Beratung <br>Reifenluftdruck
Reifen

Wer kontrolliert schon regelmäßig den Luftdruck?

Alles gepackt, vollgetankt, die Handschuhe übergestreift – Mist, vergessen, den Luftdruck zu kontrollieren. Na ja, wird schon stimmen. Und wenn nicht? Wenn dem Pneu in den letzten Wochen die Puste ausgegangen ist? Katastrophen-Szenario Nummer eins: Am Hinterradreifen löst sich bei hohem Tempo die Lauffläche ab, die Maschine schlingert, pendelt und kommt nur mit Mühe knitterfrei zum Stehen. Warum? Weil Reifen egal welcher Konstruktion bei zu geringem Luftdruck stark walken, sich durch die innere Reibung der Karkass-und Gürtellagen enorm erhitzen und sich letzendlich die aufvulkanisierte Lauffläche ablösen kann. Eine ziemlich heikle Panne.
So weit muss es nicht unbedingt kommen, doch ein zu geringer Druck hat noch andere Nachteile. Lenkpräzision und Handling verschlechtern sich durch den großen Latsch, also die Reifenaufstandsfläche, erheblich. Das Motorrad lenkt schwerfällig ein, benötig viel Kraft, um auf der gewünschten Linie zu bleiben. In Kurven kann sich das Motorrad aufschaukeln, mit Zuladung noch schlimmer als im Solobetrieb.
Apropos Zuladung: Es empfiehlt sich für Autobahntouren den vorgeschriebenen Luftdruck (siehe Herstellerangaben) um.0,2 bis 0,5 bar vorn und hinten zu erhöhen, um einer Überhitzung vorzubeugen. Ganz nebenbei senkt ein hoher Luftdruck durch den geringeren Rollwiderstand auch den Kraftstoffverbrauch.
In Sportfahrer-Kreisen dagegen wird oft mit niedrigerem Luftdruck experimentiert, um die Haftung zu verbessern. Doch die überwiegend verbauten Radial-Hinterradreifen mit 0-Grad-Gürtel benötigen einen relativ hohen Druck, um in schnell gefahrenen Kurven stabil und handlich zu bleiben. Im Gegensatz zu echten Rennsport-Reifen (Beispiel: Dunlop D 207 GP, Michelin Pilot Race) die aufgrund ihrer steifen Kreuzgürtellagen mit rund 2,0 bar vorn und hinten befüllt werden können, verlangen Straßen-Sportreifen (Beispiel: Bridgestone BT 56/SS, Dunlop D 207, Metzeler ME Z3, Michelin Pilot Sport, Pirelli MTR 01 / 02) auch auf der Rennstrecke nach mindesten 2,2 und 2,4 bar.
Enduro-Reifen dagegen bauen durch absenken des Drucks im Gelände tatsächlich eine bessere Traktion auf. Der Reifen läuft mit geringem Druck (zirka 1,2/1,4 bar) geschmeidiger über Unebenheiten, dämpft besser und kann sich in losem, trockenem Untergrund gut verzahnen. Bei Schlamm und Matsch hingegen ist auch damit nichts zu gewinnen, hier helfen nur grobe Stollen weiter.
Egal ob Enduro oder Race-Bike: auf keinen Fall ohne Ventilkappe fahren. Bei Sportlern besteht die Gefahr, dass bei hohem Tempo Luft entweicht (Fliehkräfte), bei Enduros, dass der Ventilssitz verschmutzt und undicht wird.
Der richtige Reifenluftdruck ist im Fahrerhandbuch vermerkt. Wer sicher gehen, will dass sein Pneu mit dem optimalem Druck befüllt ist, wendet sich an den Kundendienst des jeweiligen Reifenhersteller, der je nach Einsatzzweck und Bauart eine zuverlässige Empfehlung bereit hält.

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Reifenbauarten im Vergleich - Unterschiedliche Reifenkonstruktionen benötigen unterschiedlichen Luftdruck

Die Stabilität eines Reifens lässt sich zu einem über den Luftdruck beeinflussen, zum anderen hängen Tragfähigkeit und Steifigkeit von der Grundkonstruktion ab. So benötigen beispielsweise die Diagonalreifen (Skizze unten links) vieler Mittelklasse-Maschinen nur 1,9 bis 2,2 bar Luftdruck im Solobetrieb, um eine ausreichend gute Fahr-und Kurvenstabilität zu gewährleisten. Der Grund: Diagonalreifen besitzen eine mehrlagige, gekreuzte und enorm steife Karkasskonstruktion aus Kunstfasern. Moderne Radialreifen in Niederquerschnitts-Format hingegen weisen meist nur eine, quer zur Fahrrichtung angelegte Radialkarkasse über die eine 0-Grad-Gürtellage gewickelt ist, auf. Um die geforderte Stabilität und Tragfähigkeit zu erreichen, liegt hier der Luftdruck bei mindesten 2,3 und 2,5 bar. Als zusätzliche Versteifung der Seitenwand tragen in beiden Fällen die Umschläge der Karkasslagen um den Kernreiter bei.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023