Zu den eher angenehmen Seiten des Älterwerdens gehört Erkenntnisgewinn, der in die Rubrik „Aus Schaden klug werden“ gehört. Während der schraubende Jungspund nämlich meist mit bloßer Hand ans Werk geht, greift der heimwerkende Graubart oft erst dann zum Werkzeug, wenn seine Finger in schützenden Überziehern stecken. Eine sinnvolle Entscheidung, denn die 27 von jeder Menge Sehnen, Muskeln und Nerven umspielten Knochen einer Hand sind Bestandteil einer genialen, aber eben auch sehr empfindlichen Konstruktion, deren Schädigung uns nicht nur das Motorradfahren gehörig vermiesen kann. Manche in abhängiger Arbeit beschäftigte Erwerbstätige neigen dazu, die von ihrem Brötchengeber am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellten Fingerlinge auch im häuslichen Bereich zu nutzen. Das ist vielleicht nicht ganz legal, spart aber zum einen Kosten und ist andererseits auch im Interesse des Arbeitgebers, weil die Verletzungsgefahr abnimmt. Wer diesen Beschaffungsweg nutzen kann, interessiert sich meist wenig für Art und Ausführung seines Handschutzes - das Zeug ist halt da und kostet nichts.
Nun gibt es aber auch Zeitgenossen, die in der bedauernswerten Lage sind, sich ihre Freizeitarbeitshandschuhe tatsächlich selbst kaufen zu müssen. Und diese Menschen stehen im gut sortierten Baumarkt vorm Handschuhregal wie der Ochs vorm Berge, nämlich hilflos. Wie praktisch ist es da, dass es für alles und jedes Normen gibt, so auch für Schutzhandschuhe. Die meisten Gefahren beim Basteln am Motorrad drohen von der mechanischen Seite, der informierte Kunde sucht also zuerst einmal nach dem Logo „Hammer fällt auf Platte“ (siehe auf dieser Seite unten links), und schon hat er mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Produkt erwischt, das nach der Norm EN 388 geprüft worden ist und sogar in die zweite der drei Gefährdungskategorien gehört, also „mittlere Risiken“ mindert. Der vierstellige Zahlencode verrät ihm dann, wie gut das Produkt in vier Prüfpunkten abgeschnitten hat. Ob der Handschuh aber auch fürs Schrauben am Motorrad taugt, lässt sich daraus nur sehr indirekt ablesen. Wenn überhaupt.

Also zurück ans Baumarktregal und erst einmal eine grundsätzliche Entscheidung treffen. Die Frage lautet: Knackig-eng oder locker-luftig? Wer erstgenannte Eigenschaft bevorzugt, wird meist an weitgehend nahtlose, mit elastischen Bündchen auskommende Exemplare aus zum Beispiel beschichtetem Polyamid geraten, die im ersten Moment verdächtig an Muttis Gummihandschuhe erinnern. Bitte nicht täuschen lassen: Wenn der Hersteller seine Hausaufgaben gemacht hat, sind solche Exemplare überraschend „atmungsaktiv“ sowie abriebfest, und sie erlauben dank eines ungemein direkten Griffgefühls auch fummelige Arbeiten. Wer es gern etwas weniger kondomartig mag, landet meist bei einem Materialmix, dessen Hauptbestandteil oftmals Kunstleder ist. Mit jeder Menge Polstern, Verstärkungen und Doppelungen lassen einige Anbieter solche Modelle ungemein wichtig aussehen, über ihre tatsächliche Funktionalität sagt das aber meist gar nichts aus.
Um zu ermitteln, ob das von MOTORRAD recht bunt zusammengekaufte Testfeld auch unter ergonomischen Gesichtspunkten gut aussieht, taten sich die Tester mit einer ausgewiesenen Hand-Fachfrau zusammen: mit Sabine Haas-Schinzel, die in Ulm als Handtherapeutin die „Donaupraxis Hand-in-Hand“ betreibt und eine der ganz wenigen Ergotherapeutinnen ist, die sich in Deutschland durch sehr umfangreiche Fortbildungsmaßnahmen und eine abschließende Zertifizierung durch die DAHTH (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Handtherapie e. V.) auf das Thema spezialisiert haben. Ausgesprochen praktisch, dass Sabine in ihrer Freizeit jede Menge Kilometer auf einer 1100er-GS von BMW und mit einer KTM 350 EXC-F abspult – die Frau weiß ganz genau, von was sie redet.
Von der unglaublichen Bandbreite des Werkstatthandschuhangebots war aber auch sie überrascht. Und dieser Eindruck bestätigte sich auch bei den abschließenden Praxistests in der MOTORRAD-Werkstatt. Da die Anschaffungskosten aber meist in sehr überschaubaren Größenordnungen liegen, spricht nichts dagegen, sich mehr als ein Paar zuzulegen. So lässt sich der ganz persönliche Testsieger ganz bequem daheim herausfinden.
Fazit
Der teuerste Handschuh gewinnt nicht, und das günstigste Angebot wird nicht Letzter. Zwischen dem Erst- und Zweitplatzierten liegen nur zwei Punkte, aber immerhin knapp 16 Euro Unterschied. Das Modell auf dem dritten Podestplatz ist nochmals zwei Euro günstiger. Alles sehr verwirrend? Richtig, wer aber die einzelnen Datenkästen genau studiert und neben dem nackten Urteil auch aufs Material und die Leistungsstufen achtet, kann durchaus seinen ganz persönlichen Testsieger herauslesen. DEN Werkstatthandschuhüberflieger gibt es nämlich nicht. Wer partout kein „Gummihandschuhgefühl“ mag, wird mit der Hälfte der „sehr gut“ beurteilten Modelle nichts anfangen können. Die Liebhaber klassischer Ledergreifer werden womöglich erst mit dem Achtplatzierten glücklich. Etwas Grundsätzliches lässt sich aber feststellen: Der Preis verrät erst einmal gar nichts über die Qualität - zumindest nicht in diesem Test.