Trial-Modelle 1997

Trial-Modelle 1997 Hüpf mal wieder

Klein, leise und doch sooo spektakulär. MOTORRAD zeigt die aktuellen Felsenhüpfer.

Nein, in der stillen Welt der Trialsportler mag man die lauten, aufdringlichen Töne einfach nicht. Schon gar nicht, wenn Bewährtes mit prahlerischen Sprüchen immer wieder Neuem und angeblich Besserem weichen soll. Verständlich, denn nirgendwo sonst kann der letzte technische Schrei in unkundiger Hand peinlicher werden als wenn eine Sektion das High-Tech-Roß samt Reiter kläglich scheitern läßt.

Dennoch, auch im Trialsport steht die technische Entwicklung nicht still. Im Gegenteil. Trialisten waren im Off Road-Sport die ersten, die sich beispielsweise über Alu-Brückenrahmen oder eine hydraulisch betätigte Kupplung freuen durften - nicht nur, weil sie neu waren, sondern weil sie Sinn machen. Doch genau diese eigentlich erfreuliche Tendenz forderte im Kreis der Hersteller ihre Opfer. Teure Neuentwicklungen sind bei einem weltweiten Gesamtmarkt von gerade mal 14 000 Maschinen pro Jahr nur noch schwer zu finanzieren. Und so nimmt es kein Wunder, daß sich die Trialwelt fest in Händen derer hält, die lieber zupacken als rechnen: In Italien werkeln Beta und Fantic an den Stollenrößern, Scorpa in Frankreich und Gas Gas in Spanien. Einzig Montesa schert aus dem Kreis der Idealisten des Balance-Metiers aus und produziert - obgleich im spanischen Barcelona - als wohlbestallte Tochter des Honda-Konzerns ohne pekuniäre Sorgen.

Und gerade die Montesa ist es auch, die nach dem Doppelschlag von 1996 - im letzten Jahr holten die Katalanen mit ihren einheimischen Werksfahrern Marc Colomer und Gabriel Reyes sowohl den WM- als auch den EM-Titel - der Trial-Szene mit der Cota 315 R eine neue technische Meßlatte auflegen will. Freilich nicht ohne Widerstand von der Fantic, die wenigstens mit einem neuen Alu-Rahmen den optisch-sportlichen Anschluß nicht verpassen will. Was aber beides zumindest dem trialtechnisch weniger Bedarften erst auf den zweiten Blick auffällt.

Tiefer Schwerpunkt für sichere Balanceakte, aber hohe Bodenfreiheit für Klettertouren an hohen Steinstufen. Sanfte Motorcharakteristik für satte Traktion auf schlüpfrigem Untergrund, aber aggressive Kraftentfaltung für steile Anstiege mit minimalem Anlauf. Butterweiches Ansprechen der Federelemente auf holprigem Terrain, aber Durchschlagsicherheit von Gabel und Federbein an groben Klötzen. Das sind die Eckdaten, mit denen sich die Ingenieure bei den Kletterteilen konfrontiert sehen - und die den Trial-Eisen letztlich zu ihrem höchst ungewöhnlichen, von der Funktion bestimmten Design verhelfen.

Doch wie sieht´s nun aus in der aktuellen Trial-Technik? Thema Fahrgestell. Während sich Honda mit dem aluberahmten Moto Crosser CR 250 derzeit als innovativer Trendsetter feiern läßt, hat sich ein Großteil der Trialisten, wie gesagt, längst an die glänzenden Untersätze gewöhnt. Schon 1990 verbaute Beta erstmals einen Alu-Brückenrahmen. Weniger Gewicht, steifere Auslegung und vor allem kompaktes Design sprachen bereits damals für die Innovation. Dennoch dauerte es bis heute, bis jede Marke ihre eigene Identität in Sachen Alu-Rahmen fand. Während Beta zur Schwingenaufnahme, Motorhalterung und Fußrastenbefestigung zwei an die Hauptprofile angeschweißte Ausleger verwendet, läßt Montesa ihre kerzengeraden Alu-Profile zum selben Zweck in ein Leichtmetall-Gußstück münden. Ein traditionell eigenwilliges Design bevorzugt Fantic. Das Gerippe der Section bildet ein aus Alu-Halbprofilen aufwendig zusammengeschweißter Rahmen, der gewissermaßen in drei Stufen bis zur Fußrastenaufnahme hinuntersteigt.

Lediglich Gas Gas und Newcomer Scorpa können sich noch nicht für den Glanz des Alu-Chassis begeistern. Die Katalanen setzen auf einen mittlerweile verchromten Brückenrahmen aus zwei schmalen Vierkant-Stahlprofilen, die genial einfach in einem Stück vom Lenkkopf zur Schwingenlagerung verlaufen. Um die Baubreite im Tankbereich möglichst schmal und den Lenkeinschlag möglichst groß zu halten, ging Scorpa gar einen Schritt zurück und verwendet seit letztem Jahr statt des Stahl-Brückenrahmens wieder einen herkömmlichen Einschleifenrahmen.

Was sich in Sachen Fahrwerk noch kraß unterscheidet, gleicht sich beim Thema Antrieb eher an. Klein, leicht und narrensicher dominieren 250-cm³-Zweitakter das balancierende Geschehen. Nur die Scorpa und die Gas Gas schenken die Viertelliter etwas großzügiger ein und warten mit acht beziehungsweise 30 Kubik mehr auf, während Fantic als einzige des Feldes mit einer im Enduro und Moto Cross längst üblichen Auslaßsteuerung arbeitet. Schaden kann´s nichts, auch wenn die Trial-Treibsätze sich zugunsten satter Kraft im Drehzahlkeller mit kärglichen, aber ausreichenden 17 bis 20 PS Höchstleistung begnügen.

Frappierender sind die Unterschiede in der Abmessung der Aggregate. Während Scorpa mangels Eigenentwicklung auf einen breit bauenden, ursprünglich für den Endurosport konzipierten Rotax-Motor setzen muß und Beta, Fantic sowie Gas Gas sich auf bewährtes hauseigenes Design verlassen, schlägt Montesa neue Pfade ein. Um Gewicht zu sparen, verzichtet das Honda-Aggregat gar auf den obligatorischen sechsten Gang und realisiert dadurch quasi nebenbei ein schmaleres Motorgehäuse. Letztlich die Grundbedingung, um die wuchtigen Rahmenrohre weit nach unten, an dem Motorgehäuse vorbeiziehen zu können.

Denn je tiefer die Massen - und das wissen nicht nur Trialisten -, desto stabiler die Balance. Und für dieses Ziel wurde sogar der Federungsspezialist Showa eingespannt. Speziell für die Cota 315 R entwickelten die Japaner ein extrem kurzes Federbein, das trotz gleichen Federwegs nicht nur Bauhöhe, sondern nebenbei auch noch ein Pfund Gewicht einspart.

Vorn herrscht weitgehende Einigkeit im Lager. Abgesehen von Gas Gas, die sich nach Engpässen der italienischen Zulieferer vor zwei Jahren flugs eine Eigenkostruktion in ihre Gabelbrücken steckten, sitzt Paioli mit seinen 38-Millimeter-Gabeln - in deren linkem Holm aus Gewichtsgründen die Feder und deren rechtem Holm übrigens die Dämpfer-Einheit residiert - fest im Trialsattel.

In dieser Beziehung hat Weltmeister Colomers Vorarbeit deutliche Früchte getragen. Einfacher Rahmen, kleines und leichtes Motorgehäuse und jede Menge Abspeckarbeiten im Detail reduzieren das Gewicht der Montesa auf 75 Kilogramm, sage und schreibe sechs Kilogramm weniger als die Klassenschwerste, die Beta. Um so erstaunlicher, als selbst die Minimal-Sitzhöhe von 52 Zentimetern der Beta oder Gas Gas von der Cota 315 nochmals um zwei Zentimeter unterschritten wird. Anders die Fantic, die trotz des neuen Rahmens größer ausfällt als die Konkurrenz.

Und wie fahren sich die motorisierten Freeclimber? Hand aufs Herz, Gelegenheits- und Hobby-Fahrer spüren von allen Änderungen recht wenig. Vielleicht, daß die Honda winziger und die Fantic stattlicher wirkt als die Konkurrenz. Vielleicht, daß die Kupplungsbetätigung an allen Maschinen trotz der fürs Trial nötigen Feinfühligkeit sehr, ja fast zu kurze Ausrückwege aufweist. Zu guter Letzt, daß die Motoren bei niedrigen Drehzahlen viel schneller abgewürgt werden können als den meisten Amateuren lieb ist.

Tieferblickende Impressionen bleiben allerdings Spezialisten wie den DM-Piloten Andreas Kindsvogel, Matthias Hofmann oder Hans Greiner vorbehalten. Und was denken die? Die Beta überzeugt durch ein ausgereiftes Konzept und gute Verarbeitung. Die Fantic besticht durch einen lebendigen, drehfreudigen Motor, der vom etwas zu groß dimensionierten Fahrgestell überschattet wird. Die Gas Gas JTX 270, die übrigens noch mit 140, 240 und 340 cm³ Hubraum zu haben ist, liefert eine gesunde und bewährte Basis. Die Montesa besticht zwar durch ihr geringes Gewicht, den sanften und drehfreudigen Motor sowie den extrem tiefen Schwerpunkt, leidet aber auch unter ihrem stattlichen Preisunterschied. Nur die Scorpa will mit einem breiten und aggressiven Motor und mäßiger Kletterlust keinem der Spezialisten so recht gefallen. Was nicht der Hüpfkunst mächtige Amateure wenig anficht. Denn die beglückt die Easy mit dem größten Lenkeinschlag des Feldes.

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