. Kein Wunder, wenn das Italo-Bike für den Durchzug im sechsten Gang von Tempo 60 auf 140 maue 12,7 Sekunden benötigte, siehe Tabelle oben rechts. Da fuhr jede 600er flotter. Nun endlich hat man in Mandello del Lario auf den inhomogenen Drehmomentverlauf reagiert. Seit März 2009 erhält die Stelvio Nockenwellen mit zahmeren Steuerzeiten und neu programmierte Software. Ferner längere Ansaugtrichter und einen größeren, weniger zerklüfteten Luftfilterkasten. Dadurch fällt bei gleich bleibender Spitzenleistung von 104 PS ihr Drehmomentverlauf deutlich fülliger aus. Die Kurve verläuft in etwa parallel, um rund 15 Newtonmeter nach oben verschoben: 87 statt 71 Nm bei 4000/min. Glatt 3,2 Sekunden nimmt die 2009er-Stelvio der 2008er von 60 auf 140 ab. Jedoch hatte in MOTORRAD 18/2009 eine Fernreise-Version NTX maximal „nur“ 97 PS, Beleg für große Serienstreuung.

Überall kräftig ist die von Däs Mototec veredelte 2009er-Stelvio. Nachdem der Vierventiler nun durch die geänderte Airbox freier einatmen kann, erhöht Roland Däs den Luftdurchsatz noch weiter mittels geöffnetem Luftfilterdeckel und BMC-Sportluftfilter. Streng genommen erlischt damit die ABE. Zusätzlich bestückt Däs den V2 mit einem frei programmierbaren Power-Commander und stimmt ihn penibel auf dem Prüfstand ab. Für jeden Zylinder einzeln: Von Null bis 30 Prozent Öffnung der Drosselklappen hält das Motormanagement konstant Lambda eins der Gemischzusammensetzung ein. Allerdings wäre ein Power-Commander nur unter großem Aufwand eintragungsfähig; dazu bräuchte es ein Abgasgutachten. 534,70 Euro kostet der Drehmomentkit 1 ohne Prüfstandsarbeit und Einbau. Drehmomentkit 2 kostet inklusive Umbau rund 1400 Euro, den Karbon-Schalldämpfer von BOS inklusive. Er klingt trotz E-Prüfnummer krawallig, eher unangenehm laut, was Däs noch ändern will. Außerdem patscht und sprotzelt es im Schiebebetrieb ziemlich.

Beeindruckend spontan tritt die Däs-Stelvio an, hängt gierig am Gas, spricht auf kleinstes Zucken am Gasgriff an. Der V2 bietet satten, gleichmäßigen Druck übers gesamte Drehzahlband. Und malt eine fette Bilderbuchkurve ohne Löcher aufs Papier. Nun sind’s schon 107 Newtonmeter bei 4000/min. Wow! Auch 2008er-Stelvios verhilft Däs zu mehr Power, sie drückten unten zehn bis zwölf Newtonmeter weniger, oben heraus acht PS mehr als das 2009er-Modell.

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Nachdem Dynotec die Griso getunt hat, erreicht sie Spitzenwerte bei den Messungen

Was Zweiventiler können, zeigt Jens Hofmann von Dynotec. Er belässt den Hubraum seiner Griso bei 1064 cm3, weil für mehr Hubraum Drosselklappen und Luft-filterkasten zu klein seien. So ist seine „V12“ in Wirklichkeit eine 110er. Was genau die Brennraumbearbeitung beinhalte, bleibt Betriebsgeheimnis. Nur so viel: Der Wirkungsgrad wird erhöht. Denn „bei Guzzi funktionieren die Brennräume nicht“ (Hofmann). Auch Dynotec montiert einen Power-Commander (mit Serien-Software) samt kleinerem und diesmal leiserem Auspuff. Zum Preis von 1200 Euro plus Endtopf entsteht ein wahres Durchzugswunder: 7,7 Sekunden von 60 bis 140 liegen fast auf Supersport-Niveau. Dabei böte der Serien-Auspuff der Griso dank riesigen Volumens und großen Kats laut Hofmann noch Vorteile. Es geht wirklich was bei Guzzi.

Däs-Stelvio 1200 4V

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Völlig ohne mechanische Eingriffe am Motor tunt Roland Däs den Vierventiler: "Drehmoment-Kit Stufe 1" beeinhaltet einen Power-Commander mit passendem Mapping geladen, sowie einen BMC-Sportluftfilter samt geändertem Luftfilterdeckel mit angepasstem Halterrahmen. Extra kommt noch ein anderer Endtopf.

Beschleunigung

 

0-100

0-140

0-200

Stelvio 1200 4V
Modell 2008
 4,0 6,8 18,0
Stelvio 1200 4V
Modell 2009
 3,9  6,8 18,0
Däs-Stelvio 1200 4V
Modell 2009
 3,7 6,6 17,5

Durchzug

 

60-100

100-140

140-180

Stelvio 1200 4V
Modell 2008
 5,2 7,5 8,1
Stelvio 1200 4V
Modell 2009
 4,2  5,3 6,3
Däs-Stelvio 1200 4V
Modell 2009
 4,1 4,0 5,7

Dynotec-Griso 1100

Im Zentrum des Tunings von Dynotec stehen Brennraumbearbeitung und -optimierung. In erster Linie geht es Firmenchef Jens Hofmann darum, „übergroße Maßtoleranzen im Motor zu minimieren“. Mit Erfolg: Seine Griso 1100 erzielt traumhaft gute Durchzugswerte.

Beschleunigung

  0-1000-140
0-200
 Griso 1100
 4,3 7,6 27,7
 Dynotec-Griso 1100
 4,2 7,5

 19,6

Durchzug

  60-100100-140 140-180
 Griso 1100
 4,6 5,0 6,8
 Dynotec-Griso 1100
 3,7 4,0

 5,5

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023