BMW R 18 B im Fahrbericht
Flachere Bagger-Version gut für längere Touren

Analog zur äußerst erfolgreichen R nineT erweitert BMW nun auch die R 18-Modellpalette um zwei weitere Spielarten, die sich voll und ganz dem Touring hingeben. Neben der voll aufmagazinierten R 18 Transcontinental samt Topcase und Vollverkleidung kommt auch die geringfügig zierlichere R 18 B als flachere Bagger-Version. Wir durften die R 18 B bereits fahren.

BMW R 18 B Fahrbericht
Foto: BMW

BMW hat bei der R 18 grundsätzlich alles richtig gemacht, oder besser: BMW hat bei der R 18 nichts Grundlegendes falsch gemacht. Bei einem Cruiser geht es nun mal nicht vorrangig um Gewichtseinsparung, da dürfen schon massive Teile verbaut werden, die das Gesamterscheinungsbild aufwerten und begehrlich machen. Eines dieser Elemente ist der "Big Boxer", BMWs größter Boxer-Motor, der jemals in einem Motorrad in Serie verbaut wurde. Und genau diesen Motor übernimmt die neue BMW R 18 B unverändert – mit all seinem Charisma und den herrlich ausladenden Dimensionen. Es sind also auch hier unfassbare 1.802 Kubik Hubraum aus dem Zweizylinder-Boxer, schnell gerechnet 901 Kubik pro Topf an jeder Seite. Das stampft natürlich auch bei der neuen R 18 B gewaltig, allerdings so, dass es Spaß macht und kontrollierbar ist. Und vor allem mit diesen gewissen Vibrationen, die man an einem Schwermetall-Cruiser schätzt.

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Boxer mit ordentlich Schmalz aus dem Keller

Jedenfalls sind die neue BMW R 18 B und ihre noch tourentauglichere Schwester R 18 Transcontinental (höhere Scheibe, Topcase am Heck) glaubwürdiger als die K 1600 B und K 1600 Grand America mit dem seidigen, aber eben doch zu ruhig laufenden Sechszylinder-Motor. Dann doch lieber zwei Riesen-Töpfe, die es auf 91 PS bei 4.750 Umdrehungen bringen. Ein ordentlicher Wert, der in der heutigen Zeit bei solchen Cruisern allerdings nicht wirklich beeindruckt, vielmehr ist es das Drehmoment, das man am Stammtisch voller Stolz verkünden könnte: 158 Newtonmeter bei nur 3.000 Umdrehungen und – sogar noch beeindruckender – permanent mindestens 150 Newtonmeter zwischen 2.000 und 4.000 Touren. An Kraft aus dem Keller und aus der Mitte mangelt es also nicht und auch die Elektronik ist ausgezeichnet abgestimmt, dank Ride-by-wire schiebt die R 18 B bereits ab knapp 1.000 Touren stoisch hoch, ohne zu ruckeln oder sich unangenehm abzuarbeiten.Das ist aber keine bahnbrechende Änderung gegenüber der nackten R 18 und ihrer nahezu baugleichen Schwester R 18 Classic, deren Motoren sich ebenfalls so gut benehmen.

Unsichtbare, aber entscheidende Änderungen am Rahmen

Die wahre Änderung ist vielmehr der Stahlrahmen, der bestenfalls von Kennern und Insidern als neu erkannt würde. Wer allerdings die Daten liest, merkt doch eine gewisse Radikalität in den Maßnahmen. Der Lenkkopf wird bei R 18 B und Transcontinental um mehr als 5 Grad steiler gestellt (62,7° statt 57,3°), was den Radstand auf 1.695 Millimeter verkürzt (statt 1.731 mm bei R 18 und R 18 Classic). Das ist natürlich immer noch ein langer Radstand, aber doch um rund 35 Millimeter kürzer, was der Wendigkeit des schweren Baggers zu Gute kommen soll. Dafür wurde das Offset der Gabel so verändert, dass der Nachlauf wiederum länger wird und für einen anständigen Geradeauslauf sorgt.

BMW R 18 B Fahrbericht
BMW

Im Fahrbetrieb ist die R 18 B jedenfalls äußerst harmonisch unterwegs, man merkt die stolzen 398 Kilo am ehesten beim Rangieren und bei sehr langsamer Fahrt und klarerweise beim Hochwuchten vom vielleicht längsten Seitenständer der Welt. Diesbezüglich empfiehlt sich, bei der R 18 B und vor allem bei der noch schwereren R 18 Transcontinental, die sogenannte "Rückfahrhilfe" aus dem Zubehörprogramm, die auf solchen Schwermetallen keineswegs peinlich ist, sondern eher vor peinlichen Situationen bewahrt, wenn man am Ende Hilfe beim Ausparken bräuchte.

R 18 B mit erstaunlich agilem und präzisen Handling

In Action, also auf der Landstraße, lässt sich die BMW R 18 B erstaunlich agil bewegen und man darf auf ein präzises, wenn auch nicht verstellbares Fahrwerk vertrauen. Das war allerdings laut BMW so gedacht, der Fahrer soll sich um nichts kümmern müssen, die Abstimmung ist ohnehin ein guter Kompromiss zwischen Komfort und Straffheit – natürlich mit einer klaren Tendenz in Richtung Komfort. Als praktisches Gimmick gibt es dafür einen automatischen Fahrlagenausgleich, also eine Niveau-Regulierung, mit der die Federvorspannung des hinteren Federbeins wie von selbst in die optimale Position wandert und damit die Maschine völlig unempfindlich gegenüber Zuladung in Form von Sozia/Sozius oder Gepäck macht. Die R 18 Transcontinental lädt mit ihrem fest verbauten Topcase, der höheren Scheibe, den Sturzbügeln, dem fetteren Sattel und den noch effizienteren Windabweisern nochmals fast 30 Kilo mehr auf, wird aber so wie die R 18 B im Fahrbetrieb ebenfalls keine Sorgen bereiten.

Gewagte Lackierung "Galaxy Dust Metallic Flip-Flop"

Das hohe Gewicht von R 18 B und Transcontinental geht allerdings nicht nur auf Kosten der massiven Bauweise sondern auch auf jenes der umfangreichen Ausstattung. Zwar ist die Liste der Sonderausstattungen und originalen Zubehörteile gewohnt lang und umfangreich, schon alleine die Option 719 hat unzählige, richtig tolle Teile im Programm. Die extravagante Lackierung Galaxy Dust Metallic sollte man allerdings in Natura ansehen, denn der Flip-Flop-Effekt mit Wechsel zwischen Grün und Violett ist vermutlich nicht jedermanns Sache.

BMW R18 B Galaxy Dust
BMW Motorrad
Die extravagante Lackierung Galaxy Dust Metallic sollte man sich in Natura ansehen, denn der Flip-Flop-Effekt ist vermutlich nicht jedermanns Sache.

Auf technischer Ebene lassen sich an den beiden neuen R 18-Versionen aber nur sehr wenige Features dazu bestellen: Adaptives Kurvenlicht, Hill Start Control, radargestützter Tempomat ACC (Active Cruise Control – funktioniert im Übrigen ausgezeichnet) und die bereits empfohlene Rückfahrhilfe – das war’s auch schon. Die drei Fahrmodi Rain, Rock & Roll und die automatische Stabilitätskontrolle (ASC) sind ebenso Serie wie die Motorschleppmomentregelung, das Keyless Ride-System, das riesige 10,25 Zoll TFT-Farbdisplay mit voller Connectivity (die sogar das gesamte Display als Navi nutzen kann), LED-Licht rundum, Heizgriffe und die herrlich basslastige Musikanlage Marshall Gold Series.

Bremsen entsprechen Klassen-Standard

Die BMW R 18 B also ein rundum gelungener Bagger? Eigentlich ja, wenn man akzeptiert, dass die Bremsanlage auf einem Niveau arbeitet, das im Rahmen der Konkurrenzprodukte aus Amerika durchaus Standard ist. So mancher BMW-Fahrer könnte sich schon daran stoßen, dass die Anlage der R 18 B etwas mehr Handkraft benötigt und dann auch etwas träger verzögert. Da die Bayern aber schon sehr lange Erfahrung mit der Abstimmung von Bremsanlagen haben, muss man eben davon ausgehen, dass die Bremse der R 18 B mit voller Absicht so gestaltet wurde – man will ja niemanden erschrecken. Dazu passt auch das Vollintegral-ABS, das beim jeweiligen Betätigen der Vorderrad-/ Hinterrad-Bremse die jeweils andere Bremse mitbetätigt. Das führte zumindest beim Autor zu einer unerwarteten Situation, als er die hintere Bremse testen wollte und dabei von einer tief eintauchenden Gabel vorne überrascht wurde, weil die vordere Bremsanlage plötzlich voll in die Scheiben biss, ohne dass der Bremshebel betätigt wurde.

Sitzposition sorgt für Vertrauen

Nur bedingt kann man der neuen R 18 B ankreiden, dass sie nicht diese typischen, vorverlegten Fußrasten hat, wie sie ein Cruiser in der Regel besitzt. Denn die Zylinder verhindern das nun mal, da kann man raunzen oder das Beste daraus machen. Gerade bei den nassen Straßen, auf denen die Hälfte der Tour stattfand, geben die vergleichsweise weit hinten liegenden Rasten dank der aktiveren Sitzposition mehr Vertrauen. Und in Wahrheit denkt man bereits nach wenigen Kilometern gar nicht mehr daran sondern erfreut sich an der herrlich gelungenen Mischung aus analogen und riesigen digitalen Armaturen vor sich und genießt den genialen Sound aus den Marshall Gold Series Stage 1-Boxen. Denn genau darum geht es auf diesem Bagger!

Fazit

Die BMW R 18 B unterscheidet sich zwar nur durch ein schlichtes "B" von der normalen, nackten R 18, erschließt allerdings ein viel weiteres Spektrum der Nutzbarkeit. Mit der breiten Verkleidung und den Seitenkoffern stehen nämlich auch längere Strecken auf dem Programm und machen dank der gemütlichen Sitzposition auch eine Menge Spaß. Der Motor, von BMW als "Big Boxer” bezeichnet, ist eine Wucht und das Fahrwerk darf als durchaus gutmütig und präzise bezeichnet werden. Lediglich die Bremsen könnten etwas schärfer sein. Die Elektronik und vor allem die Marshall-Musikanlage sind auf Top-Niveau.

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023