Staunen in der deutschen Motorradmeisterschaft: Nach 12 Jahren japanischer Dominanz holte sich eine Triumph den Titel in der Supersportklasse. Die G-Lab-Daytona 675 mischte die Konkurrenz gehörig auf. PS scheuchte das Racingbike über die Piste.
Staunen in der deutschen Motorradmeisterschaft: Nach 12 Jahren japanischer Dominanz holte sich eine Triumph den Titel in der Supersportklasse. Die G-Lab-Daytona 675 mischte die Konkurrenz gehörig auf. PS scheuchte das Racingbike über die Piste.
Weiß wie die Unschuld steht sie in der Box. Von bunter Kriegsbemalung keine Spur, die Triumph wirkt vornehm-zurückhaltend, elegant, beinahe harmlos. Understatement in Vollendung. Racer Arne Tode führte mit der Daytona 675 die Tabelle vom ersten bis zum letzten Renntag an und gewann die Meisterschaft mit satten 59 Punkten Vorsprung. Woher rührt diese Dominanz? Fahrersache? Die großartige Leistung Todes steht außer Frage. Doch selbst der beste Pilot richtet in dieser hart umkämpften Klasse ohne perfektes Material nichts aus. Reifenwärmer runter, die Piste ruft. Teammitglieder mahnen: Ersten Gang rein und ohne Gas starten, der Motor könnte sonst Schaden nehmen ein erstes Indiz für ein am Limit konstruiertes Racingbike. Also Hand vom Gasgriff, nach einigen Kurbelwellen-Umdrehungen erwacht die Day-tona zum Leben und schreit ihr geräuschvolles Lied in die Boxengasse. Die 675er ist eines der lautesten Bikes im Feld, Indiz Nummer 2. Sie klingt ungewohnt aggressiv, kehlig, mit dem sonst so geschmeidigen Drilling-Sound hat dieses Bike nichts am Hut. Egal, im Rennsport gilt vor allem eines: Power. Die sollte der Dreizylinder genügend bieten, er zählt zu den kräftigsten seiner Klasse. Zwei Runden dienen zum Anfreunden, dann kriegt der Triple Zunder.
Unter 12 000/min wirkt die Triumph unspektakulär, erst darüber scheinen ihre Lebensgeister zu erwachen und brennen bis 14 000/min das erwartete Feuerwerk ab. Die für eine Daytona untypische, ungleichmäßige Entfaltung ist die Folge der hohen Maximalleistung: Bis zu 144 PS sollen laut G-Lab-Teamchef Dietmar Franzen auf die Kurbelwelle trommeln. Das kostet bei niedrigeren Drehzahlen Leistung. Auf Kursen mit relativ kurzen Vollgaspassagen setzt G-Lab auf eine andere Abstimmung: Für besseren Schub aus der Drehzahlmitte opfert das Team dort etwas Spitzenleistung. Im Renntrimm dreht die Triumph bis zu 14 700/min. Für den relativ langhubigen Motor ein sehr beachtlicher Wert, zumal die 675er bei hohen Drehzahlen als defektanfällig gilt, speziell die Ölversorgung ist kritisch. Wohl auch deshalb muss der Motor alle 500 Kilometer zur Revision.
Freundliches Grinsen statt Plaudereien aus dem Nähkästchen erntet, wer Franzen nach den Modifikationen beim Antrieb fragt. Das Reglement erlaubt wenig Spielraum, die Konkurrenz schläft nicht. So viel verrät der Chef dennoch: "Das Geheimnis liegt im Ausnutzen der Toleranzen. Spiele, Maßhaltigkeit, Gewicht, alles am Limit." Den größten Leistungszuwachs erzielte der Tuner mit der Elektronik: Die Programmierung der (serienmäßigen) Zünd-/Einspritzanlage ist freigestellt; Spezialisten eröffnet sie vielfältige Möglichkeiten, ins Motormanagement einzugreifen. Der zweite Turn mit der G-Lab-Daytona wartet. Sensationell, wie gierig die Britin auf der Bremse in die Ecken pfeffert. Zum fantastischen Handling im Kurveneingang gesellt sich ein bisher nicht gekanntes Gefühl für die Front. Schon eine Serien-Daytona ist in dieser Hinsicht eine Ausnahmekünstlerin, doch das G-Lab-Bike toppt sie noch, liegt außerdem in Schräglage extrem satt. Allerdings bleibt es etwas stur auf dem eingeschlagenen Kurs; Richtungsänderungen zur Kurvenmitte? Ungern. Gegenmittel: Weit in die Ecken hineinankern und möglichst früh ans Gas gehen, denn unter Last erlaubt die 675er engere Linien.
Eine Serien-Daytona ist sehr Vorderrad-orientiert, die Rennmaschine steht deutlich hecklastiger da. Auch beim Setup des Federbeins geht der Rennstall eigene Wege: Während die meisten Renner eher hart abgestimmt sind, gleitet die G-Lab-Daytona beinahe sanft über die Piste. Das Hinterrad zeichnet Bodenwellen haarfein nach und der Fahrer spürt jedes Staubkörnchen. So ist das Heck zwar ständig in Bewegung, doch den Fahreigenschaften tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die Triumph baut unglaublichen Grip auf. Im perfekten Zusammenspiel ihrer Eigenschaften und unter kundiger (Gas-) Hand ist die G-Lab-675 jene schlagkräftige Waffe, die ihre Gegner das Fürchten lehrte. Ein echtes Pfund eben.
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