Werksbesuch beim Ladegeräte-Hersteller CTEK
Marktführer bei den Batterieladegeräten

Was IKEA in Sachen Familien-Möblierung ist, ist CTEK bei Batterieladegeräten für Endverbraucher: Marktführer. Die Schweden liefern mehr als die Hälfte aller in Deutschland zum Einsatz kommenden Stromer. Grund genug, die Nordlichter mal zu besuchen.

Marktführer bei den Batterieladegeräten
Foto: Stefan Wolf

Vikmanshyttan sieht ein wenig so aus wie die DDR 1989. Mit dem Unterschied, dass die Autos weniger stinken und die Bewohner deutlich lustiger drauf sind. Ansonsten ist das in der tiefsten mittelschwedischen ­Pro­vinz gelegene 900-Einwohner-Kaff ein prima Ort, um gepflegt Selbstmord zu begehen, falls man abends nichts anderes vorhat. Kurz gesagt: Vikmanshyttan ist auf den ersten Blick unendlich trostlos. Und das mit dem Charme einer VEB-Kantine um Kundschaft buhlende Dorfgemeinschaftshaus – kulturelles und kulinarisches Highlight der Gemeinde – macht die Sache nicht besser.

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Es gibt also nicht wirklich viele Gründe, sich aus dem rund 180 Kilometer südöstlich gelegenen Stockholm über radarfallen­verseuchte Landstraßen in den Süden der waldreichen und hügeligen Provinz Dalarna zu quälen. Doch, einen guten Grund gibt es: Hier ist das CTEK-Hauptquartier. Hier wird erdacht und entwickelt, was weltweit pro Jahr rund eine Million Ladegerätekäufer erwerben und was Hersteller wie Alfa Romeo, Audi, BMW, Corvette, Ferrari, Lamborghini, Lexus, Maserati, Mercedes, Porsche, Rolls-Royce, Scania und Yamaha als Originalteil im Programm haben. CTEK (was wohl für „Charger Technology“ steht, wobei niemand das K schlüssig erklären kann) wurde 1997 vom Schweden Bengt Wahlquist gegründet.

Mittlerweile 130 Mitarbeiter

Und zwar eher zufällig, denn ursprünglich war das Ladegeräte-Thema nur eines unter vielen, mit denen Wahlquists bereits seit 1982 existierendes Beratungsunternehmen Creator als Auftragsarbeit ab 1992 zu tun hatte. Das Forschungs- und Entwicklungsprogramm endete jedoch abrupt, als der Creator-Kunde von einem amerikanischen Konzern aufgekauft wurde und die Entwickler mit ihrem Ladegeräte-Know-how plötzlich ziemlich allein auf weiter schwedischer Flur standen. Was tun? Genau: mit CTEK ein Unternehmen ins Leben rufen, das das gesammelte Wissen in wirtschaftlich verwertbare Bahnen lenkt. Mit immerhin vier Mitarbeitern legte CTEK los, mittlerweile sind es 130, von denen 70 in Schweden arbeiten und sich im besagten Vikmanshyttan um Forschung und Entwicklung kümmern und von dort aus auch den weltweiten Vertrieb organisieren. Die Produktion erfolgt in drei Fabriken in der chinesischen Zehn-Millionen-Stadt Shenzhen, einer ­Sonderwirtschaftszone im Südosten des Landes, die direkt an Hongkong grenzt. 19 eigene CTEK-Mitarbeiter passen vor Ort ­dar­auf auf, dass fleißige chinesische Hände auch tatsächlich das zusammenbauen, was in Vikmanshyttan erdacht wurde. Von China aus wird die Ware ins belgische Gent verschifft, und von dort geht es hinaus in die Welt – in über 70 Länder.

Mittlerweile sind die Schweden im deutschsprachigen Europa und in Nord­europa mit über 50 Prozent Marktanteil im Endverbraucher-Markt unangefochtener Platzhirsch. Die Erfolgsgeschichte startete so richtig durch, als Porsche 2002 sein ers­tes eigenes Batterieladegerät auf den Markt gebracht hatte und Interesse an den CTEK-Entwicklungen zeigte. Kurz danach war die Zusammenarbeit besiegelt, und das erste OEM-Batterieladegerät (OEM = Original Equipment Manufacturer, auf deutsch: Originalausrüstungshersteller) kam auf den Markt. Dem Porsche-Beispiel folgten Mer­cedes und Ferrari, und plötzlich entschieden sich immer mehr namhafte Fahrzeughersteller, die CTEK-Geräte unter eigenem Namen zu verwenden.

Ein sehr überschaubares, fast schon familiäres Unternehmen

Den deutschen Motorrad-Zubehörmarkt bespielen die Schweden verstärkt seit 2005. Neben ihrem ziemlich offensiven Marketing kam ihnen zu ­Hilfe, dass die bis dahin den Markt beherrschenden Anbieter eher verhalten auf (Batterie-)Technikentwicklungen reagierten und sich zeitweise sogar völlig aus Marktsegmenten (BMW/CAN-Bus) zurückgezogen hatten. CTEK nutzte geschickt die ­entstandenen Lücken, überzeugte mit der fast narrensicheren Bedienbarkeit der auch haptisch überzeugenden Geräte und räumte in diversen Tests kräftig ab – so schreibt man Erfolgsgeschichten.

Bei allem Geschäftserfolg ist CTEK immer noch ein sehr überschaubares, fast schon familiäres Unternehmen geblieben. Natürlich ist der deutsche Schweden-Besucher immer leicht geneigt, dem Bullerbü- und Lönneberga-Kitsch im Pippi-Langstrumpf-Land zu erliegen, doch auch auf den zweiten Blick scheint etwas am ganz speziellen Charme des Landes und seiner Menschen dran zu sein. So auch im Falle CTEK, denn erdacht, entwickelt, ent- und ab und an auch verworfen wird nicht etwa in sterilen Funktionsbauten inmitten eines öden Industriegebietes, sondern an historischer Stätte. Das im Bergbaugebiet Bergslagen gelege­ne Vikmanshyttan hat nämlich eine lange Tra­dition als Standort einer Eisenhütte, einer Schmiede und eines Stahlwerks. Bis Ende der 1970er-Jahre wurde hier im ganz großen Stil gefertigt, zu besten Zeiten produzierten rund 1000 Arbeiter begehrten Spezialstahl.

Außen ziemlich rustikal, innen ein hochmodernes Entwicklungszentrum

Diese Zeiten sind lange vorbei, aber das weitläufige Fabrikgelände mit seinen riesigen Hallen existiert noch immer und wird fleißig genutzt. Als Indoor-Kartbahn, als Standort namhafter Tourenwagen-Rennteams. Und eben auch als CTEK-Hauptquartier. Was von außen meist ­ziemlich rustikal wirkt, ist innen ein hochmodernes Entwicklungszentrum. Neben ­diversen CAD-Arbeitsplätzen in einem gut abgehangenen Verwaltungsgebäude nehmen jede Menge Prüfstände ordentlich Raum in den Hallen ein. Langzeittests mit unzähligen Batterien, die Prüfung elektromagnetischer Verträglichkeit, Wasserdichtigkeitstests, Dauer­erprobungen von Schaltern und noch viele weitere Versuche müssen die Geräte erfolgreich überstehen, bevor die Entwickler das Go zur Serienproduktion geben. Prototypen und Werkzeuge baut CTEK ebenfalls selbst. Die lange Metallverarbeitungstradition des Standortes kommt den Ladegeräte-Profis dabei entgegen: Fachleute und Maschinen sind in bester Qualität vorhanden.

Tolle Computer, bestens ausgestattete Labore und einen eindrucksvollen Maschinenpark gibt’s aber auch woanders – was macht denn nun den Unterschied und den Erfolg aus? Klare (Klischee-)Antwort: der Faktor Mensch. Diesen Eindruck muss man jedenfalls gewinnen, wenn man auf dem mitten im Ort gelegenen Werksgelände her­umstreift und sieht, wie die Schweden – und nicht nur die CTEK-Mitarbeiter – ihren Job erledigen. Der Begriff „entspannt“ trifft es wohl am besten. Nicht entspannt-schluffig, sondern entspannt-konzentriert. Sehr selbstbewusst und mit einer zielgerichteten Lockerheit im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten, die den deutsche Hierarchie-Verkniffenheit gewohnten Beobachter fast schon neidisch machen kann. So schlendern um die Mittagszeit Grüppchen munter plaudernder CTEK-Entwickler entspannt in die besagte VEB-Kantine – korrigiere: ins Dorfgemeinschaftshaus –, und plötzlich wird auch dem ignorantesten MOTORRAD-Schreiberling klar, dass das hier Schweden und eben nicht die DDR ist. Egal wie traurig Vikmanshyttan auf den ersten Blick auch wirken mag.

Nicht die Äußerlichkeiten machen den Erfolg aus

Außen etwas pfui, innen richtig hui – so geht es auch weiter, als die schwedische Reiseleitung die deutschen Besucher zum Abschluss der Stippvisite zu Mats mitnimmt. „Mats macht etwas Motorsport und wird von CTEK unterstützt“, so lautet die unspektakuläre Ansage. Okay, vermutlich ein drittklassiger Hilfsdrifter, der mit ausgenudeltem Gerät durch die schwedischen Wälder rutscht und ab und an ein Ladegerät als Sponsoren-Morgengabe abgreift. Aber wir sind ja höfliche Menschen und schauen uns den Typ mal an. So weit die Erwartungshaltung.

Als dann die Tür von Mats Myrsells unscheinbarer Scheune aufgeht, verschlägt es dem Autor dieser Zeilen und auch dem ­ansonsten um kein Wort verlegenen Fotografen die Sprache: Hinter dem Privat-Heli stehen vier(!) Porsche 911 RS im allerfeinsten Rallye-Trimm – und hängen ganz nebenbei tatsächlich an CTEK-Ladegeräten. Die überaus eindrucksvolle Kollektion des Historic-Rally-Europameisters 2012 und 2013 ist vielleicht das beste Sinnbild dafür, was dieser Schweden-Trip gezeigt hat: Es sind nicht die Äußerlichkeiten, die den Erfolg der Nord­männer ausmachen. Nicht alles, was anfangs langweilig aussieht, ist es auch. Das gilt übrigens auch für Vikmanshyttan.

Interview mit Johan Holmberg

Wolf
Johan Holmberg, Regional Manager bei CTEK für den deutschsprachigen Markt.

„Wir wollen Nummer eins werden“

MOTORRAD sprach mit Johan Holmberg (46), der für CTEK als Regional Manager unter anderem den ­deutschsprachigen Markt betreut. Johan gab den Reiseleiter der geschilderten Tour und erwies sich auch im schwedischen Niemandsland immer als Herr der Lage.

Warum ist das CTEK-Hauptquartier ausgerechnet in der tiefsten schwedischen Provinz ansässig?
Das hier ist ein historischer Standort, bereits 1693 kam der deutsche Metallurge Anders Angerstein hierher und gründete eine Schmiede. In modernen Zeiten hat das Unternehmen Stora, immerhin Europas älteste Aktiengesellschaft, hier Spezialstahl gefertigt. Und außerdem haben wir hier ganz viel Platz und Ruhe, um unsere Produkte zu entwickeln.
Wie lange dauert es vom ersten Gedanken bis zum fertigen Produkt?
Das dauert im Idealfall zirka sechs Monate, davon nehmen die internen Testabläufe sehr viel Zeit in Anspruch. Bevor wir aber überhaupt entwickeln und eine Nullserie produzieren können, werden viele Studien über die wirtschaftliche und technische Machbarkeit erstellt. Und da wir heute praktisch mit allen führenden Herstellern von Premiumfahrzeugen zusammenarbeiten, baut unsere Entwicklung natürlich auch auf den Anforderungen der Hersteller auf. Und das dauert nun mal seine Zeit. Was auch gut ist, denn die hohen Qualitätsansprüche machen sich zum Beispiel in Form einer extrem niedrigen Reklamationsrate bemerkbar. Die liegt bei CTEK bei unter einem Prozent.
Wie sieht euer typischer Kunde aus?
Ein typischer CTEK-Kunde ist ein 40-jähriger Schwede, der sich sehr stark für Fahrzeuge interessiert und es genießt, selbst daran zu arbeiten. Aber natürlich kann es auch ein 50-jähriger Deutscher sein…
Wie groß ist überhaupt der Markt für Batterieladegeräte? Und wie viele verkauft ihr?
Auf der ganzen Welt werden pro Jahr rund 400 Millionen Blei-Säure-Batterien hergestellt. Und jede davon muss ja irgendwann mal geladen werden. Seit der Gründung hat CTEK über 6,2 Millio­nen Batterieladegeräte verkauft, und im letzten Jahr haben wir erstmalig über eine Million Geräte ausgeliefert.

Und wo wollt ihr hin?
Ganz klar: Wir wollen weltweit die Nummer eins werden. In Nordeuropa sind wir das schon, und wir bemühen uns kräftig, den Rest auch noch zu schaffen. Das Bewusstsein für Batterie­pflege und das Laden von Batterien wächst weiter, die Chancen stehen also nicht so schlecht.
Welches Entwicklungspotenzial haben Ladegeräte noch? Was ist in der Pipeline?

Absolute Sicherheit sowie einfache Installation und Bedienbarkeit bleiben neben der reinen Funktion weiterhin die Hauptentwicklungsziele. Im Jahr 2015 kommt von uns ein neues Ladegerät für den Motorrad- und Power Sports-Markt. Auch weitere Ladegeräte und smartes Zubehör werden kommen, aber mehr verraten wir noch nicht…
Wir haben bei Mats Myrsell gesehen, dass ihr euch auch im Motorsport engagiert. Wer wird noch von CTEK unterstützt?
Zum Beispiel Mattias Ekström, zweifacher DTM-Champion, der aus Falun stammt, was nicht weit weg von Vikmanshyttan liegt. Und natürlich Valerie Thompson, die mit dem Motorrad fünf Geschwindigkeitsweltrekorde aufgestellt hat. Ich vermittle dir mal den Kontakt…

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Erscheinungsdatum 15.09.2023