Mike Saleske ist Chef von MS Dellen- & Beulentechnik in Nürnberg. Wir haben zwei Patienten-Tanks für den "Dellendoktor" dabei: Einer stammt von einer Honda GB 500 Clubman, der andere von einer VFR 750 F, RC 36. Zwei Stahlblechtanks also, der vom V4-Sporttourer mit einem Dutzend kleiner, flacher Dellen, derjenige vom Einzylinder mit zwei großen, ziemlich tiefen Dellen.
Beulen oder Dellenb im Tank?
Moment mal, Beulen oder Dellen? Mike Saleske erklärt: "Eine Beule bedeutet eine Schwellung nach außen, eine Delle geht nach innen." Also Vorwölbung versus eingedrückte Stelle dort. Nun, dann haben die beiden Honda-Tanks diverse Dellen. "Ausbeulen" trifft es da nicht ganz exakt.
"Wie wird man eigentlich ‚Dellendoktor‘, an welcher Uni studiert man das?" Mike lächelt: "Zwar bieten viele Kfz-Betriebe heutzutage diesen Service an, aber es ist kein anerkannter Ausbildungsberuf." Mike kam letztlich über seine Karriere als Stahlformenbauer, Werkzeugmacher und Maschineneinsteller zu dieser Spezialisierung. Pkw machen wegen Parkremplern und Hagelschäden 90 Prozent seiner Arbeit aus. Nur zehn Prozent entfallen auf Tanks sowie Kotflügel ("Front- und Heckfender von Harleys") von Motorrädern. Jetzt ist der 54-Jährige vielleicht die letzte Rettung für die Honda-Tanks.
Deutschlandweiter Tank-Reparaturservice
"Das sind Klassiker: Mal hat es den Lenker bei einem Sturz in den Tank gedrückt, mal ist in der Garage etwas aus dem Regal gefallen." Oder – hat der Autor selbst schon erlebt – am Motorradparkplatz gleitet jemandem beim Aufbocken sein Motorrad aus der Hand, das unsanft ins Nachbar-Bike kracht. "Unsachgemäße Handhabung" nennt Mike das. Bleibt stets die bange Frage: "Ist da noch was zu machen?" "Kommt immer auf den konkreten Schaden an," erklärt Mike.
Deswegen stünde bei Kunden von weiter weg ("die schicken ihre Tanks aus ganz Deutschland") zunächst stets eine ausführliche telefonische Beratung an. "Entscheidend ist, dass man mir aussagefähige Bilder schickt. Denn ich brauche auch Informationen über die Öffnungen, durch die ich Zugang bekommen kann." Nun, wir haben die Tanks ja gleich dabei. Und Metall an sich sei ja ein "ehrliches Material", meint Mike, "es funktioniert oder es funktioniert eben nicht."
Lackschadenfreie Ausbeultechnik
Zunächst räumt Mike mit einem weitverbreiteten Irrglauben auf: "Mit Druckluft von innen, Vakuum per Saugnapf oder Magnet von außen kann man keine Dellen entfernen." Der "Doktor" erinnert sich: "Früher hat man Dellen und Beulen auch geschlagen und gedengelt – aber das macht den Lack kaputt." Ja und heute? "Arbeiten wir mit gebogenen Hebeleisen, nutzen also Hebelwirkung und stark weiterentwickelte Klebetechnik."
Der Spezialist erklärt seine Kunst: "Die Herausforderung besteht darin, Dellen zu beseitigen, ohne dass gespachtelt und neu lackiert werden muss. "Dies heißt "lackschadenfreie Ausbeultechnik".
"Das Wichtigste habt ihr ja beherzigt," lobt Mike Saleske: "Tankverschluss und Benzinhahn sind bereits demontiert. Nur dann kann ich den Tank gut fixieren und habe Zugang durch den Einfüllstutzen." Das A & O für seine Arbeit sei einfach gutes Licht, hell und im passenden Winkel: "Erst die Lichtreflexionen machen die Dellen richtig sichtbar, zeigen mir exakt jeden Fehler im Lack an und legen den Fokus auf die zu treffenden Druckstellen. So muss ich dann nicht blind herumfuhrwerken."
Vorarbeit der Motorradtank-Reparatur
Doch zunächst mal muss Mike dazu als Vorarbeit den Tank bombenfest fixieren. Dazu hat er sich einen speziellen "Tankständer" gebaut. Trotz viel Erfahrung und Feingefühl muss die Halterung stets individuell an die jeweilige Form angepasst werden: "Jeder Tank ist anders, da muss man sich was einfallen lassen." Und trotz großem Arsenal auch mal einen neuen Halter schweißen. Rund eine halbe Stunde
dauert es, bis der VFR-Tank keinen Millimeter mehr wackeln kann.Und schon geht das Staunen los. Mike wählt aus seinen vielen Hebeleisen aus: Sie unterscheiden sich durch Länge und Krümmungswinkel und haben auswechselbare Aufsätze, sogenannte Drückerspitzen. Im großen Fundus ist schließlich das passende Hebeleisen samt zielführender Drückerspitze gefunden. Dieses Werkzeug führt Mike nun durch einen per Aufsatz geschützten Tankstutzen ein. Dabei muss der Bodybuilder viel Kraft aufbringen, um mit Druck gegen das nach innen gewölbte Metall zu arbeiten.
Reparatur erfordert viel Fingerspitzengefühl
Muskeln sind hier keine bloße Zierde! Durch leichtes Wippen sieht Mike im Schein der Lampe, wo er sich befindet. Passt der Winkel, braucht es eine Verlängerung? Dank viel Fingerspitzengefühl spürt er es auch. Jede Delle unterscheidet sich in Größe, Lage und Spannung. In großen Dellen muss Mike vorsichtig die Spannungen lösen. Aber die vielen Dellen der VFR sind klein, machen es ihm recht leicht. Erst drückt er vor, dann mit einem weiteren Werkzeug nach.
"Wenn man mit zu viel Kraft arbeitet, macht man leicht aus der Delle eine Beule, drückt eine kleine Spitze raus." Um dies zu verhindern, kann Mike die Drückerspitzen noch mittels Tape "puffern". Trotz viel Feingefühl passiert es an einer Stelle: Das Metall bei einer der vielen kleinen Dellen kommt einen Tick zu hoch. Kein Problem: Mike klopft die Minibeule vorsichtig mit dem Rückschlaghämmerchen zurück.
Behandlung von XXL-Dellen im Motorradtank
XXL-Dellen erwärmt der Profi mit der Heißluftpistole, um den Lack elastischer und das Metall formbarer zu machen. "Da reichen 100 bis 120 Grad, mehr als 180 bis 200 Grad können den Lack angreifen." Für die vielen kleinen Dellen am VFR-Tank hat Mike noch die Klebetechnik in petto, um die Dellen von außen anzuheben. Sie kommt auch zum Einsatz, wenn er von innen nicht an die Delle herankommt, etwa weil der Einfüllstutzen im Weg ist. Dafür muss die Stelle sauber und fettfrei sein, ohne Wachs oder Nanoversiegelung.
Mike erhitzt Heißklebestangen auf 140 bis 200 Grad Celsius. Mit dem so verflüssigten Klebstoff bestreicht er einen von der Form und Fläche her passenden Zugadapter, den Klebepin. Hat der Klebstoff die richtige Konsistenz, hängt Mike den Zughammer ein, stemmt sich mit einer Hand rund um die Delle ab und zieht "mit Schmackes" kräftig mit der anderen. "Dafür darf die Delle aber nicht zu tief sein." Zudem ist die Klebetechnik aufwendiger: Sitzt der Kleber richtig? Ist er gut ausgehärtet? Passt seine Temperatur? Und sie hat Grenzen: "Der Kleber kennt ja die Form nicht." Bald sind mit viel Feinarbeit sämtliche Dellen verschwunden! Mike empfiehlt, die Tanks nach der Behandlung zur Rostvorsorge innen neu beschichten zu lassen.
Das Ergebnis: ein makelloser Tank
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der VFR-Tank präsentiert sich nach Polieren der behandelten Stellen wieder makellos. Nicht ganz so gut läuft es mit der vorderen, acht Zentimeter messenden Delle im Tank der Honda GB 500. Weil der hohe innere Rücken des Satteltanks dem Hebeleisen im Weg ist und das Werkzeug immer wieder abrutschen lässt. "Das lässt mich nicht den notwendigen Gegendruck aufbauen, schubst mich immer wieder weg."
Und für Klebetechnik/Anheben ist die Beschädigung zu groß. Zwar kommt die XXL-Delle des Clubman-Tanks etwas hoch, wird kleiner. Doch sie verschwindet nicht ganz. Mikes Rat: damit weiterfahren. Bei manchen der vielfältigen Tanks verhindern mitunter Streben im Innern oder integrierte Benzinpumpen den nötigen Zugang. Generell sei das Metall von Motorradtanks dicker und somit steifer als Autobleche. Bei Tanks aus Aluminium seien die Bleche noch dicker, das Material steifer.
Motorradtank Reparatur ab 150 Euro
Lassen sich auch eingedellte Auspuffe wieder richten? "Das ist meist schwierig", sagt Mike,"oft ist der Zugang ins Innere erschwert, und Edelstahl ist bockelhart, das funktioniert kaum. Und verchromte Auspuffe sind speziell, weil die Chromschicht fast wie Lack reagiert und brechen kann." Daher seien auch verchromte Tankflanken, etwa von Oldtimern, problematisch.
Mike arbeitet penibel, lackiert sogar selbst. Nur bei hoffnungslosen Fällen empfiehlt er einen neuen (Gebraucht-)Tank. Und seine Preise? Beginnen bei rund 150 Euro. Je nach Aufwand kann es aber auch das Doppelte oder Dreifache kosten. Dafür hat man seinen Tank wieder glattgezogen, im Idealfall fast im Neuzustand.