Fahrwerk-Spezial: Heck
Fährt das Motorrad merkwürdige Linien? Heckpartie richtig einstellen!

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Der Ofen gautscht, pumpt und fährt merkwürdige Linien? Kein Grund, gleich auszurasten. Denn möglicherweise liegen nur wenige Handgriffe an der Heckpartie zwischen Frust und Lust.

Fährt das Motorrad merkwürdige Linien? Heckpartie richtig einstellen!
Foto: Foto: Archiv

Richie lässt es gerne ordentlich krachen. Dazu hat er aufgerüstet, spendierte seinem Brenneisen ein sündhaft teures Fahrwerk. Doch richtig zufrieden ist er damit nicht. Sein Baby entwickelt beim Jagen ein seltsames Eigenleben und eiert mehr durch die -Bögen, als einen sauberen Strich zu ziehen. Außerdem trampelt das Bike fies über Bodenwellen hinweg, und auch das Handling lässt stark zu wünschen übrig. Das hat Richie sich ganz anders vorgestellt. Was tun?

Wie unserem virtuellen Freund geht es in der Realität vielen Sportfahrern. Selbst feinste Komponenten entfalten ihr Potenzial erst, wenn sie richtig abgestimmt sind. Wie das geht, haben wir in den vorangegangenen Folgen dieses Fahrwerk-Spezials Schritt für Schritt gezeigt. Dieser Teil liefert Lösungsansätze für Probleme an der Heckpartie, die trotz (vermeintlich) guter Abstimmung immer wieder auftreten.

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Fährt das Motorrad merkwürdige Linien? Heckpartie richtig einstellen!
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Heck pumpt beim Beschleunigen

Pumpt die Heckpartie besonders bei starkem Beschleunigen, kann das mehrere Ursachen haben. Naheliegend ist eine unterdämpfte Zugstufe, die die Ausfederbewegung steuert. Ist sie zu lasch, federt das Heck zu schnell aus, wodurch vor -allem schlechte Straßen viel Unruhe ins Chassis bringen. Dazu kommt eine konstruktive Gegebenheit ins Spiel: der -Anti-Dive-Effekt. Dieser setzt sich aus der -Höhendifferenz von Hinterrad- zu Schwingenachse sowie der Schwingenlänge zusammen und verhindert, dass sich das Heck beim Beschleunigen setzt. Sportliche Bikes sind sogar meist so konstruiert, dass sich die Heckpartie beim Gasgeben etwas hebt. Der Verbund aus geringer Zugstufen-Dämpfung, starkem Beschleunigen über Bodenwellen und Anti-Dive-Effekt bringt jedes Fahrzeugheck ins Straucheln. Unter einer zu -soften Zugstufendämpfung leiden auch Kurvenstabilität, Zielgenauigkeit und Lenkpräzision. Lösung: Zugstufe so weit schließen, dass das Federbein eine -knappe Sekunde braucht, um nach weitem Einfedern wieder in seine Ausgangslage (Nulllage) zu geraten. Das Video "Federbein-Dämpfung" auf www.ps-online.de behandelt unter anderem dieses Thema. Wertvolle Tipps fürs Federbein-Setup stehen zudem in PS 2/2012.

Weitere Ursachen für ein pumpendes Heck sind eine zu geringe Druckstufendämpfung und/oder eine zu weiche, respektive zu wenig vorgespannte Feder. Dadurch federt der Monoshock im Extremfall selbst in Kurven bis zum Anschlag ein und kann keine Stöße mehr absorbieren. Diese Arbeit muss nun der Hinterreifen übernehmen. Der ist damit natürlich überfordert, als Folge beginnt das Heck zu pumpen oder der Reifen verliert gar die Haftung. Setzt sich das Heck zu stark, verschlechtert sich außerdem das Handling und die Maschine neigt am Kurvenausgang zu weiten Linien. Abhilfe schafft eine stärker vorgespannte oder härtere Feder (Negativfederweg messen). Auch eine weiter geschlossene Druckstufe wirkt starkem Einfedern entgegen. Zur Kontrolle einfach einen Kabelbinder an der Dämpferstange befestigen und vorm Fahren nach oben schieben. Als Teststrecke ist eine unebene Straße ideal, da das Federbein dort weiter komprimiert wird als auf topfebenem Terrain. Nach dem Fahren sollte der Kabelbinder noch einige Millimeter Abstand zum Anschlagpuffer haben.

Foto: jkuenstle.de
Profis gehen bei Fahrwerksproblemen systematisch vor und finden für (fast) jedes Problem eine Lösung.

Hinterradstempeln beim Bremsen

Manchmal stempelt das Hinterrad beim Ankern oder Herunterschalten trotz -Anti-Hopping-Kupplung. Zu viel Spiel an der Federbeinaufnahme inklusive der Zugstreben und Umlenkung kann dieses Phänomen verursachen oder verstärken. Heftiges Verzögern mit den vorderen Stoppern entlastet das Hinterrad. In diesem Zustand leiten Bodenwellen über die Federbeinaufnahme und Umlenkung Unruhe ins Heck, was sich zu fiesem Rattern steigern kann. Dieses Spiel kann auch unter Last in Schräglage das heimtückische Chattering, ein hochfrequentes Stempeln des Vorderrads, auslösen. Speziell beim Einlenken auf der Bremse, wenn die Hinterhand entlastet ist, können sich diese lästigen Vibrationen aufbauen. Zum Prüfen des Spiels Hinterrad komplett entlasten und die Schwinge leicht auf und ab bewegen. Zwei Millimeter Spiel sind bei einem Sportler bereits zu viel. In einem solchen Fall helfen passgenaue Lager und Verbindungen vom Spezialisten.

Heck unkomfortabel I

Absorbiert das Federbein Bodenwellen nur unzureichend und wirkt insgesamt bockig, liegt das meist an einer zu harten oder einer zu stark vorgespannten Feder. Auch eine zu straffe Druckstufendämpfung verursacht diese unliebsame Eigenart. Außer dem Ansprechverhalten leiden auch die Bremsstabilität (Rad springt oder bricht aus) und die Radführung (Zielgenauigkeit). Außerdem bewirkt ein zu hart abgestimmtes Federbein – man höre und staune – Lenkerschlagen. Das geschieht, weil die Heckpartie Stöße von Asphaltrunzeln ins gesamte Fahrwerk einleitet. Beim Überfahren von harten Kanten versetzt eine unsensible Hinterradfederung das Rad aus der Spur, wodurch die Lenkung in diesem Moment für einen Sekundenbruchteil schräg zur Fahrtrichtung (Schräglauf) steht. Schon keilt die Frontpartie aus und versetzt den Vorderbau in die gefürchteten Drehschwingungen.

Bevor man an die Dämpfung herangeht, sollte man grundsätzlich erst den Negativfederweg messen. Das entlarvt eine zu harte oder eine falsch vorgespannte Feder.

Passen Federrate wie Vorspannung, die Druckstufe über den Einsteller etwas soften. Im Gegensatz zu (fast) allen -Gabeln bieten manche Federbeine getrennte Verstellmöglichkeiten von High- und Lowspeed-Dämpfung. Diese Begriffe haben nichts mit dem gefahrenen -Tempo, sondern mit der Einfedergeschwindigkeit zu tun. Oft genügt es, die Highspeed-Druckstufe weiter – auf Landstraßen meist komplett – zu öffnen. Erst später den Lowspeed-Bereich nach und nach soften. Nützt das nichts, liegt die Ursache möglicherweise in einer zu steilen Progressionskurve. Heißt: Das Heck verhärtet sich nach anfänglich gutem Federungsverhalten überproportional stark. Oft ist dieses Phänomen das Resultat einer anderen Umlenk-Kinematik, die von einer geänderten Heckhöhe (Beispiel: Federbeinlänge) herrührt. Außerdem kann zu viel mechanischer Widerstand (Reibung) im Federbein/Umlenkung eine widerspenstige Heckpartie herbeiführen. Hier empfehlen wir den Gang zum Fachmann.

Heck unkomfortabel II

Analog zur Fahrzeugfront (PS 5/2012) leitet eine zu straffe Zugstufendämpfung ebenfalls Unruhe ins Fahrwerk. Das Heck federt bei mehreren aufeinander folgenden Bodenwellen nicht schnell genug aus und steckt im harten Bereich der Feder fest. Dadurch absorbiert das Federbein Unebenheiten nicht mehr und leitet sie ins Fahrwerk weiter. Wie bei einer zu laschen Druckstufe sitzt das Heck dadurch nun zu tief – mit den bekannten Folgen für Handling und Zielgenauigkeit. Weitere Auswirkungen: Das Rad neigt auf schlechten Straßen zu springen, das Bike schaukelt sich bei Bodenwellen auf und pendelt selbst beim Geradeausfahren. Auch die Lenkgeometrie verändert sich in Richtung unhandlich, weil das Motorrad hinten tiefer steht. In diesen Fällen die Zugstufendämpfung wie oben beschrieben anpassen.

Foto: Archiv
Zu viel Spiel an Federbeinaufnahme und/oder Umlenkung kann Fahrwerksunruhen verursachen.

Aufstellmoment in Kurven

Stellt sich das Bike in Kurven bei Bodenwellen auf, liegt das meist an einem zu breiten, flachen Reifen mit niedrigem Querschnitt. Unebenheiten drücken die Fuhre dann regelrecht zurück in die senkrechte Position. Dasselbe verursacht auch ein zu geringer Reifenluftdruck.

Träges/nervöses Einlenken

Wie schon im letzten Teil des Spezials beschrieben, ist ein träges Einlenkverhalten oft die Folge einer Handlingunfreundlichen Geometrie. Passt die Abstimmung von Federung und Dämpfung, kann man das Heck mittels verschiedener Methoden etwas anheben: Längeneinstellung am Federbein, Schubstange, variabler Aufnahmepunkt des Federbeins am Heckrahmen, kürzere Zugstreben der Umlenkung, höherer Schwingendrehpunkt. All diese Änderungen wirken sich allerdings unmittelbar auf die Progressionskurve der Umlenkung aus. Zurückhaltend eingesetzt, bringen sie dennoch meist mehr Vor- als Nachteile. Ist das Bike am Kurveneingang zu kippelig, einfach das Heck mit einer der genannten Methoden absenken.

Spezialisten

Foto: fact
Der richtige Dreh: Ist die Dämpfung falsch justiert, bewirken Änderungen oft Wunder.

Alpha Technik
83071 Stephanskirchen, Tel. 0 80 36/30 07 20 www.alphatechnik.de

Alpha Racing (BMW S 1000 RR)
83071 Stephanskirchen, Tel. 0 80 36/30 31 30 www.alpharacing.com

GMD Computrack Strassmaier
83052 Heufeld/Bruckmühl, Tel. 0 80 61/9 36 92 20 www.strassmaier.de

HH Racetech
72108 Rottenburg, Tel. 0 74 57/94 82 90 www.hh-racetech.com

Öhlins
53520 Meuspath, Fax 0 26 91/9 37 78 90 www.ohlins.eu

Wilbers
48527 Nordhorn, Tel. 0 59 21/72 71 70 www.wilbers.de

GL Suspension Service
75391 Gechingen, Tel. 0 70 56/92 78 24 www.world-of-suspension.de

Zupin
83301 Traunreut, Tel. 0 86 69/84 80 www.zupin.de

Emil Schwarz (Präzisionsteile/Lager)
73660 Urbach, Tel. 0 71 81/99 52 90 www.emilschwarz.de

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PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023