Avinton GT im Fahrbericht

Avinton GT im Fahrbericht Viel ­Motor, wenig Motorrad, kein Schnickschnack

Der gewaltige V2-Roadster Avinton GT erregte vor einigen Jahren Aufsehen, verschwand dann aber in der Versenkung. Nun ist er mit neuem Namen ­wieder zurück. MOTORRAD ist ihn gefahren:

Viel ­Motor, wenig Motorrad, kein Schnickschnack Jahn
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Unmöglich, es geht nicht. Mit der Avinton GT unterwegs zu sein, ohne einen mittleren Menschenauflauf zu verursachen, ist einfach nicht drin. Kein Wunder. Ein monumentaler, luftgekühlter V2, über den sich sehnig eine flache Tankattrappe, gefolgt von einem knappen Höckerchen spannt. Mehr Skulptur denn Motorrad. Bei jedem Ampelstopp, jedem Halt wirbeln die Köpfe herum, bleiben Passanten stehen, versuchen ihre Neugier zu stillen. Feinste Fräs- und Anbauteile erfreuen das Auge, leichte Marchesini-Schmiederäder, die Alu-Hutze auf der Tankattrappe, die gefrästen Gabelbrücken – herrlich! Nur das billig anmu­tende Cockpit wirkt ein wenig deplatziert. Im Zentrum des Geschehens aber steht der urgewaltige, stoßstangengesteuerte S & S-Twin.

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Avinton GT im Fahrbericht Viel ­Motor, wenig Motorrad, kein Schnickschnack
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Eine AC Cobra auf zwei Rädern

Eine AC Cobra auf zwei Rädern sollte Designer Kevin Laigle formen. Ein Motorrad, das Kraft und Dynamik ausstrahlt. Das ist fraglos geglückt. Doch der mächtigen Erscheinung zum Trotz: Kaum hat man sich in den spartanischen Sattel geschwungen, scheint die Maschine zu schrumpfen. Nur 1380 Millimeter Radstand – das ist das ­Niveau moderner 600er-Supersportler. Dazu diese unglaublich schmale Taille und das Fehlen jeglichen überflüssigen Zierrates, nie käme man auf die Idee, man säße auf ­einem Roadster mit 1,6-Liter-Twin. Bis die beiden Zylinder in Aktion treten. Der Anlasser muss die Kurbelwelle nur kurz anschubsen, schon poltert der luftgekühlte V2 los. Lässt die Lenkerenden im Takt der hinauf- und hinabtanzenden Kolben zittern.

Jahn
Im Mittelpunkt des Geschehens steht der S & S-Twin, der die Avinton mächtig wirken lässt. Doch nur, bis man Platz genommen hat.

Die Kupplung geht ausgesprochen leicht, das Fünfganggetriebe weniger, hörbar rastet der erste Gang ein. Und mühelos stiebt die Avinton GT voran. Bedenkt man, dass hier zwei Kolben im Bierkrug-Format 101,6 Millimeter in den Zylindern auf- und abturnen, läuft der Twin bis 2500/min ausgesprochen ruhig. Darüber schickt er kräftige Vibrationen durch Rasten, Lenker und Tank. Dabei lässt sich das quadratisch ausgelegte Triebwerk, wenn’s pressiert, nicht lumpen, scheut auch hohe Drehzahlen nicht und dreht energisch bis zum Begrenzer bei 5800/min. Doch sein echter Wohlfühlbereich ist die erste Drehzahlhälfte.

Hier erwartet den Piloten ein wahrlich souveränes Beschleunigungserlebnis. 168 Newtonmeter aus 1640 Kubikzentimetern sorgen dafür, dass sich die Avinton beim kleinsten Dreh am Kurzhubgasgriff scheinbar mühelos vorankatapultiert. Der V2 schüttelt Schub nur so aus dem Ärmel. Beatmet wird er von einem 41er-Keihin-Flachschiebervergaser, der beim Beschleunigen das charakteristische Zwitschern in die imposante Klangkulisse mischt. Zwei Drosselklappen auf der Oberseite der Tankattrappe – der Tank sitzt unterm eck – bemühen sich um die Steuerung des Luftstroms und Dämmung des Ansaugschlürfens.

Ein Spitzensportler ist sie nicht

Jahn
Der luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor.

Der Vergaser soll später einer Einspritzanlage weichen. Doch noch ist er homologiert. Und sauber abgestimmt sorgt er ­dafür, dass der Motor spontan und ohne Umschweife oder lästige Lastwechsel zur Sache geht.

Lässig über die Lande zu cruisen und von einer Schräglage in die nächste zu schwingen, ist ein außergewöhnliches Erlebnis. Denn die Avinton GT ist handlich und leicht – 177 Kilo trocken, vermeldet das ­Datenblatt –, zudem mit einem wuchtigen, souveränen Motor bestückt.

Ein Spitzensportler hingegen ist die Avinton GT nicht. Dazu fehlt es an Rückmeldung und damit dem Vertrauen für tiefes Abwinkeln oder hohen Speed am Kurveneingang. Wobei die Ceriani-Gabel und das Sachs-Federbein – beide voll einstellbar – ihre Sache eigentlich recht ordentlich machen.

Vielleicht sind die radikalen Fahrwerkseckdaten – 68 Grad Lenkkopfwinkel und nur 85 Millimeter Nachlauf – doch zu viel des Guten. Zumal auch die Bremsanlage mit einer Scheibe im Vorderrad eher vorausschauende Fahrweise fordert. Im ersten Moment packt die Sechskolben-Zange von Beringer kräftig zu. Mit steigender Handkraft erhöht sie die Bremswirkung aber nur noch wenig.

Naked Bike

Avinton wird auf Bestellung in Sommières gebaut

Wirklich neu ist die Avinton GT jedoch nicht. Bereits 2006 tauchte das spektakuläre Motorrad unter dem Namen Wakan erstmals auf, doch schnell geriet der kleine fran­zö­sische Hersteller in finanzielle Probleme. Bis Cedric Klein 2010 auf das brach liegende Kleinod aufmerksam wurde. Der technikbegeisterte französische Ingenieur für Thermodynamik verkaufte kurzerhand seine Firma, um die urwüchsigen Twins wiederauferstehen zu lassen.

Mit einem kleinen Team baut er nun im südfranzösischen Sommières auf Bestellung die Avinton. Wartezeit momentan: drei Monate. Ziel ist es, dass 80 bis 120 Stück pro Jahr einen solventen Liebhaber finden. Nicht nur in Frankreich. Auch beispielsweise in Italien, Deutschland, der Schweiz. Drei Versionen – Race, GT und Roadster – und sechs Ausstattungslinien stehen zur Wahl, aus denen die Kunden ihre Maschine individuell aufbauen und nach Gusto Sattel, Farbe, Federelemente, Felgen oder Sitzposition und Auspuffführung konfektionieren lassen können.

Das hat natürlich seinen Preis: 33.900 Euro. Dafür gibt es aber ein persönlich auf den Besitzer zugeschnittenes Unikat. „Eines“, so Klein, „das die allermeisten Kunden ein Leben lang behalten werden“.

Daten und Fakten

Jahn
Lässig über die Lande zu cruisen und von einer Schräglage in die nächste zu schwingen, ist mit der Avinton GT ein außergewöhnliches Erlebnis.

Motor
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, eine untenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Stoßstangen, Kipphebel, Trockensumpfschmierung, Flachschiebervergaser, Ø 41 mm, Batterie 12 V/19 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Fünfganggetriebe, Kette.Bohrung x Hub101,6 x 101,6 mm
Hubraum: 1647 cm³
Verdichtungsverhältnis: 10,3:1
Nennleistung: 88,2 kW (120 PS) bei 5750/min
Max. Drehmoment: 168 Nm bei 3800/min

Fahrwerk
Zentralrohrrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 46 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druck­stufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Alu­minium, Zentralfederbein, direkt angelenkt, Scheibenbremse vorn, Ø 340 mm, Sechskolben-Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Zweikolben-Festsattel.
Alu-Schmiederäder: 3.50 x 17; 5.75 x 17
Reifen: 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17

Maße und Gewichte
Radstand 1380 mm, Lenkkopfwinkel 68,0 Grad, Nachlauf 85 mm, Federweg vorn/hinten 105/70 mm, Sitzhöhe 790 mm, Trockengewicht 177 kg, Gewicht vollgetankt 192 kg*, Tankinhalt 13,0 ­Liter.
Garantie: zwei Jahre
Farben: Grau, Schwarz, Weiß, Rot
Preis: 33900 Euro

*Herstellerangabe

Naked Bike

Wakan V2 (FB)

Es ist nicht die Regel, dass jemand über Jahre ein Projekt wie die Wakan vorantreibt – und kein Wort darüber verliert. Joël Domergue ist
so jemand. 1992 gründete der heute 50-jährige Ingenieur und Trialexperte die Trialmotorradschmiede Scorpa und führte sie zunächst mit Rotax-, später mit Yamaha-Motoren unter Graham Jarvis zum Sieg bei den Scottish Six Days und zu WM-Platz vier. Und auch zu kommerziellem Erfolg. 6000 Motorräder verkaufte der Trial-Hersteller in zehn Jahren. Bereits in dieser Zeit
reifte die Idee für ein Motorrad ganz speziellen Zuschnitts.
2003 war es dann so weit. Domergue verkaufte Scorpa und begann, seine Version von Carroll Shelbys Traum
mit Akribie in die Tat umzusetzen. Drei Jahre später konnte schließlich die
Serienproduktion der Wakan in Aniane (Frankreich) beginnen.

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