Gefilterte Luft ist für moderne Hightech-Motoren lebensnotwendig. Egal ob MotoGP, Formel 1, -Hubschrauber oder Schnellboote. Ein Besuch beim weltweit aktiven Filterhersteller BMC in Italien.
Mittagszeit in Italien - die Pasta natürlich „al dente“ serviert, die Arbeitswelt steht zu dieser Stunde artig hinten an. Vermeintlich alles perfekt an diesem Freitag in der Nähe von Bologna. Keine 20 Kilometer entfernt dröhnen in Imola die WM-Superbikes, im Fernsehen läuft live das Abschlusstraining zur MotoGP in Assen. Dr. Gaetano Bergami, Eigentümer von BMC, dreht derweil etwas lustlos mit der Gabel in den Nudeln umher und erklärt: „Für Yamaha entwickeln und fertigen wir bei BMC seit längerem Rennsportluftfilter und Airboxen. Wenn Jorge Lorenzo wegen seines Schlüsselbeinbruchs gestern eventuell nicht Weltmeister wird, ärgert mich das, dann will ich jetzt erst einmal gar nichts sehen.“
Geschäft und Leidenschaft, in Italien keine Seltenheit, aber Gaetano Bergami verkörpert diese beiden Eigenschaften perfekt. Der studierte Jurist, Jahrgang 1951, begann schon früh mit der Motorradfahrerei, bekam vom Vater eine BSA 650 und dann eine Norton Commando, als er noch nicht mal 20 war. Die Neugier, eine weitere Eigenschaft Bergamis, trieb ihn schon 1972 nach Japan, weil er wissen wollte, wie die Japaner Motorräder bauen. Im Land der aufgehenden Sonne traf er den bis heute so legendären „Pops“ Yoshimura und begann fortan dessen Teile nach Italien zu importieren. Danach ging es über die Jahre mit „Bergami Motor Cycles“, kurz BMC, munter weiter. Mikuni-, Kayaba-, Bridgestone-Vertrieb, und mit den englischen Cosworth-Teilen gab es erste Kontakte hinein in die Formel 1. In der Zwischenzeit entstanden bei BMC, ab 1973, etwa 40 komplette Rennmotorräder, die hauptsächlich auf der Langstrecke brausten. Aber auch da ganz Geschäftsmann und Spürnase, stoppte Gaetano Bergami 1984 diesen Bereich, als die Japaner mit Werksmotorrädern und guten Fahrwerken die Zeit der Tuningfirmen allmählich beendeten.
Zwei wichtige Bausteine in der Firmengeschichte: von den 70ern bis in die 80er baute BMC Rennmotorräder. Mit Ferraris Zwölfzylinder begann 1995 die Luftfilterherstellung.
Wie immer im Leben helfen ab und an aber auch die Zufälle. 1995 ist Ferrari auf der Suche nach Filtern und landet bei BMC. „Ich fragte nach den Rahmenbedingungen, und sie schickten ein Zulieferer-Handbuch und gaben uns zwei Wochen Zeit“ erläutert der Chef. „Innerhalb dieses Rahmens haben wir den Filter einfach selbst gebaut.“ Das war der spektakuläre Startschuss für BMC als Filterfirma und der Beginn eines bis heute anhaltenden Wachstums: Von Anfang der 90er-Jahre stieg die Zahl der Mitarbeiter von fünf auf aktuell 60 Beschäftigte. Damals wie heute bilden die Ferrari-Aufträge ein wichtiges Fundament für BMC.
„Es gab keine Limits, und sie haben immer bezahlt“, so Bergami. „Das Wichtigste aber: Wir haben alles, aber auch wirklich alles, entwickelt, ausprobiert und getestet.“ Nun ist so ein Filter inklusive Airbox kein wirklich kompliziertes Teil, aber die Parameter der Konstruktion lassen sich endlos hin und her schieben. Die Filterform an sich, Größe, Durchlässigkeit des Gewebes, Lamellenform, Öl, Airbox und, und, und. Für Motoringenieure zählt nur die höchstmögliche PS-Zahl bei maximaler Schutzwirkung für die am Limit gebauten Triebwerke.
Jedes Teil ist Handarbeit - auch die Serienluftfilter
Neben den elementaren Erfahrungen, die BMC mit Ferrari erlangte, waren damit aber die Türen für alle weiteren Hersteller geöffnet. „Wir produzieren, wenn nötig, 365 Tage im Jahr rund um die Uhr“, verkündet Bergami nicht ohne Stolz. „In all unseren Jahren gab es niemals auch nur einen Tag Verzug.“ Eine der Lieblingsgeschichten des Firmengründers ist auch eine Anekdote mit BMW-Motorsport. Eine Anfrage zwei Tage vor Weihnachten beantwortet er nach einem halben Tag und erhält die lapidare Antwort: „Zu spät.“ Daraufhin lässt er über Weihnachten auf seine Kosten alles produzieren, schickt es nach Deutschland und gewinnt einen neuen Kunden.
Diese Radikalität prägt die Firma. Aufträge von Firmen mit schlechter Zahlungsmoral, Massenware, Dumpingpreise - damit möchte BMC nichts zu tun haben. Jedes Teil, auch bei den Serienluftfiltern, ist Handarbeit, entsprechend hoch das Anforderungsprofil an die Mitarbeiter. Mit der „BMC-Composite“ entstand 2009 die dritte Säule der Firma neben Rennsport und den Nachrüstfiltern. Viele Türen bleiben bei unserem Besuch wegen Geheimhaltung leider geschlossen, da geht es um komplexe Karbonteile in Handarbeit für Luftfahrt, Militär und natürlich den Rennsport.
Nun zurück zu den Nudeln und Yamaha. Hätte der rastlose Bergami freitags schon gewusst, dass der heldenhafte Lorenzo sich direkt operieren lässt, unverzüglich wieder auf die Yamaha steigt und Altstar Rossi gar den GP-Sieg holt, hätte es dem Firmenchef nicht den TV-Nachmittag versaut. Bleibt so nur noch die mittelprächtige Performance des Aprilia-Superbike-Werksteams in Imola zu verdauen. Aber da verschwendet der umtriebige Bergami wenig Tränen, denn schon klingelt fordernd das Telefon: Es gilt, ein neues Geschäftsfeld in Asien anzukurbeln.
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