Scrambler-Modelle der siebziger Jahren inspirierten die Designer der französischen Marke Voxan. Sie schufen hohe Zweirad-Couture, die nicht nur auf dem Laufsteg gefällt.
Scrambler-Modelle der siebziger Jahren inspirierten die Designer der französischen Marke Voxan. Sie schufen hohe Zweirad-Couture, die nicht nur auf dem Laufsteg gefällt.
Sieht sie nicht echt knuffig aus? Dieser kleine, rundliche Tank, dieser kurze Kotflügel in keckem Metallic-Orange, der schwarze V2, umschlungen von einer halbhoch gezogenen Auspuffanlage, gebürstetes Aluminium und glänzendes Chrom an den richtigen Stellen, dieses Flair dezenter Grobstolligkeit. Kein Zweifel, die Designer der Voxan Scrambler haben geschickt mit den Stilelementen der Scrambler-Mode aus den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gespielt und mit ihnen ein ansprechendes, zeitgemäßes Motorrad-Outfit komponiert.Was tut es da zur Sache, dass die Scrambler damals ebenso wie die Voxan heute mit dem ursprünglichen »scrambling«, dem Herumtollen im Gelände, nichts am Hut haben? Hübsches bleibt hübsch, und gescrambelt wird mit 1000 cm³, über 80 PS und einem Gewicht von 225 Kilogramm dann eben auf der Straße. Dazu passen auch die Michelin T 66, die ja nicht wirklich Geländereifen sein wollen, sondern lieber auf Asphalt haften.Dort bewegt sich das massige Motorrad tatsächlich mit der Leichtigkeit und Munterkeit eines Springinsfelds, findet in langgezogenen Biegungen bis in knackig tiefe Schräglagen hinunter und lässt sich locker am breiten Rohrlenker durch Wechselkurven schwenken. Das kann die Voxan trotz eines langen Radstands, eines flach angestellten Lenkkopfs und eines langen Nachlaufs. Sie kann es wegen ihrer relativ schmalen Bereifung und ihrer geringen Vorderradlast. Nur 100 der 225 Kilogramm lasten vorn, was die Handlichkeit enorm fördert.
Es spricht für die Voxan, dass sie die prinzipiellen Nachteile einer leichten Front – meist verstärkte Wheelie- und Kickbackneigung, geringe Fahrstabilität bei hoher Geschwindigkeit – weitgehend vermeidet. Sie lässt sich unter voller Beschleunigung über Holperstrecken treiben, ohne mit dem Lenker zu keilen und läuft auch bei Höchstgeschwindigkeit stabil geradeaus.Nur beim Komfort bleibt ein Nachteil zu ertragen. Durch die unvermeidliche Entlastung der ohnehin schon leichten Frontpartie beim Fahren spricht selbst die weich gefederte und sanft gedämpfte Gabel nicht mehr gut an. Anders gesagt: Das Vorderrad wird nicht satt aufliegend über die Bodenwellen geschoben, sondern hüpft von Spitze zu Spitze. Hinzu kommt, dass die weiche Hinterradfederung zu schnell zu weit durchfedert, was der Fahrer kaum durch Abstützen in die Fußrasten kompensieren kann. Denn die liegen zu weit vorn in Relation zur weit hinten befindlichen Sitzmulde, in der man zu alledem unverrückbar festsitzt. Der langen Ursachenkette kurz geschilderte Wirkung: Nach zwei Stunden tut selbst ein extrem trainierter Fahrerhintern weh. Der Sozius hat es da besser, wird aber auch durch die Hinterradfederung etwas in Mitleidenschaft gezogen. Übrigens ist die Position des Schalthebels ebenfalls ergonomisch fragwürdig; sie passt erst ab Schuhgrösse 46 halbwegs.Wenigstens funktioniert das Getriebe leichtgängig und exakt.
Reichliches Spiel im Antriebsstrang verursacht zwar die eine oder andere Lastwechselreaktion. Doch weil der V2 ab 2500/min schön rund läuft und seine Einspritzung gut abgestimmt ist, lässt sich der Leerweg nach einiger Gewöhnung meist ruckfrei überwinden.Verglichen mit der Voxan Café Racer, deren Motor ja aus demselben Baukasten stammt, fehlen der Scrambler 19 PS an Spitzenleistung und auch 600 Umdrehungen. Dafür drückt sie bis 7000/min rund sieben PS mehr als die Café Racer, zieht zwischen 60 und 140 im letzten Gang 1,2 Sekunden schneller durch und ist damit für zügiges Gleiten auf der Landstraße genau richtig konfiguriert. Hier macht sich die aufwendige Anpassung durch andere Nockenwellen und eine geänderte Programmierung der Einspritzanlage bezahlt. Als sehr angenehm wird auch empfunden, dass der Motor nur wenig vibriert, was für einen 72-Grad-V2 dieser Hubraumklasse ohne Ausgleichswelle beachtlich ist. Beachtlich ist freilich auch der Verbrauch. 5,4 Liter für 100 Kilometer Landstraßenfahrt unter Einhaltung aller StVO-Regeln sind politisch noch korrekt. Bei gesteigerter Fahrdynamik allerdings laufen leicht zwei Liter mehr durch die Einspritzdüsen. Schon bei konstant 130 km/h auf der Autobahn schluckt die Scrambler stattliche 6,2 Liter. Zum Glück ist der kleine Knubbeltank größer als er aussieht, da er sich unsichtbar noch bis unter die Sitzbank erstreckt. Immerhin 14,5 Liter Volumen reichen allemal für 200 Kilometer, selbst wenn einmal power-scrambling angesagt sein sollte.
Bleibt die Frage nach dem lieben Geld. 19990 Mark plus Nebenkosten sind kein Pappenstiel, zumal die Voxan Scrambler ja nicht gerade zu den üppig ausgestatteten Motorrädern zählt. Die Café Racer aus gleichem Haus kostet 2500 Mark mehr, kann dafür jedoch qualitativ bessere Federelemente und Schmankerl wie eine gefräste Gabelbrücke bieten. Dagegen wirken einige Details der Scrambler grobschlächtig und billig. Letzteres gilt für die Doppelkolben-Schwimmsättel von Nissin, die zwar ordentlich bremsen, an einem Motorrad dieser Preisklasse aber fast schon schmerzhaft rationell wirken. Peinlich wird es dann bei den Gabelgleitrohren, die um die angegossenen Verstärkungswülste doch sehr schlampig gebürstet wurden. Da können auch die hübschen, blau leuchtenden Skalen und Zeiger der Chromtöpfcheninstrumente nicht ganz darüber hinwegtrösten.