Wie teuer sind Ersatzteile für Motorräder?

Produkttest: Ersatzteil-Report Wie teuer sind Ersatzteile für die jeweiligen Motorräder?

Logisch, geht ein Teil am Motorrad kaputt, sollte es ersetzt werden. Doch die Logik bei der Preiskalkulation von Originalteilen ist häufig schwer nachzuvollziehen. MOTORRAD hakte bei den Anbietern nach.

Wie teuer sind Ersatzteile für die jeweiligen Motorräder? Sdun

Die Frau war nett, aber schuld. Hatte unvermittelt die Spur gewechselt und Kollege Jörg Lohse derart ausgebremst, dass dieser samt Triumph Street Triple kurz über den Asphalt  schrappte. Der Autofahrerin tat es fürchterlich Leid, und Lohse war zwar etwas angekratzt, doch ein erster Kennerblick auf das gestürzte Motorrad sagte ihm: Kratzer, Risse und ein paar Plas-tik-teile schrott, Sitzbank kaputt, Tank, Motor und Rahmen jedoch heil, also alles nur halb so wild. So diktierte er, der sich von Berufs wegen eigentlich gut mit Ersatzteilen auskennt, der Polizei ins Unfallprotokoll: geschätzter Schaden maximal 2500 Euro. Ein paar Tage später dann die große Überraschung: Gesamtschaden fünf Euro über Neuwert vom Motorrad, rund 8000 Euro. Cockpit 868,91 Euro, Schalldämpfer links 504,06 Euro, Gabelfuß 348,52 Euro, Sitzbank neu 372,84 Euro und so weiter und so fort. Gut, dass die Versicherung zahlte, Lohse wäre sonst wohl noch an der Ladentheke aus den Socken gekippt. Wie kann es sein, dass die Teile so teuer sind? MOTORRAD machte sich bei neun großen Motorradherstellern schlau und forderte für deren aktuelle Markenbestseller je eine Preisliste für typische Sturz- und Verschleißteile an.

Alles Apothekerpreise? Mitnichten, behaupten zumindest die Anbieter. Markus Deckert von Triumph Deutschland: „Ein Stück weit erklären sich hohe Preise dadurch, dass für sehr viele Modelle und über eine sehr lange Zeit ein gewisses Kontingent an Ersatz- und Sturzteilen bereitstehen muss, und bei selten benötigten Teilen bleibt die Ware jahrelang im Regal liegen, so entstehen hohe Lagerkosten. Zu dieser Mischkalkulation kommen enorme Kosten für Testläufe, denn als Hersteller unterstehen wir, anders als der Aftermarket, sehr strengen Anforderungen bei der Produkthaftung.“ Freie Anbieter, die je nach Marktlage besonders gefragte Posten spontan in größeren Stückzahlen produzieren beziehungsweise einkaufen, können indes ihre geringeren Kosten an die Endkunden weitergeben. Wenig gewinnbringende Ladenhüter meidet der freie Handel ohnehin wie der Teufel das Weihwasser.

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Die Anzahl der Firmen, die sich auf dem Motorradmarkt bei Ersatzteilproduzenten engagieren, ist außerdem überschaubar, und Fahrzeughersteller und freier Zubehörmarkt gehören gleichermaßen zu deren Kunden. Die Qualität von Erst-ausrüstung und Nachrüstteilen liegt also oft auf gleichem Niveau. Der japanische Erstausrüster Vesrah etwa stattet seit Jahrzehnten etablierte Motorradmarken mit Kupplungen, Dichtsätzen und Ventilen aus, viele Produkte sind in anderer Verpackung aber auch frei erhältlich. Bei Bremsbelägen oder Ölfiltern sind es weltweit nur wenige Hersteller, die das entsprechende Know-how besitzen. Auch hier sind Original- und Nachrüstteile häufig technisch identisch und unterscheiden sich nur durch die Verpackung - und manchmal durch den Preis. An Originalteile kommen freie Werkstätten jedoch nicht so leicht heran. „Die meisten modellspezifischen Verkleidungsteile müssen wir zum Beispiel aus Holland besorgen“, heißt es bei der markenunabhängigen Werkstatt TK Motorradsport in Kempen. Gängige Verschleißteile hingegen bestellen die Profischrauber vom Niederrhein deutlich stressfreier beim Großhändler Matthies in Hamburg. „Bei der 600er-Bandit war das Suzuki-Originalkit für gewisse Baujahre nicht so der Bringer, die Nachrüstqualität also besser“, erklärt Ingo Kleinen von TK Motorradsport und vertraut lieber eigenen Erfahrungswerten als vielversprechenden Werbeaussagen.

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Bremsbeläge sollten häufig gewechselt werden - dabei sollte die Qualität stimmen.

Wenn billiger nämlich gleich qualitativ schlechter bedeutet, rät er dem Kunden ab. Beispiel Batterien: Die Preisknaller tun es zwar häufig anfänglich ganz gut, aber auf Dauer bewähren sie sich nur selten und müssen erfahrungsgemäß häufiger getauscht werden, was einem unterm Strich teurer kommt. Solche Erfahrungen wollen aber zunächst gesammelt werden, denn der Produktkosmos „Aftermarket“ ist schier unendlich, und bei der Qualität liegen sauber und schäbig, mega und mies, Tops und Flops dicht beieinander. Stefan Wahl von der Motorcorner im süddeutschen Wangen bei Göppingen vertraut aus diesem Grund lieber den Originalteilen, weil die Fahrzeugbauer seiner Meinung nach mehr in Qualitätssicherung investieren. Als Vertragshändler betreut er verschiedene Marken, kann sich aber auch problemlos auf dem freien Markt bedienen. Er verkauft bei den Ersatzteilen trotzdem weniger als fünf Prozent an Artikeln, die nicht dem Orginalsortiment entstammen. „Was die Preise angeht, vergleichen sich die Motorradhersteller mittlerweile stark untereinander und beobachten außerdem genau den Aftermarket. Große Preisunterschiede entdecke ich da kaum noch“, sagt Wahl. Bei Orginalteilen habe er außerdem die größere Gewissheit, dass garantiert alles passt und der Service seitens der Hersteller stimmt.

Als Händler und Werkstattprofi müsse er besonders stark darauf achten, dass das zu verbauende Teil keinen Ärger macht. Die Garantie jedenfalls, die nur eine freiwillige Leistung ist, kann bei Verwendung von anderen als Orginalteilen für das ganze Motorrad erlöschen, die gesetzliche Gewährleistung wird eingeschränkt, wenn ein direkter Zusammenhang zwischen Folgemängeln und Zubehörteil besteht. Bei manchem Ebay-Anbieter, der fragwürdige Fernostware verkauft, kann man diese Verantwortung dem Kunden gegenüber nicht unbedingt voraussetzen. Besondere Gefahr geht von mittlerweile recht häufigen Plagiaten aus, die geprüfte Qualität nur vorgaukeln. Bevor man also im Internet nach angeblichen Schnäppchen fischt, lohnt sich eine unverbindliche Anfrage beim Vertragshändler nach dessen bestem Angebot. Zum Glück fällt bei normaler Pflege und Unfallfreiheit nur selten ein Ersatzteil an, dieses sollte aber zuverlässig seinen Dienst verrichten. Gute Verträglichkeit hat dabei seinen Preis. Würde wohl auch ein Apotheker raten.

Fazit

Sich aus Einzelteilen selbst ein Motorrad zusammenzubasteln, wäre finanzieller Wahnsinn. Schon die vergleichsweise kleinen Beispiel-Bestelllisten liegen in den Summen zwischen der Hälfte und Dreiviertel des jeweiligen Motorradneuwerts. Kein Wunder also, dass ein Unfall schnell einen wirtschaftlichen Totalschaden zur Folge hat. Keine Überraschung auch, dass preisgünstige Mittelklasse-Maschinen im Vergleich die niedrigsten Ersatzteilpreise haben. Erstaunlicher schon, dass die Harley-Ersatzteile so günstig sind. Ein genauerer Blick zeigt aber, dass bei diesem Motorrad viele konventionelle beziehungsweise eher „antiquierte“ Teile verbaut wurden. Elektronische Displays, LED-Leuchten oder aufwendig geschmiedete Hebel findet man eher bei den anderen Kandidaten. Diese Teile mögen schöner, moderner und besser sein, kosten aber auch mehr. Zukünftig werden Ersatzteile also aufgrund weiterer technischer Aufrüstung preislich noch etwas zulegen. Bleibt zu hoffen, dass die Anbieter ihre Teilelogistik weiterhin so optimieren, dass sie keine Apothekerpreise aufrufen müssen.

Sturz- und Verschleissteile im Vergleich

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Das kann für den Duacti-Fahrer teuer werden.

BMW R 1200 GS Ducati Multistrada 1200 Harley-Davidson XL 1200 X Honda CBF 600 S
Verschleißteile*
Bremsbeläge vorn 123,14 173,70 69,00 174,78
Bremsbeläge hinten 71,29 29,87 63,00 42,22
Bremsscheibe/n vorn 494,80 463,32 176,00 335,90
Kupplungs-Satz kpl. 116,20 298,21 296,00 46,90
Batterie 136,20 109,22 168,00 120,83
Lenkkopflagersatz 132,45 80,22 88,00 61,17
Radlagersatz vorne 20,00 31,42 128,00 37,84
Federbein/e hinten 767,73 998,95 452,00 345,50
Summe 1861,81 2184,91 1440 1165,14
Sturzteile*    
Kupplungsarmatur 259,18 235,95 54,00 21,93
Handbremsarmatur 267,04 226,75 173,00 39,27
Rückspiegel (Stück) 56,29 91,93 47,00 34,57
Blinker vorn (Stück) 51,90 67,41 89,00 38,32
Instrumentenkombi 687,23 656,37 169,00 1011,50
Scheinwerfer-Einheit 327,25 489,05 153,00 289,48
Tank lackiert 841,88 796,71 803,00 909,04
Endschalldämpfer/Stück 568,52 551,57 477,00 627,30
Gabelbrücke oben 457,89 245,14 229,00 272,72
Gabelstandrohr 287,98 475,57 128,00 259,21
Gabeltauchrohr 480,40 876,38 229,00 166,74
Vorderrad/Felge vorn 280,13 985,46 636,00 624,30
Kotflügel vorn 42,02 166,70 482,00 117,29
Rahmenheck 1573,42 637,36 459,00 298,34
Rücklichteinheit 133,60 153,21 78,00 147,92
Kennzeichenträger 24,48 47,80 31,00 38,40
Summe 6339,21 6703,36 4237 4896,33




Kawasaki
ER-6n
KTM
990 Supermoto
Suzuki
Bandit 1250
Triumph
Tiger 800
Yamaha
XJ6
Verschleißteile*




Bremsbeläge vorn 115,93 106,02 103,29 111,32 60,12
Bremsbeläge hinten 41,01 49,50 60,53 50,27 33,27
Bremsscheibe/n vorn 504,14 375,80 385,08 460,96 277,28
Kupplungs-Satz kpl. 132,57 254,92 197,74 213,95 197,01
Batterie 133,93 205,39 86,56 100,85 101,50
Lenkkopflagersatz 76,54 49,98 76,60 51,66 103,51
Radlagersatz vorne 38,56 45,52 56,36 57,75 19,16
Federbein/e hinten 296,27 1078,85 403,26 788,00 325,66
Summe 1338,95 2165,98 1369,42 1834,76 1117,51
Sturzteile*
 
 
Kupplungsarmatur 109,96 42,42 227,34 76,12 24,62
Handbremsarmatur 282,07 87,82 232,02 227,92 160,07
Rückspiegel (Stück) 51,77 19,34 42,53 69,91 52,81
Blinker vorn (Stück) 43,14 14,58 40,00 51,34 22,76
Instrumentenkombi 733,19 268,23 429,16 779,82 475,90
Scheinwerfer-Einheit 285,02 114,18 254,08 300,32 326,00
Tank lackiert 587,71 969,73 672,71 776,82 537,80
Endschalldämpfer/Stück 592,58 779,69 691,40 626,12 1267,25
Gabelbrücke oben 183,72 150,06 399,56 178,34 190,51
Gabelstandrohr 232,62 294,47 312,29 368,80 116,17
Gabeltauchrohr 241,07 485,28 248,57 336,33 156,64
Vorderrad/Felge vorn 526,30 611,60 572,58 659,90 459,11
Kotflügel vorn 63,02 117,69 138,35 150,50 90,14
Rahmenheck nicht
erhältlich
485,70 nicht 
erhältlich
nicht
erhältlich
nicht
erhältlich
Rücklichteinheit 142,29 57,89 101,03 103,21 77,25
Kennzeichenträger 50,44 35,58 10,00 43,98 28,92
Summe 4124,9 4534,26 4371,62 4749,43 3985,95


*Alle Preisangaben sind unverbindliche Preisempfehlungen der Hersteller/Importeure in Euro inkl. MwSt, Stand Dezember 2011. Genannt wird (wenn nicht explizit angegeben) der Komplettpreis aller benötigten Teile, z. B. bei einer Doppel-Bremsscheibe vorne ist die Summe für beide Bremsscheiben sowie für die Bremsbeläge für beide Bremszangen angegeben.

Fazit

BMW
Der Bestseller aus Deutschland wirkt mit Blick auf die Summe bei den Verschleißteilen nicht überteuert.

BMW
Der Bestseller aus deutschen Landen wirkt mit Blick auf die Summe bei den Verschleißteilen unterm Strich nicht überteuert. Manche Austauschteile rangieren preislich deutlich unter denen von halb so teuren Einsteigermodellen der Konkurrenz.

Ducati

Beim schnellen GS-Konkurrenten aus Italien muss der Geldbeutel zwar weiter geöffnet werden. Doch in vielen Einzelteilen liegen die beiden SUVs auf einer Wellenlänge. Besonders happig sind nur wenige Komponenten wie Felge oder Federbein kalkuliert.

Harley-Davidson

Harley-Fahren ist unterm Strich ein günstiges Vergnügen. Zum generell bekannten, überduchschnittlichen Werterhalt gesellen sich niedrige Preise beim Unterhalt. Auch der Verzicht auf teure Technik (z. B. LED-Lichter oder LCD-Cockpit) zahlt sich aus.

Honda

In der Golfklasse regiert bei den Verschleißteilen der Rotstift. Günstiger als mit der Honda ist man in dieser Aufstellung nur noch mit der Yamaha XJ6 unterwegs.  Bei den Sturzteilen ist man auch gut aufgestellt - solange man nicht das Cockpit austauschen muss.

Kawasaki

Die ER glänzt mit einer soliden Bilanz. Bei den Wartungsteilen sind die Konkurrenten von Honda und Yamaha etwas günstiger. Dafür macht die Kawa bei der Beseitigung von Sturzschäden wieder Boden gut - auch wenn Harley effektiv noch günstiger ist.

KTM

Die Ersatzteilbilanz für das Spaß- und Spielgerät aus Österreich macht einmal mehr klar, dass KTM-Fahren verschleißintensiv sein kann, dabei aber nicht den Piloten schröpft. Sturzklassiker wie Blinker und Spiegel lassen sich fast schon aus der Portokasse zahlen.

Suzuki

Die dicke Bandit punktet mit einer sehenswerten Aufstellung der Sturz-und Verschleißteilpreise. Das Vollwert-Bike in der Ü-Einliterklasse steckt an der Ersatzteiltheke auch manches Einsteigermoped in die Tasche. Ein echtes Schnäppchen: die Batterie.

Triumph

Der kleine Geländetiger pirscht in der Wartungsanalyse dicht auf den Spuren der 1200er-GS. Bei Geländeausflügen sollte man Bedacht walten lassen und Schäden an teuren Komponenten wie Kotflügel, Cockpit, Tank und Endtopf möglichst meiden.

Yamaha

Die XJ6 scheint auch mit Blick auf die Folgekosten ein echtes Bike für Einsteiger zu sein. Selbst Allerweltsteile wie Bremsbeläge  sind besonders günstig in Originalqualität zu bekommen. Happig wirds nur, wenn der Unterflur-Auspuff getauscht werden muss.

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