Der PS-Sportreifentest 2013
6 Sportreifen im PS-Test

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Sportreifen sind auf der Straße unsere liebste Verbindung zum Asphalt. PS untersucht den aktuellen Jahrgang. Kann sich der letztjährige Überflieger Bridgestone S20 gegen den neuen Michelin Pilot Power 3 behaupten? Als Extra: Lust oder Frust - ist supersportliche Original-Bereifung im Nassen ein Risiko?

6 Sportreifen im PS-Test
Foto: Jahn

Schräglage und Speed sind das Salz in der Suppe unseres Brenner-Lebens. Dafür notwendig, ja sogar lebenswichtig: griffiger Gummi, der uns auf dem Asphalt hält. Sogenannte Sportreifen sind für alle sportlichen Landstraßen-Fräser daher die wichtigste Reifenkategorie.

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6 Sportreifen im PS-Test
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PS zog aus, um den aktuellen Sportpellen-Jahrgang im Trockenen und Nassen sowie auf Landstraße und Rennstrecke auf Herz und Nieren zu prüfen. Getestet wurden Reifen in der gängigen Dimension 120/70 ZR 17 und 190/55 ZR 17. Außerdem nahmen wir noch zwei Paar supersportliche Originalbereifungen unter die Lupe und checkten, ob diese Art der Erstbereifung Lust oder Frust bringt und eventuell sogar Risiken birgt. In PS 7/2013 folgt dann der große Tourenreifentest, in welchem wir sechs verschiedene Paarungen im Fokus haben.

Die Testreifen

Jahn
Der PS-Sportreifentest 2013.

Das diesjährige Testfeld setzt sich aus den etablierten Größen Bridgestone S20, Continental Sport Attack 2, Dunlop Sportsmart, Metzeler Sportec M5 und Pirelli Diablo Rosso 2 sowie dem Newcomer Michelin Pilot Power 3 zusammen. Alle Testreifen wurden bei den Herstellern bestellt und die gelieferten Produkte bei einem Großhändler gegen Lagerware ausgetauscht. Manipulationen an den Testreifen waren so unmöglich. Der älteste Reifen aus dem Handel war der Bridgestone S20 mit Produktion in der 44. Kalenderwoche 2011 (DOT 4411). Dieses Alter ist völlig in Ordnung.

Das Testverfahren

Jahn
Fräsen, fallen, tanken: Ersteres und Letzteres Alltag, Mittleres eher die Ausnahme.

Dieses Jahr gastierten wir auf dem Testgelände von Dunlop/Goodyear in Mireval nahe der südfranzösischen Stadt Sète. Dort stand uns eine anspruchsvolle Trockenteststrecke sowie eine 1625 Meter lange, dauerbewässerte Nassteststrecke zur Verfügung. Gefahren wurde auf einer BMW HP4 mit Traktionskontrolle im Slick-Modus (auf Stufe minus 4 korrigiert) und mit aktivem ABS. Der Testluftdruck betrug wie vom Fahrzeughersteller vorgegeben 2,5 bar vorne und 2,9 bar hinten - jeweils kalt nach Montage geprüft und eingestellt.

Der Reifentest begann auf der Trockenstrecke. Nach einer Einrollrunde folgten jeweils zwei zügige Runden um Handling, Lenkpräzision, Aufstellmoment und Zielgenauigkeit zu prüfen, dann folgten zwei „All-In“-Runden, um Grip, Feedback und den Grenzbereich auszuloten. Danach dann der Wechsel der beiden Piloten. Der erste Reifen der Testserie wurde zum Schluss nochmals gefahren, um Lerneffekte auszuschließen. Das selbe Prozedere gab’s dann einen Tag später auf der Nassstrecke. Eine Einrollrunde, zwei flotte Testrunden, danach zwei Runden am Limit. Zudem bremste jeder Fahrer aus 100 km/h auf null ab, und die Ergebnisse der Messungen wurden gemittelt.

Da PS für Sportfahrer schreibt, legen wir sehr viel Wert auf Grip, weswegen dieses Kriterium mit 40 Punkten (von 200 Punkten) bei Trockenheit und mit 30 Punkten (von 100 Punkten) bei Nässe bewertet wird. Wie immer mit dabei, dass unbestechliche 2D-Data-Recording, das Runde für Runde aufzeichnete und eine messerscharfe Analyse zum Beispiel der Kurvengeschwindigkeiten erlaubt. Vor allem bei Nässe kommen da erstaunliche Wahrheiten ans Licht. So durcheilen die Nassgrip-Könige Bridgestone und Michelin die Referenzkurve „Omega“ mit Geschwindigkeiten von 70,2 und 70,8 km/h, während es der wasserscheue Continental gerade mal auf 64,5 km/h bringt.

Doch diese Messwerte sagen nicht alles über einen Reifen - und schon gar nicht im Nassen. Viel entscheidender als pure Bestwerte ist das erzeugte Fahrgefühl. Was nützt zum Beispiel ein Reifen mit sehr viel Grip bei Nässe, wenn der Grenzbereich zu schmal ausfällt? Sehr wenig! Denn wenn der Reifen das Rutschen anfängt, dann so heftig, dass der Pilot erschrickt. Michelin musste das am Vorgänger des Pilot Power 3 lernen - und steuerte gegen. Der Power 3 ist aus dem Stand so gut wie der bisherige „Regengott“ S20 von Bridgestone. Hohes Gripniveau, gutmütige und breite Grenzbereiche und berechenbares Handling machen diese Pellen im Nassen zu Gewinnern. Und während Bridgestone und Michelin ihre Hausaufgaben gemacht haben und eben Grip, Grenzbereich und Wohlempfinden kredenzen, fehlt es dem Conti sowohl an Haftung wie auch an einem breiten Grenzbereich. Dadurch fühlt man sich im Nassen auf dem Reifen nicht wohl, und die Rundenzeit rutscht in den Keller.

OE: Original Equipped

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Die Testmaschine: Eine BMW HP4.

„OE“ steht bei den Herstellern für „original equipped“, also für „serienmäßig ausgerüstet“. Gemeint sind damit im Grunde alle Komponenten, die einem Hersteller zugeliefert werden und als Teil eines neuen Produkts angebaut werden. Neben Instrumenten, Armaturen, Rädern und vielem mehr sind das an Motorrädern natürlich auch die Reifen.

PS fiel auf, dass immer mehr sportliche Motorräder, zu denen auch Naked Bikes gehören, mit immer sportlicheren Reifen ausgeliefert werden. So steht eine Triumph Speed Triple R beispielsweise auf dem supersportlichen Metzeler Racetec K3, ebenso die BMW S 1000 RR. Italienische Hersteller wie Aprilia und Ducati greifen für verschiedene Modelle gerne auf den heißen Pirelli Diablo Supercorsa SP zurück. Womit sich die Frage aufdrängt, ob diese Derivate waschechter Rennreifen im Alltagsbetrieb auf der Landstraße und bei Nässe überhaupt Sinn machen? Steigern sie das sportliche Potenzial eines Bikes oder sind sie eventuell mangels Nassgrip ein Sicherheitsrisiko für den Fahrer?

Test und Bewertung

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Die Nassstrecke beim Reifentest 2013.

Auch die beiden OE-Pellen Metzeler Racetec K3 und der Pirelli Diablo Supercorsa SP mussten das ganz normale Testprozedere über sich ergehen lassen. Erst der Trocken-, dann der Nasstest inklusive Vollbremsungen. Der einzige Unterschied: Statt mit 2,5 und 2,9 bar fuhren wir die Kandidaten vorne und hinten jeweils mit 2,3 bar (kalt). Um die Bewertung der Sportreifen nicht zu verzerren, setzten wir die gleichen Maßstäbe an, vergaben aber dort, wo es notwendig war (z.B. beim Grip), mehr Punkte als maximal möglich. Alle anderen Kriterien sind eins zu eins vergleichbar.

Fahreindrücke

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Der PS-Sportreifentest 2013.

Sowohl der Metzeler Racetec K3 als auch der Pirelli können ihre Herkunft aus der Racing-Linie nicht verheimlichen. Sie benötigen beide eine zarte Hand auf den ersten Kilometern, bis sie ihre Betriebstemperatur erreicht haben. Sportreifen sind da schneller „zur Stelle“.

Der Akt des Aufwärmens verlängert sich natürlich bei tiefen Außentemperaturen, weswegen diese Reifen wirklich nur im Sommer gefahren werden sollten.

Den Trockentest meistern die beiden mit Bravour, überzeugen auf ganzer Linie und können sich klar von den Sportreifen absetzen. Da diese aber bereits reichlich Grip liefern, stellt sich die Frage, ob die Extraportion Haftung auf der Landstraße überhaupt sinnvoll ist. Denn bei Nässe fährt dem K3 und dem SP sogar die rote Laterne Conti Sport Attack 2 locker davon.

Was nicht heißt, dass die beiden heißen Pellen im Regen unfahrbar sind. Doch wir können sie dem Alltags- und Allwetterfahrer nur dann empfehlen, wenn er ein Motorrad mit ABS besitzt und bereit ist, den Mehr-Grip mit einer kürzeren Laufleistung zu bezahlen.

Wer also sein Bike bei jedem Wetter, im Frühjahr, Sommer und Herbst bewegt, dem sei ein Sportreifen, dem vielleicht eine Sekunde auf der Renne fehlt, der dafür aber immer und vor allem auch länger funktioniert, ans Herz gelegt.

Reifenfreigaben, Übertragbarkeit, PS-Urteil

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Die Bewertungstabelle der getesteten Sportreifen.

Reifenfreigaben
Im Grunde ist es ganz einfach: Steht in der Zulassungsbescheinigung I (Fahrzeugschein) unter Ziffer 22 kein Eintrag, besteht keine Reifenbindung und man kann seine Lieblingssohle bedenkenlos aufziehen. Die muss allerdings den Einträgen in den Feldern 15.1 und 15.2 entsprechen, die unter anderem die Dimensionen vorgeben. Steht bei Ziffer 22 ein Eintrag, gehen die Meinungen auseinander: Ist der Eintrag bindend oder nicht? Auf Nummer sicher geht, wer bei anderen als den vorgeschriebenen Gummis sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigungen (umgangssprachlich: Freigaben) mit sich führt. Die gibt’s beispielsweise direkt bei den Reifenherstellern. Bridgestone empfiehlt, auch bei Maschinen ohne Reifenbindung auf die Bescheinigung zu achten. Dann ist garantiert, dass der Reifen auf dem Motorrad auch funktioniert. 

Übertragbarkeit
Gelten die Ergebnisse dieses Reifentests auch für andere Motorräder? Ja, aber mit Einschränkungen. Auf Maschinen ähnlichen Typs wie der Testmaschine BMW HP4/S 1000 RR (Gewicht, Geometrie, Abstimmung der Federelemente) sollten die Gummis sehr ähnlich funktionieren. Etwas anders sieht es bei Motorrädern mit wesentlich anderer Ausrichtung wie beispielsweise schweren Nakeds aus. Hier können die Werte abweichen. Das gilt besonders für Kriterien wie Stabilität, Feedback, Aufstellmoment beim Bremsen und gegebenenfalls das Verhalten im Grenzbereich. Überhaupt nicht übertragbar sind die Ergebnisse auf andere Dimensionen (Beispiel: 180/55 oder 190/50).

PS-Urteil
Der neue Michelin Pilot Power 3 und der Bridgestone S20 teilen sich die Krone der Sportreifen 2013. Sowohl der Newcomer als auch der letztes Jahr eingeführte S20 können auf voller Linie überzeugen und punkten vor allem bei Nässe. Der Pirelli Diablo Rosso 2 auf Rang drei punktet vor allem im Trockenen. Etwas agileres Handling würde ihm aber gut tun. Er bildet die Spitze des eng zusammenliegenden Mittelfelds, in dem sich noch der Trockenspezialist Continental Sport Attack 2 und der gute, aber nicht allzu handliche Allrounder Dunlop Sportsmart tummeln. Etwas abgeschlagen ist der sehr unauffällige, aber harmlose Metzeler Sportec M5.

Bridgestone Battlax S20 – PS-Testsieger Nässe

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Bridgestone Battlax S20 – PS-Testsieger Nässe.

Wie bereits 2012 ist der S20 auch 2013 wieder ganz vorne mit dabei. Seine Gutmütigkeit und die starke Trocken-Performance auf leistungsstarken Sportlern beschert ihm eine gute Platzierung beim Heizen. Richtig zuschlagen tut er aber im Nassen, wo ihm nur der neue Michelin folgen kann. Der S20 ist ein Topreifen für alle, die mit größtmöglicher Sicherheit unter allen erdenklichen Straßenbedingungen frei blasen wollen. Am Ende ein verdienter Sieger!

PS-Note: 2 (Nässetest 93 von 100 Punkten)

Continental Sport Attack 2 - PS-Testsieger Trocken

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Continental Sport Attack 2 - PS-Testsieger Trocken.

Der Conti ist 2013 der „Trocken-Tipp“ unter den Sportpellen. Federleichtes Handling, eine fast referenzmäßige Präzision und feister Grip machen den Hannoveraner zu einer Wucht auf der Landstraße. Allerdings nur, solange diese trocken ist. Nässe mag der Sport Attack 2 nach wie vor nicht. Sein recht niedriges Grip-Niveau, der enge Grenzbereich mit zackig abreißender Haftung und wenig Feedback sorgen ab und an für aufgestellte Nackenhaare.

PS-Note: 2

Dunlop Z17 Sportsmart

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Dunlop Z17 Sportsmart.

Der Sportsmart ist ein Reifen, der nach alter Dunlop-Tradition gebaut wurde. Kalt vermittelt er einen steifen Eindruck und benötigt im Trockenen etwas Zeit, bis er auf Temperatur ist. Dann aber überzeugt er mit fettem Grip in allen Lagen. An Handling und Zielgenauigkeit merkt man der Pelle etwas ihr Alter an. Bei Nässe gibt sich der Dunlop unauffällig, verlangt aber auch da eine kräftigere Hand, bis die Linie passt. Insgesamt ein Reifen ohne Highlights und große Mängel.

PS-Note: 2-3

Metzeler Sportec M Interact

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Metzeler Sportec M Interact.

Der Sportec M5 ist wie ein VW Golf am Straßenrand. Man nimmt ihn nicht wahr, wenn man vorbeiläuft, aber wenn man einen fährt, ist er unauffällig für einen da. In keiner einzigen Disziplin überflügelt der M5 die starke Konkurrenz, allerdings lässt er sich auch nirgends richtig abhängen. Im Trockenen fehlen ihm Feedback und Grip, und bei Nässe schafft es der brave Gummi gerade mal die Trocken-Spezialisten abzuhängen. Wir warten auf den Nachfolger!

PS-Note: 2-3

Michelin Pilot Power 3 - PS-Testsieger Nässe

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Michelin Pilot Power 3 - PS-Testsieger Nässe.

Der Neue! Mit dem Pilot Power 3 verlässt Michelin das Tal der Dunkelheit und kehrt in strahlendem Glanz an die Spitze der Sportreifen zurück. Bei Trockenheit vermittelt der Power 3 einen ebenso verlässlichen und gutmütigen Eindruck wie der S20 und bewegt sich auf dessen sehr hohem Niveau. Bei Nässe überzeugen der unglaubliche Grip und der nun wieder gut zu kontrollierende, breiter ausfallende Grenzbereich. Ein super Reifen für alle Wetter

PS-Note: 2 (Nässetest 93 von 100 Punkten)

Pirelli Diablo Rosso 2

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Pirelli Diablo Rosso 2.

Der Rosso 2 als Trockenspezialist auf Gesamtrang drei des Tests - das beeindruckt. Wegen des etwas trägeren Handlings muss er sich im Trockenen nur dem Conti beugen, ansonsten drückt der Italiener vor allem in puncto Grip und Stabilität fett ab. Bei Nässe punktet er mit dem kürzesten Bremsweg und gutem Feedback. Insgesamt ein sportlicher Tipp für Heizer, denen maximaler Grip bei Sonnenschein wichtiger ist als Haftung auf nassem Geläuf.

PS-Note: 2

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Erscheinungsdatum 13.09.2023