Triumph-Chef Nick Bloor im Interview
Triumph bleibt britisch

MOTORRAD traf Triumph-Chef Nick Bloor zum Interview. Aktuelle Fragen und Antworten rund um die britische Motorradmarke.

Triumph München Nick Bloor (04/2023)
Foto: Triumph
In diesem Artikel:
  • Triumph Motorcycles in Deutschland
  • Triumph Tiger 1200 und Tiger 900
  • Triumph und Bajaj: neue Modelle unter 500 Kubik
  • Triumph in Indien, China, Thailand und England
  • Triumph und die elektrische Zukunft
  • Triumph in der Moto2-Weltmeisterschaft
  • Triumph in der Motocross-Weltmeisterschaft
  • Nick Bloors ganz persönliche Triumph

Nick Bloor hatte Ende der 1990er-Jahre sein Ingenieurstudium abgeschlossen, bevor er bei Triumph Motorcycles in Hinckley einstieg. Er durchlief dort fast alle Abteilungen, und 2011 übernahm er von seinem Vater John Bloor die Geschäftsführung. MOTORRAD traf Nick Bloor im April 2023 bei der Neueröffnung von Triumph München in der dortigen Motorworld, zu der er als Triumph-CEO persönlich angereist war. Zusammen mit Natalie Kavafyan, bei der Triumph Motorrad Deutschland GmbH verantwortlich für Deutschland und Österreich, beantwortete Nick Bloor in unserem ausführlichen Interview alle aktuellen Fragen rund um die britische Motorradmarke.

Unsere Highlights
Triumph München Nick Bloor und Natalie Kavafyan und Rainer Dörr (04/2023)
Triumph
Triumph CEO Nick Bloor (links), Natalie Kavafyan von Triumph Motorrad Deutschland (Mitte) und Rainer Dörr von Triumph München (rechts) bei der Neueröffnung in der Münchener Motorworld im April 2023.

Triumph Motorcycles in Deutschland

Mister Bloor, man kann sich wohl kaum eine bessere Location für Triumph München vorstellen als hier in der Münchener Motorworld. Vermutlich sind Sie deshalb persönlich angereist zur Neueröffnung?

Nick Bloor: Ja, in der Tat. Dieser Ort hier ist wirklich unglaublich, spektakulär. Ich bin beeindruckt.

Wie ist denn insgesamt der aktuelle Stand beim Triumph-Händlernetz in Deutschland, und was ist geplant?

Natalie Kavafyan: Jetzt im Frühjahr 2023 feiern 10 neue Triumph-Händler in Deutschland und in Österreich Neueröffnung. Darüber hinaus liegen uns bereits unterschriebene Händlerverträge für drei weitere Standorte vor. Wir sind also dabei, Lücken in unserem Händlernetz zu schließen – und die größten Lücken haben wir bereits geschlossen. Mit unserem neuen Standort hier in München haben wir aktuell 52 Standorte in Deutschland. Bis Ende 2023 sollen es 58 sein, und maximal planen wir mit 60.

Nick Bloor: Dabei möchten wir nichts überstürzen, sondern sichergehen, dass wir die richtigen Partner finden, die zur Marke passen und dieselben Ziele erreichen wollen wie wir. Zudem achten wir darauf, dass sie dann auch betriebswirtschaftlich profitabel arbeiten können, nachdem sie investiert haben. Um unseren Kunden das beste Kauferlebnis bieten zu können.

Wie wichtig ist denn der deutsche Motorradmarkt für Triumph im internationalen Vergleich?

Nick Bloor: Triumph Deutschland war unsere erste Niederlassung außerhalb Großbritanniens, das sagt bereits viel darüber aus, wie wichtig der deutsche Markt für uns ist. Und in Deutschland sind die Qualitätsansprüche besonders hoch, das motiviert uns laufend, bestmögliche Qualität abzuliefern.

Und konkret nach Absatz, also nach verkauften Stückzahlen?

Nick Bloor: Da sieht die Reihenfolge aktuell so aus: USA auf 1, Frankreich auf 2, UK auf 3 und Deutschland auf 4 – dicht gefolgt von Italien.

Was ist typisch für deutsche Kunden?

Natalie Kavafyan: Neben den allgemein besonders hohen Qualitätsansprüchen sind es auch besonders hohe Erwartungen an die Händler: Möglichst dichtes Händlernetz, also geringe Entfernung zum nächsten Standort, dort soll dann perfekte Servicequalität geboten werden – aber teuer darf es nicht sein.

2022 war das beliebteste Triumph-Modell in Deutschland die Trident 660 mit fast 1.000 Neuzulassungen. Wie wär’s denn mit einer Trident 900?

Nick Bloor: Die Trident 660 ist ein phänomenaler Erfolg für uns. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Wir sind super happy damit, wie sie läuft. Und dass es naheliegend ist, erfolgreiche Plattformen auszubauen, ist klar. Natürlich überlegen wir uns, welche Optionen wir da haben. Ich kann da aber jetzt nicht ins Detail gehen.

In den letzten drei Jahren, 2020, 2021 und 2022, wurden jeweils annähernd genau 6.000 Triumph-Motorräder in Deutschland neu zugelassen. Wir unterstellen jetzt mal, dass diese Zahl gesteigert werden soll. Wie?

Natalie Kavafyan: Wegen der bisher offenen Lücken in unserem Händlernetz blieb da einiges an Potenzial ungenutzt. Deswegen sind wir ja so nachdrücklich dabei, das auszubauen und zu verbessern, denn das ist für uns die Voraussetzung, um weiter wachsen zu können. Zudem wollen und werden wir unser bereits sehr breites Modellprogramm noch mehr erweitern. Doch im Moment hat das Händlernetz für uns oberste Priorität.

Triumph Tiger 1200 und Tiger 900

Eigentlich müsste in Deutschland ja die Tiger 1200 das wichtigste Modell für Triumph sein. Von der 2022 erschienenen neuen Version hatten wir mehr erwartet, auch in Stückzahlen. Wie schätzen Sie das ein?

Nick Bloor: Verglichen mit dem Vorgängermodell der Tiger 1200 haben sich die Stückzahlen und die Marktanteile nahezu verdoppelt. Das sind durchaus ordentliche Fortschritte, wie wir finden. Zumal dieses Marktsegment eines der am härtesten umkämpften ist. Sich aus diesem Kuchen ein noch größeres Stück herauszuschneiden, erscheint umso schwieriger, wenn man sieht, welche starken Marken und welche fantastischen Modelle da inzwischen unterwegs sind.

Natalie Kavafyan: Immerhin war die Tiger 1200 im Jahr 2022 die zweitbeliebteste Triumph in Deutschland hinter der Trident, mit über 700 Neuzulassungen. Und das, obwohl sie erst Ende Mai 2022 und somit recht spät in der Saison in den Handel kam.

Ein Aspekt, der dabei mitschwingt, ist das sogenannte T-Plane-Konzept, der Hubzapfenversatz mit ungleichmäßiger Zündfolge bei den Dreizylindermotoren der Tiger 900 und Tiger 1200. Was sprach beziehungsweise spricht dafür?

Nick Bloor: Eigenständiger Motorcharakter und Vorteile beim Fahren im Gelände, in dieser Kombination ist das T-Plane-Konzept ideal für die Tiger-Modelle. Bei der Tiger 900 haben sich die Verkaufszahlen damit positiv entwickelt, und die uns vorliegenden Rückmeldungen von Kunden sind ebenfalls positiv. Als wir überlegten, wie wir die Tiger 1200 ebenfalls besser und zugleich eigenständiger machen können, erschien uns das Übertragen des T-Plane-Konzepts naheliegend. Und auch da kommt es bei den Kunden gut an.

Die Entscheidung pro T-Plane-Kurbeltrieb bei den Tigern würde also wieder so getroffen werden?

Nick Bloor: Ja.

Noch eine Frage zur Tiger 1200: Für wie entscheidend halten Sie den Kardan-Endantrieb bei diesem Modell?

Nick Bloor: Selbstverständlich haben wir im Vorfeld geforscht, was die Kunden wollen, brauchen oder erwarten. Und dabei kam mal wieder heraus, dass die meisten Vielfahrer und Langstreckenfahrer die laufende Kettenpflege als lästig empfinden. Andererseits wünschen sie sich aber auch, dass ihre Reiseenduro nicht allzu schwer wird. Entsprechend groß ist die technische Herausforderung, einen Kardan-Endantrieb zu konstruieren, der eben nicht schwer ist.

Und die jeweils sechs Modellvarianten bei den Tiger-Modellen? Von Kunden und von Händlern haben wir schon öfter gehört, dass das zu viele seien, und dass die Auswahl damit unübersichtlich werde. Wird Triumph trotzdem daran festhalten?

Nick Bloor: Diese Modelle bieten wir ja weltweit an, und es gibt regional unterschiedliche Vorlieben. In den USA tickt die Adventure-Klientel anders als in Europa. Wir versuchen genau zu verstehen, was die Leute wollen und stellen dann entsprechende Pakete zusammen. Ja, wir werden das so beibehalten.

Triumph und Bajaj: neue Modelle unter 500 Kubik

Ganz neu für Triumph und deshalb logischerweise mit Wachstumspotenzial verbunden ist das Hubraumsegment unter 500 Kubik. Angekündigt wurde die Entwicklung entsprechender Modelle schon 2020 in Kooperation mit Bajaj in Indien. Inzwischen waren Erlkönigfotos von den neuen Einzylinder-Modellen zu sehen. Wie ist da der aktuelle Stand?

Nick Bloor: Unsere Partnerschaft mit Bajaj ist ja bekannt, und die Modelle, die daraus entstehen, entwickeln sich prächtig. Es freut uns zu sehen, dass das Interesse daran groß ist, dass viel darüber berichtet und diskutiert wird.

Werden diese Modelle 2023 offiziell präsentiert? Alle mit Einzylindermotor?

Nick Bloor: Ja. Wir wollen die Geduld nicht überstrapazieren, es wird schon bald soweit sein. Mit mindestens einem Zylinder (lacht).

Okay, wir sind gespannt und freuen uns darauf. Aber ein Dreizylinder unterhalb 660 Kubik ist kein Thema, oder etwa doch?

Nick Bloor: Unterhalb 660 Kubik fokussieren wir uns komplett auf die bereits erwähnten Modelle, die schon unterwegs sind.

Die Partnerschaft mit Bajaj, soll die noch enger werden? Den Triumph-Vertrieb in Indien hat Bajaj bereits übernommen. Und KTM-Chef Stefan Pierer äußerte kürzlich im MOTORRAD-Interview seine Vermutung, Bajaj wolle Triumph komplett übernehmen – was sagen Sie dazu?

Nick Bloor: Eigentlich mag ich das gar nicht kommentieren. Na gut, ich tu’s trotzdem: Nein, das wird nicht passieren. Triumph entwickelt sich unglaublich gut, wir wachsen seit den 1990er-Jahren. Wir haben fantastische Produkte, und es werden weitere fantastische Produkte hinzukommen. Da gibt es überhaupt keinen Grund, die Unternehmensstruktur zu verändern. Wir sind froh, dass wir eine unabhängige Firma in Privatbesitz sind, und so wird das bleiben.

Triumph in Indien, China, Thailand und England

Von Indien nach China: Einige Motorradhersteller, etwa KTM, BMW und neuerdings auch Harley-Davidson haben separate Strategien für China, jeweils mit einem chinesischen Partner. Ist das für Triumph ebenfalls geplant?

Nick Bloor: Wir haben eine Vertriebsstrategie in und für China, und wir sind zufrieden damit, wie das dort läuft. Ob wir zukünftig weitere Optionen für uns nutzen, das wägen wir selbstverständlich ab und bewerten es laufend neu. Bis auf Weiteres sind wir gut aufgestellt mit unseren drei Werken in Thailand und mit unserem Partner Bajaj in Indien. Wie wichtig und wertvoll das flexible logistische Zusammenspiel unserer Werke ist, das haben wir in den drei vergangenen turbulenten Jahren umso deutlicher gesehen.

Royal Enfield, die ursprünglich englische Motorradmarke aus Indien, hat in England, in der Nähe des Triumph-Stammsitzes Hinckley, ein Entwicklungszentrum errichtet und entwickelt dort neue Modelle. Sogar ehemalige Triumph-Mitarbeiter sind beteiligt. Ähnlich geht nun auch der indische Hersteller Mahindra mit der alten englischen Motorradmarke BSA vor. Wie finden Sie das?

Nick Bloor: Ich freue mich über den Wettbewerb, denn das macht Modern Classics-Motorräder noch interessanter, und noch mehr Leute werden darauf aufmerksam. Für die Motorradszene, gesamthaft, ist das gut. Außerdem erschließen wir ja andere, zusätzliche Felder, um mit Triumph weiter zu wachsen.

Triumph und die elektrische Zukunft

Mit elektrischen Konzepten könnte Triumph ebenfalls wachsen. Es gibt ja bereits das vielversprechende Konzept TE-1, doch das liegt nun auf Eis, beziehungsweise es wird doch nichts daraus.

Nick Bloor: Die TE-1 war von Anfang an als Studie angelegt, mit der wir, zusammen mit Partnern, forschen und lernen wollten. Ein voll funktionstaugliches und fahrtüchtiges Motorrad, aber nicht als Serienprodukt, sondern als Konzept. Damit haben wir Erfahrungen gesammelt, wie geplant. Und diese Erfahrungen fließen in künftige Entwicklungen ein.

Elektrische Modelle von Triumph sind also nicht vom Tisch?

Nick Bloor: Natürlich nicht. Wir müssen uns damit beschäftigen und investieren, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Für Details hierzu ist es noch zu früh. Wir haben im letzten Jahr ja bereits die Firma Oset übernommen, die vornehmlich Elektro-Fahrzeuge produziert und verkauft. Im Grunde sind wir somit bereits in den Elektro-Markt eingestiegen.

Und Roller beziehungsweise Scooter? Unabhängig von der Art des Antriebs – könnte auch das ein neues Feld für Triumph sein?

Nick Bloor: Wir schließen keine Option aus. Ich werde das also weder mit Ja noch mit Nein beantworten. Aber wenn, dann würden wir das auf unsere Art, also nach Triumph-Art anpacken.

Triumph in der Moto2-Weltmeisterschaft

Sportlich aktiv ist Triumph in der Moto2-Weltmeisterschaft als offizieller Motorenlieferant, mit dem 765er-Dreizylinder. Inwieweit hat Triumph bisher von diesem Engagement profitiert?

Nick Bloor: Unsere Street Triple-Modelle, besonders die sportlichen Modellvarianten, sind sehr gefragt. Wir kommen kaum mit den Auslieferungen hinterher. Und die Moto2 Limited Edition war auch ziemlich schnell ausverkauft.

Sind Sie sicher, dass die Nachfrage nach den Naked Bikes vom Moto2-Engagement beeinflusst wird?

Nick Bloor: Daran habe ich keinerlei Zweifel.

Wie wär’s dann konsequenterweise mit einem wirklich sportlichen Modell, also mit einer neuen Daytona? Diesmal nicht als Limited Edition, sondern als Serienmodell?

Nick Bloor: Wer weiß, vielleicht lauert die schon hinter der nächsten Kurve?

Triumph in der Motocross-Weltmeisterschaft

Zudem wird Triumph 2024 in den Motocross-Sport einsteigen, in der Weltmeisterschaft und in der US-Meisterschaft, mit zwei Werks-Teams in den 250er-Klassen. Was versprechen Sie sich davon?

Nick Bloor: Ja, wir starten hier 2024, und das ist sehr spannend. Dabei handelt es sich um eine sehr große Zielgruppe, die wir mit Triumph bisher nicht ansprechen. Wir werden Rennen fahren und unser Motorrad, unsere Marke weltweit einem Millionenpublikum präsentieren.

Also weiteres Wachstumspotenzial für Triumph?

Nick Bloor: Ganz genau.

Sind an diesem Projekt Partner beteiligt, oder handelt es sich bei der Motocross-Triumph um eine eigene Neuentwicklung?

Nick Bloor: Wir entwickeln sie selbst.

Nick Bloors ganz persönliche Triumph

Unsere letzte Frage ist eine persönliche: Fährt Nick Bloor überhaupt Motorrad, auch privat? Falls ja, welches Modell?

Nick Bloor: Ja, das tue ich. In meiner privaten Garage steht eine Triumph Bonneville T 120 Black. Mit ein paar Custom-Teilen dran. Selbstverständlich fahre ich ansonsten alle Modelle, aber bei mir zuhause, da habe ich meine Bonneville.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023