Porträt: WP Suspension

Porträt: WP Suspension WP Suspension

Weiße Federn sind das Markenzeichen von WP Suspension. Europas größter Hersteller von Motorrad-Fahrwerkskomponenten produziert neuerdings in Österreich. Ein Werksbesuch.

WP Suspension Wolf
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Ein Marketing-Gag. Es muss ein schriller Marketing-Gag sein, denn welcher normal denkende Zubehör-Hersteller kommt auf die abgefahrene Idee, ausgerechnet die Unfarbe Weiß für ein neues Produkt zu wählen, das permanenten Schmutzattacken ausgesetzt ist? Kein Marketing-Gag. Es sind reine Sachzwänge, die vor über 30 Jahren zu "White Power" führen. Der niederländische Motocross-Fahrer Wim Peters stürzt 1975 bei einem Rennen schwer und ist über ein Jahr lang verletzt. Die Zwangspause nutzt der Maschinenbau-Ingenieur, um die Federelemente seines Crossers zu verbessern.

Das gelingt ihm so gut, dass auch andere Rennfahrer die ursprünglich nur für den Eigenbedarf gedachten Teile haben wollen. Aus dem Hobby wird für Wim Peters ein Beruf, Ende 1977 gründet er seine eigene Firma. Die Federn lässt er anfangs in einem Betrieb beschichten, der ansonsten Krankenhausbetten fertigt - die einzige zur Verfügung stehende Farbe ist daher Weiß. Diese Farbe wird zum Markenzeichen.

WP steht nicht mehr für die Initialien des Firmengründers, sondern für "White Power". Unzählige Sporterfolge machen die Marke neben Öhlins zum Inbegriff für feinste Fahrwerkskomponenten. Über 200 WM-Titel werden mit WP-Teilen gewonnen, unter anderem von Toni Mang, Valentino Rossi und Michael Schumacher. In den 1980er Jahren steigt WP vom Nachrüstteile-Hersteller zum Erstausrüster auf (OEM, Original Equipment Manufacturer) und beliefert vor allem KTM, später auch BMW. 1983 ist White Power der erste Hersteller, der eine Upside-down-Gabel in Großserie fertigt.

Im englischsprachigen Raum führt der Markenname "White Power" aber immer wieder zu bösen Verwechslungen; denn "Weiße Macht" ist auch ein von amerikanischen Rassisten gern benutzter Terminus. So wird 1991 aus "White Power" offiziell die Firma "WP Suspension", aber zumindest im deutschsprachigen Raum ist "White Power" - wenn auch inoffiziell - weiterhin der Name für hervorragende Federelemente.

Wolf
Wim Peters: Gründete 1977 das Unternehmen und ließ weiß arbeiten.

Ab 1997 übernimmt KTM schrittweise das niederländische Unternehmen, Wim Peters bleibt dem Unternehmen anfangs als Geschäftsführer und bis zu seinem Ausstieg 2004 als Berater verbunden. Seit 2008 ist WP Suspension eine 100-prozentige Tochter der österreichischen Cross Motorsport Systems AG, einer Holding, zu deren Dunstkreis auch KTM gehört. Im gleichen Jahr werden am KTM-Stammsitz im oberöstterreichischen Mattighofen bereits die ersten WP-Gabeln gefertigt, Anfang 2009 zieht dann auch die übrige Produktion nach Österreich um - die größere Nähe zu den wichtigsten Kunden (KTM und BMW) ist einer der ausschlaggebenden Gründe.

In Malden (im Westen der Niederlande, südlich von Nijmegen) verbleiben die Offroad-Sportabteilung und Teile der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Knapp vier Kilometer südöstlich von Mattighofen, am Ortsrand der 2700-Einwohner-Gemeinde Munderfing, steht sie nun, die brandneue WP Suspension-Fabrik. Rund 120 Mitarbeiter sind hier beschäftigt, davon 80 in der Produktion. Auf zwei Etagen und gut 12 000 Quadratmetern entstehen Teile für die Erstausrüstung (OEM) und das Nachrüstgeschäft (Aftermarket). Die OEM-Teile sind Schmiedeteile, für den Aftermarket kommen CNC-Frästeile zum Einsatz. Das OEM-Geschäft macht stückzahlmäßig rund 90 Prozent aus, die Nachrüst-Federelemente, von denen es rund 500 verschiedene Modelle gibt, verteilen sich auf die übrigen zehn Prozent. Der Aufwand, den WP aber für die Belieferung der Aftermarket-Kunden betreibt, ist ungleich höher. So gibt es neben der in Fertigungsstraßen erfolgenden Serienproduktion einen getrennten Bereich ("Nachverkauf"), in dem sich vier Mitarbeiter völlig autark, mit eigenem Teilelager und in reiner Handarbeit um Sonderwünsche kümmern. Von der Bestellung bis zur Auslieferung einer solchen Sonderanfertigung vergehen dann (in 80 Prozent aller Fälle) maximal 14 Tage.

Von den WP-Mitarbeitern stammen einige aus Deutschland. So zum Beispiel sechs der acht Konstrukteure. Einer von ihnen ist Georg Kötzinger (31), der in seiner Freizeit mal eben die Sixdays mitfährt oder auch gern mal ein 24-Stunden-Enduro gewinnt. Sein österreichischer Kollege Harald Fuchs (36) aus dem Nachverkauf schraubte vor seiner WP-Zeit als Rennmechaniker unter anderem für KR Racing in der Motorrad-WM. WP Suspension-Betriebsleiter Winfried Kerschhaggl (47) war zuletzt KTM-Motorsportchef. Und so geht es munter weiter, die WP-Belegschaft ist heftigst motorradverstrahlt.

Und das findet in ständigen Neuentwicklungen ihren Niederschlag. So zum Beispiel im elektronischen Nachrüstfahrwerk EDS II, das BMW-Boxern für 1499 Euro ungeahnte Fahrwerksqualitäten verleiht. Oder auch in einer momentan bereits kurz vor der Serienproduktion stehenden Nachrüst-Gabel für die BMW F 800 GS, die ab 2011 für knapp 2000 Euro eine Alternative zum serienmäßigen, im Setting nicht veränderbaren Marzocchi-Teil sein soll. Rund ums neue Werk gibt es noch viel Expansions-Platz, KTM und BMW machen gute Geschäfte, und deutsche Arbeitskräfte werden vermutlich immer günstiger. Rosige (weiße?) Zeiten für WP Suspension!

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