Vorstellung: MotoCzysz C1

Vorstellung: MotoCzysz C1 Crazy World

Die spinnen, die Amis, allen voran Micheal Czysz. Der will mit seiner C1 am Rad der Geschichte drehen oder genauer gesagt das Motorrad neu erfinden und wirft alle Vorstellungen von bewährter Technik über den Haufen.

Crazy World Bernard

Der Traum vom selbst gebauten Motorrad spukt im Kopf von so manchem Zweiradverrückten. Doch nur ganz wenige nehmen diese Herausforderung tatsächlich an, und kaum einer zieht ein solches Mammutprojekt bis zum Ende durch. Einige scheiterten sogar noch beim Endspurt auf der Zielgeraden. Nicht so der Amerikaner Michael Czysz aus Portland in Oregon, der sein Projekt mit großem Engagement anging und bis jetzt bereits einen fahrbereiten Prototypen geschaffen hat.
Umso erstaunlicher ist das Ganze, weil es in Amerika als geradezu unmöglich gilt, ein konkurrenzfähiges Supersport-Motorrad auf die Räder zu stellen. Ein Versuch, an dem selbst schon Harley-Davidson kläglich scheiterte. Czysz’ C1 genanntes Superbike, das mit höchst außergewöhnlicher Technik aufwartet und nicht weniger als dreizehn Patente in sich vereint, soll dagegen sogar beim amerikanischen MotoGP-Lauf in Laguna Seca Anfang Juli dieses Jahres mit einer Wild Card an den Start gehen.
Inspirieren ließ sich der 40-jährige Architekt und ehemalige Amateur-Rennfahrer bei einem Besuch der Ausstellung »Art of the Motorcycle« im Guggenheim-Museum in Las Vegas. Speziell die Britten V 1000 zog ihn magisch in ihren Bann. Erstaunt stellte er fest, dass der Neuseeländer John Britten der letzte Privatmann war, der Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre etablierte Firmen herausgefordert und in Eigenregie ein wettbewerbsfähiges Motorrad gebaut hatte. Brittens Innovationsdrang, die unbekümmerte Art und Weise, Probleme anzugehen und ein Motorrad unter den extremen Bedingungen auf der Rennstrecke zum Laufen zu bringen, nötigten Michael Czysz höchsten Respekt und Bewunderung ab und stachelten seinen persönlichen Ehrgeiz an.
Die Grundlage für das hoch ambitionierte Projekt bildete der wirtschaftliche Erfolg seines Architekturbüros. Der eigentlichen Entwicklungsphase ging der Erfahrungsaustausch mit Größen der Rennszene wie dem renommierten Tuner Erv Kanemoto, dem
vierfachen 500er-Weltmeister Eddie Lawson und vielen anderen voraus. Anschließend warb Czysz Ingenieure an und schloss Verträge mit metallverarbeitenden Betrieben, Kohlefaserspezialisten sowie Herstellern von Motorradteilen.
Ursprünglich für den Einsatz in der amerikanischen Suberbike-Meisterschaft geplant, machte das Reglement des amerikanischen Verbandes AMA, das die Produktion von 300 Maschinen verlangt, dem Einzelkämpfer einen Strich durch die Rechnung. So fiel die Wahl zwangsläufig auf die MotoGP-Klasse. Doch was versetzt den Mann aus Oregon in den Glauben, gegen die etablierten Hersteller bestehen zu können, wo selbst Suzuki und Kawasaki und Kenny Roberts mit Proton hinterherfahren? »Pure Ignoranz«, erklärt er lächelnd, um ernsthafter fortzufahren: »Wir können die Japaner nie schlagen, wenn wir den gleichen Weg wählen.«
Czysz tritt die Flucht nach vorn an, indem er auf Innovation setzt, auf ein Überdenken aller wesentlichen Teile. Deshalb wählten die Konstrukteure nicht den konventionellen Weg, etwa mit
einem Reihenvierzylinder, sondern stellten jegliche gängige technische Lösung auf den Prüfstand. Auf diese Weise entstand ein rundum eigenständiges Motorrad, weit radikaler als alle aktuellen Supersportler oder MotoGP-Bikes.
Allem voran das Triebwerk. Zwei längs eingebaute Zweizylindereinheiten sind, quasi auf zwei verschiedenen Stockwerken, schräg nach vorn und seitlich im Winkel von 15 Grad zueinander geneigt. Die beiden über Zahnräder gekoppelten Kurbelwellen
rotieren gegenläufig. Damit eliminieren sie das Reaktionsmoment der Kurbelwellen bei Drehzahländerungen sowie deren Kreiselkräfte. Ein Zahnradsatz zwischen den Zylindern treibt gleichzeitig die beiden oben liegenden Nockenwellen pro Zylinderreihe an. Immerhin bei der Anzahl der Ventile wählten die Konstrukteure mit je vier pro Zylinder eine konventionelle Lösung.
Dafür erfolgt die Kraftübertragung wieder umso unorthodoxer. Die Zahnradkaskade zwischen den beiden Zylinderpaaren setzt sich auch unterhalb der beiden Kurbelwellen fort und fungiert
als Primärantrieb. Direkt darunter liegt die Getriebeeingangswelle, an deren vorderem Ende die Trockenkupplung platziert ist. Eine weitere Ölbadkupplung am Getriebeausgang soll abhängig von der eingelegten Gangstufe das Bremsmoment des Motors elektronisch geregelt begrenzen. Auf gleicher Höhe, seitlich nach links versetzt, rotiert die zweite Getriebewelle. Am Getriebeausgang sitzt die Umlenkung der Kraftübertragung um 90 Grad mit zwei Kegelrädern. Von dort aus leiten zwei Zahnräder das Antriebsmoment auf Höhe der hinteren Kurbelwelle weiter, auf der auch die Schwingenlagerung im Motorgehäuse sitzt, und zwar koaxial zum Kettenritzel. Zwei Kühler, einer an der Front, der andere unter der Sitzbank, sorgen für thermisches Wohlbefinden.
Selbstverständlich machen die ungewöhnlichen Lösungen beim Fahrwerk nicht halt. Fast schon konventionell, wenngleich aufwendig und in der MotoGP-Klasse nur experimentell verwendet, mutet der Brückenrahmen aus Kohlefaser mit dem üppig
dimensionierten Steuerkopf an. An ihm stützt sich die Schwinge direkt über zwei Federn, nicht aber der separate Stoßdämpfer
ab. Der ist ähnlich der Konstruktion, die Honda an der RC 211 V und den 600er- und 1000er-Supersportlern einsetzt, am oberen Ende in der Schwinge gelagert und über eine Hebelumlenkung am Motor angelenkt.
Die Gabel, die auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche Telegabel aussieht, hat es ebenfalls in sich – oder eben nicht. Denn im Gegensatz zur herkömmlichen Konstruktion beinhaltet sie weder Federung noch Dämpfung. Beide Aufgaben nimmt ein Öhlins-
Federbein wahr. Das sitzt innerhalb des Steuerkopfs und stützt sich am Gabelstabilisator zwischen den beiden Gleitrohren ab. Die alleinige Führungsarbeit der Gabel optimiert zudem ein konstruktiver, wenn auch nicht neuer Trick. Nicht normale Gleitbuchsen, sondern wälzgelagerte Linearführungen sollen das Ansprechverhalten der Gabel durch minimale Losbrechkräfte verbessern. Nachlauf und Radstand lassen sich durch verschiedene Einsätze an der Klemmung der Vorderachse variieren. Innovationen über Innovationen, doch rechtfertigen die hoch gesteckten Erwartungen den immensen Aufwand?
Speziell das Fahrwerk zählt der Ziehvater der Idee zu den
Stärken seiner Konstruktion: »Unser Chassis ist besser, weil es mehr Möglichkeiten zur Feinabstimmung bietet.« Ebenso sieht er in der Aerodynamik der C1 klare Vorteile: »Der Luftwiderstand wird dank der kleineren Stirnfläche geringer sein. Weshalb unser Motorrad auch mit weniger Leistung konkurrenzfähig ist.« Wie steht
es überhaupt um die Leistung? Das gegenwärtige, japanischen
Straßenmotorrädern nachempfundene Zylinderkopf-Layout ist gut für 180 bis 200 PS. Erfahrene Entwicklungs- und Renningenieure sollen jedoch eine stärkere, Rev Two genannte Version entwickeln. Ob sich die 250 PS der Honda- und Ducati-Konkurrenz erreichen lassen, ist aber nicht sicher. »Wir streben das perfekte MotoGP-Motorrad an, so wie Kenny Roberts, der das allerdings über viele Jahre nicht geschafft hat. Doch ganz ehrlich, wenn wir das Rennen durchstehen, wäre das für uns bereits ein großer Erfolg.«
Einen ersten Fahreindruck konnte der fünfmalige amerikanischen 250er-Champ Rich Oliver bei Fotofahrten mit der C1
sammeln: »Wenn man sich beim Hanging-off auf dem Bike bewegt, spürt man schnell, wie schlank und handlich das Motorrad ist. Beim Richtungswechsel fühlt es sich wie eine 125er-Grand-Prix-Maschine an.« Bis zum richtigen Roll-out auf der Rennstrecke ist der Weg indes noch weit.
Und wird es auch eine C1 zu kaufen geben? Michael Czysz
argumentiert: »Nicht umsonst hat das Motorrad Scheinwerfer und einen Anlasser. Selbstverständlich muss eine veritable Motorradfabrik auch Motorräder verkaufen.« Zunächst ist der Bau von
50 Renn-Replikas zu einem Stückpreis von 100000 Dollar
geplant. 2006 soll eine Straßenversion folgen. Ehrgeizige Pläne
allenthalben, bleibt abzuwarten, was davon Realität wird. Eines ist dagegen bereits sicher: Im Rennen um das außergewöhnlichste Motorrad steht Michel Czysz schon jetzt auf der Pole Position.

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