Moderne Technik und scharfe Optik – 125er sind so attraktiv wie nie zuvor. Stellt sich nur die Frage, welche der Maschinen beim Nachwuchs das Feuer für sportliche Motorräder am heftigsten entflammt...
Moderne Technik und scharfe Optik – 125er sind so attraktiv wie nie zuvor. Stellt sich nur die Frage, welche der Maschinen beim Nachwuchs das Feuer für sportliche Motorräder am heftigsten entflammt...
Wenn um 13 Uhr die Schulglocke laut bimmelnd das Ende des täglichen Bildungs-Martyriums verkündet, hetzen viele Schüler auf den nächsten Bus oder eilen zur Bahn. Manche legen die Fesseln der fremdbestimmten Fortbewegung auch ab und schwingen sich aufs Fahrrad oder auf einen Roller. Und einige, die dem Charme eines 45-km/h-Rollers zu trotzen gewusst haben, steigen sogar auf ein Motorrad. Keine 80er oder so etwas. Sondern ein richtiges, waschechtes Motorrad.
Seit 2013 dürfen 125er ohne Drosselung, also ohne Höchstgeschwindigkeitsbeschränkung unterwegs sein. Der Gesetzgeber definiert allerdings eine Obergrenze für die Motorleistung von 11 kW (15 PS) und legt ein zulässiges Leistungsgewicht von 0,1 kW pro Kilogramm Fahrzeuggewicht fest. Federleichte Zweitakter mit über 30 PS und Straßenzulassung vom Schlage einer Cagiva Mito sind daher von der Bildfläche verschwunden. Stattdessen hält der Markt ein großes Angebot schicker Viertaktmaschinen bereit, das von der Jugend gerne angenommen wird. Ganze 23 000 Neuzulassungen gab es letztes Jahr im 125er-Bereich. Unangefochten an der Spitze der Verkaufszahlen bewegen sich Yamaha und KTM, doch andere Hersteller mischen ebenfalls mit.
Problemlos findet sich in der Tiefgarage der Redaktion ein Quartett sportlicher Achtellitermaschinen zusammen, die der Laie erst auf den zweiten Blick als sogenannte Leichtkrafträder zu identifizieren vermag. Allen voran die Aprilia RS 125 sieht schwer nach großvolumigem Superbike aus. Mit von der Testpartie sind weiterhin Yamahas Top-Seller YZF-R 125, die knallorangene KTM RC 125 sowie die brandneue Suzuki GSX-R 125.
Da die Gefahr droht, dass die Meinungen und Urteile leistungsverwöhnter PS-Tester an der Denkweise der Zielgruppe vorbeigehen, haben wir uns Verstärkung ins Boot geholt. Mika Folk ist 16 Jahre alt, befindet sich seit drei Wochen im Besitz des A1-Führerscheins und hat seitdem schon knapp 2000 Kilometer auf seiner Beta abgespult. Das kann nur unser Mann sein! An der Aprilia läuft er erst mal schnurstracks vorbei. „Hat ein Kumpel, die kenne ich schon.“ Schließlich wählt er die Yamaha, und wir anderen verteilen uns auf die übrigen Bikes. Knapp 100 Kilometer sind es von Stuttgart aus über Landstraßen bis nach Walldorf bei Hockenheim, wo wir am Nachmittag mit den 125ern eine Kartbahn unter die Räder nehmen wollen.
Das Verkehrschaos der baden-württembergischen Landeshauptstadt stellt gewissermaßen die erste Wertungsprüfung. Flink, aber unauffällig schneiden wir durch den Verkehr und fahren durch die Staukolonnen an den Ampeln vor bis zur weißen Haltelinie. Mika kommt aus der ländlichen Schwarzwald-Region und kann angesichts der Stuttgarter Rushhour nur den Kopf schütteln: „Voll übel hier!“ Endlich springt die Ampel auf Grün, und die vier 125-Kubik-Sportler geben Gummi. Kurz darauf befahren wir endlich kleine Landstraßen mit überschaubarem Autoaufkommen. Wir tauschen zum ersten Mal die Motorräder durch, und Mika muss die Yamaha weitergeben. „Gefällt mir vom Aussehen her wirklich gut“, urteilt er über die YZF-R 125. Obwohl unserem groß gewachsenen Gasttester die Sitzposition mit reichhaltigem Platzangebot entgegenkommt, sind ihm die Lenkerstummel der Yam zu schmal. „Auf Dauer für mich etwas unbequem“, notiert er. Die Motorpower und das Kurvenverhalten bewertet er als „gut“. Recht hat er! Flink brennt die Yamaha um Kurven, ohne irgendwo einen defizitären Eindruck zu hinterlassen.
Also rauf auf die nächste 125er. In Sachen Ergonomie gefällt die KTM RC 125 den meisten Testern am besten. Der „Kürbis“ (KTMs werden aufgrund ihrer angestammten Farbgebung im Jargon manchmal so genannt) hat mit Abstand die breitesten und am höchsten angebrachten Lenkerhälften. Große Fahrer sind noch eine Spur komfortabler untergebracht als auf der sportlicher ausgelegten Yamaha. Bei der Ausstattung legt die KTM weiter vor. Der umfangreiche Bordcomputer zeigt viele Infos und hat außerdem eine praktische Ganganzeige. Als Alleinstellungsmerkmal in dieser Klasse besitzt die RC sogar mehrfach einstellbare Handhebel. Mika beschreibt, dass ihm die RC ein sehr sicheres Fahrgefühl vermittelt. Obwohl das Fahrzeugheck beim Einfedern im Stand hoffnungslos unterdämpft wirkt, stimmen Balance und Dämpfungsverhalten bei der Fahrt. Zwar bietet keine der 125er ein einstellbares Fahrwerk, doch reicht ein gut funktionierendes Grundsetup wie bei der KTM bei Achtellitermaschinen auch völlig aus. Ein Teil des sicheren und satten Fahrgefühls, das die RC 125 in der Tat vermittelt, ist sicherlich auf ihre fette Bereifung zurückzuführen. Einen 150er-Pneu am Hinterrad trägt nur die KTM, die anderen Maschinen aus dem Testfeld sind mit schmaleren 130ern bereift.
Die 125er-PS-Testdelegation bewegt sich am Großraum Heilbronn vorbei weiter in Richtung Hockenheim. Unterwegs liefern wir uns Windschattenduelle und distanzieren die Aprilia RS 125 immer um einige Meter, sobald sich eine leichte Steigung ankündigt. Der RS-Motor geht auf einen von Derbi gebauten Antrieb zurück. Mittlerweile wird er von Zongshen in China gefertigt und verrichtet seinen Dienst noch in weiteren 125er-Motorrädern, beispielsweise in Enduros von Zündapp oder Mondial. Der Einzylinder produziert recht starke Vibrationen und will zwischen 9000 und 11000/min bei Laune gehalten werden. Verpasst der Fahrer dieses Fenster, gewinnen die Yamaha, die KTM und die Suzuki Meter. Testfahrer Mika bescheinigt der RS vergleichsweise magere Fahrleistungen und trifft damit ins Schwarze. Bei den Beschleunigungs- und Durchzugswerten hinkt die Aprilia hinterher. Im Gegensatz zu den drei anderen 125ern fällt beim Anfahren noch dazu die weniger gut dosierbare Kupplung auf. Da heißt es wachsam sein, um die RS nicht womöglich vor versammelter Mannschaft auf den ersten zwei Metern abzuwürgen. So was kommt auf dem Schulhof verdammt peinlich! Schade, denn die an das Superbike RSV4 angelehnte Optik und das präzise Fahrverhalten sprechen ansonsten für die Aprilia.
Ein letzter Motorradwechsel vor dem Kartbahn-Ausflug rückt die neue Suzuki GSX-R 125 in den Fokus. Sitzprobe. Ganz so ernst wie die drei anderen Kandidatinnen scheint „die Minigixxer“ das Thema Sport nicht zu verfolgen. Während der Fahrer auf der Yamaha, der KTM und der Aprilia eine leicht gebückte, vorderradorientierte Haltung einnimmt, erwartet ihn auf der Suzuki eine gemäßigte Sitzposition mit aufrechter Körperhaltung.
Und der Motor? Sobald die kleine Gixxer mal läuft, gefällt der angenehm dumpf klingende Einzylinder mit hoher Laufkultur. Vorher hilft ein eingehendes Studium der Bedienungsanleitung dabei, das „Keyless-Startsystem mit Schlüssel“ zu verstehen. Der Zündschlüssel verbleibt nämlich in der Maschine und wird eigentlich nur zum Öffnen des Tankdeckels abgezogen. Ohne den separaten Transponder kann die Zündung aber nicht eingeschaltet und die Maschine nicht gestartet werden. Fragezeichen über den Köpfen. Die Vorteile dieses Systems können wir nicht ergründen und wenden uns lieber wieder dem Motor zu. Motiviert hängt die Suzi am Gas und fühlt sich spritzig an, was an ihrem niedrigen Gesamtgewicht liegt. Im Vergleich mit der KTM RC 125 bringt die Minigixxer über 20 Kilogramm weniger auf die Waage. Mika ist begeistert und lobt das leichte Handling der Suzuki. Dem selbstbewussten Auftritt der drei anderen Bikes hat die schmale GSX-R mit ihrer dürren Teleskopgabel und dem 90er-Vorderreifen dafür wenig entgegenzusetzen.
Endlich auf der Kartbahn angekommen, wird es ernst. Alle Motorräder wurden vorab mit haftfreudigen Metzeler Sportec Street-Reifen (mit Ausnahme der KTM, die mit einem Metzeler M7 RR bereift ist) ausgerüstet, um eine faire Bewertungsgrundlage und Vergleichbarkeit zu schaffen. Die meiste Zeit über heulen die 125er auf der engen Strecke im zweiten Gang dem Drehzahlbegrenzer entgegen. Nur an einer Stelle des kleinen Kurses lohnt es sich, kurzzeitig die dritte Gangstufe einzulegen. Überholmanöver sind auf der engen Bahn sauschwierig und fast nur möglich, wenn sich ein Fahrer einen groben Fehler leistet. Unterschiede zwischen den vier Bikes lassen sich dennoch herausfiltern. Die Aprilia fährt präzise und lenkt richtig scharf ein. Ihr Leistungsmangel im unteren Drehzahlbereich stört weniger, denn auf dem Rundkurs heißt es permanent Dauerfeuer! Wie schon auf der Landstraße vermittelt die KTM ein sicheres und ausgewogenes Fahrgefühl, erreicht aber nicht die Zielgenauigkeit der Aprilia oder der Yamaha. Die Suzuki begeistert mit ihrem quirligen Motor, der als einziger eine hübsche Portion Überdrehreserven an den Tag legt. So kann das Gas an einigen Stellen einfach gehalten werden, um einen Gangwechsel zu sparen.
Auf der anderen Seite lenkt die GSX-R mit ihrem schmalen Vorderrad widerspenstig ein, sträubt sich etwas gegen Schräglage und wirkt in der Kurve kippeliger als der Rest. Auch die Yamaha leistet sich einen Schnitzer. Ihre Gabel spricht stellenweise unsauber an und stuckert. In einer bestimmten Linkskurve zeigt das Vorderrad immer wieder rüttelnd den Grenzbereich auf. Durchweg Positives gibt es von den Antiblockiersystemen zu berichten, die allesamt fein regeln. Außerdem halten alle Bremsanlagen den verstärkten Belastungen auf der Kartbahn stand. Festzuhalten bleibt aber, dass keine der 125er sportlich-scharf verzögert. Während die KTM und die Yamaha dafür immer noch einen tollen Druckpunkt liefern, wirken die Bremsen der Aprilia und der Suzuki teigiger.Auf dem Rückweg in die Redaktion schlagen wir den schnellsten Weg über die Autobahn ein. Und danach stellt sich die spannendste Frage überhaupt: Welche der vier Maschinen hat denn nun die Nase vorn? Einstimmiges Urteil: die KTM! Doch Mika, der von uns allen am wenigsten verwöhnt ist, würde auch die anderen drei nehmen.
1. KTM RC 125
Motor und Bremse überzeugen, und die Ausstattung ist top. Auch optisch liefert die KTM mit ihren wilden Ecken, Kanten und den knallorangenen Rädern einen Leckerbissen.
2. Yamaha YZF-R 125
Wer für eine sportliche 125er brennt, kommt an ihr nicht vorbei. Die YZF-R 125 kann alles, auch wenn der Kartbahn-Test eine Schwäche in der Abstimmung der Federung aufdeckte.
3. Suzuki GSX-R 125
Sahnestück ist ihr kultivierter und quirliger Motor, aber mit der dünnen Teleskopgabel und dem schmalen Vorderrad büßt die GSX-R „Street credibility“ ein.
4. Aprilia RS 125
Motor und Bremse der Aprilia können die Konkurrenz leider nicht überragen.