Yamaha schickt eine Armee von acht Haudegen, darunter Driftkönig Garry McCoy (Foto), ins letzte Gefecht um die alte Zweitakt-Königsklasse. Mit der verbesserten YZR 500 sind sie bis an die Zähne bewaffnet.
Yamaha schickt eine Armee von acht Haudegen, darunter Driftkönig Garry McCoy (Foto), ins letzte Gefecht um die alte Zweitakt-Königsklasse. Mit der verbesserten YZR 500 sind sie bis an die Zähne bewaffnet.
»King of Slide nennen ihn seine Fans, weil Garry McCoy am liebsten mit rauchendem Hinterreifen aus den Kurven herausbeschleunigt. Jetzt rechnen sie damit, dass der kleine Australier statt einzelner Rennen die ganze Weltmeisterschaft in diesem Hurra-Stil gewinnt, weil er das Verständnis seiner Halbliter-Rakete weiter vertieft und mittlerweile auch genügend Mischungen seiner bevorzugten 16,50- Zoll-Reifen zur Verfügung hat, um überall und unter allen Temperatur- und Asphaltbedingungen schnell zu sein. »Schon Ende der letzten Saison war er sehr, sehr stark. Und bei den diesjährigen Frühjahrstests hat er auf jeder Strecke in kürzester Zeit Super-zeiten vorgelegt«, reibt sich Malcolm Pitman, technischer Manager des Red-Bull-Teams, die Hände.
Die umfangreichen Detailmodifikationen an der Yamaha YZR 500 tragen ihren Teil zum verbreiteten Optimismus bei. Das Fahrwerk vermittelt noch mehr Feedback und reagiert noch sensibler auf Änderungen am Set-up. Außerdem hängt der Motor feiner am Gas und zieht gleichmäßiger durch, was es McCoy leichter macht, die langen Drifts am Kurvenausgag zu kontrollieren.
Wenn McCoy der King of Slide ist, dann ist sein Red-Bull-Team das Kingdom of Slide denn auch sein neuer Teamkollege Noriyuki Haga hält ungern beide Räder in der Spur. Während McCoy am Kurvenausgang schwarze Striche hinzaubert, driftet Haga mit Vorliebe eingangs der Kurve. Der furchtlose Japaner, der bei der Superbike-WM in Monza einst vergessen hatte, dass die Strecke eine Schikane besitzt und deshalb mit Vollgas in die Strohballen steuerte, hat dazu gelernt. »Bei den ersten paar Tests ist er noch aus dem Sattel gepurzelt, räumt Malcolm Pitman ein. »Doch das war seine Art, das Motorrad kennen zu lernen. Jetzt weiß er, dass eine 500er auf alle Manöver härter und giftiger reagiert und hat sich darauf eingestellt. Selbst Hagas berühmter Spruch, er hasse Zweitakter, ist längst revidiert: Seit er auch auf der 500er siegfähige Zeiten vorlegt, begeistert er sich für seinen neuen Job.
Das sind gute Aussichten für seinen Arbeitgeber Yamaha. Weil 2001 wohl die letzte Chance ist, den Titel mit einer echten, klassischen 500er einzuheimsen, bevor 2002 mehr als 200 PS starke Viertakter auf die Menschheit los gelassen werden, legen sich die Japaner mit einem nie da gewesenen Kraftakt ins Zeug. Vier Teams mit insgesamt acht Fahrern gehen mit der Werks-YZR 500 in die letzte Schlacht der alten Königsklasse, und mindestens sieben davon sind beinharte Kämpfer nur der Andalusier Jose-Luis Cardoso, Neuling im Antena 3-Team des Spaniers Luis dAntin, hinkt derzeit noch etwas hinterher.
Anders sein Teamkollege Norick Abe. Dass das einstige Wunderkind auf seine alten Rennfahrertage noch die hohe Kunst der Abstimmung erlernt und auf allen Strecken vorne mitfährt, ist zwar nicht mehr zu erwarten. Doch beim Heimspiel in Suzuka lief Abe schon immer zu außergewöhnlicher Form auf, und falls das langmähnige Jugendidol dort am 8. April zum Saisonauftakt wieder gewinnt, so hat das für die Markengefährten sicher Signalwirkung.
Vor allem für Olivier Jacque und Shinya Nakano im franzöischen Tech 3-Team, die die wahren Qualitäten der YZR 500 erst noch ausloten müssen. Der scharfsinnige und feinfühlige Nakano ist seinem Teamkollegen einen Schritt voraus, weil er sich bei allen Tests kluge Zurückhaltung auferlegte. »Nakano ist sehr japanisch in seiner Vorgehensweise. Er bricht nichts übers Knie und gibt erst Gas, wenn er ein neues Set-up verstanden hat«, erklärt Teamchef Hervé Poncharal. 250er-Champion Olivier Jacque verschaltete sich dagegen bei den Januar-Tests in Malaysia, stürzte und brach das rechte Handgelenk. Zum GP-Auftakt wird er aber wieder fit sein.
Beim Thema WM-Titel ist Max Biaggi die Nummer eins der Yamaha-Riege. In seinen ersten drei Halbliter-Jahren stand er sich vor allem selbst im Weg. Als bisweilen unausstehlicher Egozentriker lotete er bei Werk und Technikern, Sponsoren und Medien systematisch aus, wie weit er sich mit seinen Forderungen und Launen aus dem Fenster lehnen konnte und reizte sein Umfeld bisweilen bis aufs Blut. Erst Mitte der vergangenen Saison begann er einzusehen, dass auch er sich als Team-Player einfügen muss, um Erfolge zu haben. »Was sich geändert hat? Nichts - nur seine Einstellung, flüsterte ein Marlboro-Yamaha-Mechaniker, als Biaggi nach einer Niederlagenserie im August 2000 plötzlich mit dem Sieg in Brünn aufwartete.
Alle anderen Voraussetzungen zum Erfolg sind gegeben. Selbst ein Leistungsmanko wird demnächst vollends ausgebügelt: Derbi-Konstrukteur Harald Bartol wurde von Yamaha zur Weiterentwicklung der Zweitaktmotoren engagiert und sorgte mit den ersten Zylinder-Mustern, die er den Japanern schickte, auf Anhieb für begeisterten Applaus. »Dabei bin ich selbst noch lange nicht zufrieden. In erster Linie fehlts dem Motor an Überdrehbarkeit. Bei hohen Drehzahlen geht die Leistung in den Keller, bei 13000/min steht der Motor endgültig an. Die Honda-Piloten müssen viel weniger schalten, schildert Bartol. »Auch im ganz unteren Drehzahlbereich, so ab 5500/min, müssen wir zulegen.
Biaggi hat mit seinem ewigen Lamento, Honda würde beim Beschleunigen davonziehen und sei immer noch das Top-Gerät der Liga, laut Bartol »nicht ganz unrecht. Doch mittlerweile hat sich seine Kritik in konstruktive Mitarbeit verwandelt. Der Italiener macht bei Tests präzise Aussagen und ruft mindestens zweimal die Woche bei Harald Bartol in Österreich an, um sich nach den technischen Fortschritten zu erkundigen.
Mit seiner feinen Gashand und seinem soliden Verständnis für die Abstimmung hat Max Biaggi sicher das Zeug zum Meister. Bei seinem sturzfreudigen Teamkollegen Carlos Checa sind sich die Beobachter allerdings nicht so sicher. »Wir haben ihm beim letzten Test Zylinder mit völlig anderer Charakteristik eingebaut, verrät Harald Bartol. »Doch einen Unterschied hat er nicht gemerkt. Das hat mir zu denken gegeben...
Fahrwerk Aluminium-Brückenrahmen mit Aluminium-Kastenschwinge, beide Teile aus Alublechen und gefrästen Elementen verschweißt, Marchesini-Magnesium-17-Zoll-Felgen vorn und hinten, optional 16,50 Zoll hinten, Michelin-Reifen, Brembo-Kohlefaser-Doppelscheibenbremsanlage mit radial verschraubten Vierkolbensätteln vorn, Ø 320 mm, Stahlscheiben optional (z.B. bei Regen), Brembo-Stahlscheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Öhlins-Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 42 mm, 120 mm Federweg, Öhlins-Federbein mit progressivem Hebelsystem, 110 mm Federweg, Lenkkopfwinkel, Nachlauf und Schwingenlagerung verstellbarMotor Wassergekühlter Vierzylinder-Zweitaktmotor mit Membraneinlass ins Kurbelgehäuse, vier Keihin-Vergaser mit Powerjets und elektronisch geregeltem Yamaha-Power-Valve-Auslasssystem, 90-Grad-Zündfolge, 190 PS bei 12 500/min, programmierbares SteuergerätSonstiges Gesamtgewicht 131 kg. Gesamtbetriebskosten inklusive Motorrad-Leasing zirka 2,5 Millionen US-Dollar pro Saison und Fahrer
500er-Yamaha-Piloten 2001Name Alter Start-NrGarry McCoy 28 5Noriyuki Haga 26 41Max Biaggi 29 3Carlos Checa 28 7Olivier Jacque 27 19Shinya Nakano 24 56Norick Abe 25 6Jose-Luis Cardoso 26 10GP-Starts GP-Siege WM-Titel34 6 01 0 0134 34 4105 2 080 7 134 6 092 3 094 0 0