Ducati Diavel 1260 S im Fahrbericht
Neues Power-Bike geht teuflisch ab

Nicht alle Motorräder folgen denselben Mustern. Zum Glück. Ducati hat den Mut, eigene Wege zu gehen. Das Powerbike Diavel sprengt mit seinem Stilmix seit 2011 Konventionen, begründete eine völlig neue Motorrad-Spezies. Nun haben Designer und Ingenieure es einer Generalüberholung unterzogen. Wie schlägt sich die neue Ducati Diavel 1260 S auf der ersten Testfahrt?

Was ist Mut? Eigene Wege zu gehen. Hat Ducati. Und für die Saison 2011 Stil-Elemente von Power-Nakeds, Cruisern und Sportlern gekreuzt. Das Ergebnis war die erste Diavel. Seither rollten bereits 35.000 dieser unvergleichlichen Maschinen samt ihrer Power-Cruiser-Schwester XDiavel von den Bändern in Bologna. Doch während die X-Diavel bereits seit ihrem Erscheinen im Jahr 2016 das volle V2-Programm in Form des 1262 Kubik großen DVT-Motors bekam, musste sich die Diavel bislang mit „nur“ 1198 Kubik begnügen. Das ist nun vorbei, ab jetzt hat auch die „allroundigere“ Diavel – Ducati selbst sieht sie als „Mega Monster“, als Power Naked – den Desmo-V2 mit 1262 cm³ und variabler Ventilsteuerung DVT.

Unsere Highlights

Desmo-V2 hängt bissig am Gas

Und so erwacht der XL-V2 morgens in Südspanien mit einem tiefen und bassigen Sound. Potent, aber nicht aufdringlich klingt die Duc aus ihren nun zwei kurzen Austrittsmündungen im Stil der XDiavel. Längere, fette Schalldämpfer, das war früher. Vom ersten Moment an ist der Mörder-Motor hochmotiviert dabei. Der Desmo-V2 hängt unglaublich bissig am Gas, ohne aggressiv-ruppig zu sein. Was für ein Haudegen. Power trifft bei diesem Satansbraten durchaus auf Kultiviertheit. Spätestens ab Ab 5.000 Umdrehungen geht der Motor teuflisch ab, gibt es kein Halten mehr. Da bist Du froh, dass die ausgeprägte Sitzmulde dich wie bei einem Dragster nach hinten abstützt. Hinten runter fallen ist ausgeschlossen.

Ducati Diavel 1260 S.
Ducati
Der V2-Motor hängt bissig am Gas.

Dazu tragen auch die in acht Stufen programmierbare Wheelie-Kontrolle und eine spezielle Launch Cotrol: Dieses System garantiert heftige, aber sichere Starts nicht bloß auf dem Drag Strip. Dafür sorgen eine optimierte Steuerung des maximal verfügbaren Drehmoments bei eingeschaltetem DTC und einer ständigen Abhebeerkennung des Vorderrads durch die neue Sechs-Achsen-IMU von Bosch. Weck den Dragster-Piloten in dir. Ganz ohne Burnouts und fast ohne Power-Wheelies. Einfach den Hahn voll spannen und die Kupplung flott voll kommen lassen, den Rest regelt die Elektronik …

Sitzbank deutlich verbessert

Aber keine Angst, die Diavel kann auch anders. Handzahm nämlich. Das Motorrad ist richtig toll ausbalanciert, das merkst du beim Langsamfahren. Das sind ja schon fast Honda- oder BMW-Tugenden. Selbst beim Wenden (enger Wendekreis!) Und die Sitzbank präsentiert sich deutlich verbessert. Sie gibt sich komfortabel-kommod und schön schmal geschnitten im Übergangsbereich zu Rahmen und Tank.

Ducati Diavel 1260 S.
Ducati
Der Hubraum ist auf 1262 cm³ angewachsen.

Du sitzt sehr drin im Motorrad, fühlst dich wunderbar geborgen. Und zwar mit einem ganz entspannten Kniewinkel. Auch für kleinere Piloten ist es eine leichte Übung, beide Füße auf dem sicheren Erdboden zu bringen. Mittschiffs montiert sind die Fußrasten. Dadurch setzte nicht so Klappmesser-artig wie auf der eher Cruiser-artigen Schwester XDiavel. Kritik? Ja, die Spiegel dürfte etwas mehr vom rückwärtigen Verkehr anzeigen. Für den Sozius gibt es einen größer gewordenen Platz. Und, sicher ist sicher, einen aus dem kecken Heck herausziehbaren Haltebügel.

Power trifft Drehmoment

Tachoanzeige 100 im sechsten Gang entsprechen ungefähr 3.700 Umdrehungen. Das ist mal niedrig. Drei Fahrmodi ab Werk koppeln Leistungsabgabe, Gasannahme, und die Regelschwellen von ABS (dreistufig), Wheelie-Kontrolle und Traktionskontrolle (je achtstufig). Im Urban-Modus (er sollte angesichts Spanischen Landregens besser „Rain“ heißen), liegen nur noch 100 PS an. Ja Freunde, es sind moderne Zeiten. Heutzutage kaufst du 2 bis 3 Motoren in einem. Ehrensache, dass Traktionskontrolle und Kurven-ABS gefahrene Schräglage adaptieren. Der neue Zentralrechner mit Sechs-Achsen-IMU macht’s möglich.

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Naked BikeCruiser

Was Du davon merkst? Ganz einfach: Der technokratische Testastretta geht teuflisch ab, schickt einfach himmlisch an. Ein echtes Mega-Monster dieser Desmo-V2. Pracht und Herrlichkeit. Ducatis variable Ventilsteuerung DVT beeinflusst beide Nockenwellen den gesamten Drehzahlbereich. Je nach Lastzustand, Drehzahl und eingelegten Gang. High Tech kann man in Bologna. Power trifft Drehmoment und auch ein wenig Drehzahl. Im Zweifelsfalle lässt Du es lieber einen Gang höher angehen. Wie die riesigen Kolben dann oben heraus auf die Kurbelwelle einprügeln und einhämmern, da könnte man schon fast Mitleid bekommen.

Federelemente leisten einen guten Job

Perfekt adaptiert präsentiert sich die achtstufig einstellbare Traktionskontrolle. Ein echtes Fangnetz, auf das man sich fast blind verlassen kann. Das schafft viel Zuversicht und Vertrauen, auch wenn’s mal dick kommt. Ducati ist stolz darauf, es allein, ohne die Hilfe von Bosch programmiert zu haben. Überraschend leichtgängig lässt sich der Kupplungshebel ziehen. Doch über weite Strecken hat die Kupplungshand Pause. Wobei der Schaltassistent mit Blipper-Funktion beim Hochschalten deutlich sanfter und selbst bei kaum geöffneten Drosselklappen zu Werke geht als beim Runterschalten im Schiebebetrieb. „Den höheren Gang einzulegen, ist leichter zu kalibrieren,“ berichtet Ducatis Entwicklungs-Ingenieur.

Ducati Diavel 1260 S.
Ducati
Für das Design wurde sie mit dem "Red Dot Design"-Award ausgezeichnet.

Schön feinfühlig bilden die Federelemente bilden das Asphaltrelief ab. Du merkst jederzeit was unter dir los ist, ohne je darunter zu leiden. So schaffen die edlen Öhlins-Teile einen fantastischen Spagat von komfortabel bis straff: In der Standard-Diavel sitzt vorne eine 50er- Upside-down-Gabel von Marzocchi. Doch die S vertraut auf eine Titan-Nitrit beschichtete Front Forke von Öhlins mit „nur“ 48 Millimeter Standrohrdurchmesser. Sie spricht fantastisch an. Immer wieder überraschend, wie toll und rund dieses Machobikes par excellence so fährt. Vollkommen easy nämlich.

Gewicht liegt bei 233 Kilogramm ohne Sprit

Der 240er-Pirelli Diablo Rosso III mit seiner richtig runden Motorradreifen-Kontur ist ein Wunderreifen. Die fette Pirelli-Pelle macht das Motorrad so leichtfüßig, dass es eine Pracht ist. Präzise hält die Ducati selbst engere Radien. Running Wide? Nicht wirklich. Längsrinnen oder -rillen laufen die Pneus aus deutscher Produktion kaum hinterher. Klasse! Hier haben die Reifenbäcker die Quadratur des Kreises erschaffen. Gemessen an Radstand, Reifenbreite und Gewicht ist das ein echter Kurvenkünstler. 233 Kilogrammm ohne Sprit gibt Ducati für die S-Version an. Die Standard-Version soll zwei Kilogramm mehr wiegen. Gewichtsverteilung ist ziemlich genau 50 zu 50, versprechen die Ingenieure.

Ducati Diavel 1260 S.
Ducati
Ducati spendiert der neuen Diavel unter anderem eine Wheelie-Kontrolle.

Dieses diabolische Naked Bike fährt herrlich agil. Wenn man's nicht besser wüsste, würde man niemals glauben, dass hier eine Heckwalze des Formats 240/45 auf einer fetten 8 Zoll Felge rotiert. Teufel aber auch, hier geht's richtig weit runter. Bis zur Reifenkante und 41 Grad Schräglage, um genau zu sein. Muss ein harter Job für das Federbein sein, den 240er so neutral zu halten. Nur in ganz engen Kurven (Kreisverkehre morgens bei noch kalten Reifen) kippte das mächtige Motorrad ein wenig weiter von allein ab. Je schneller je lieber, auch die Diavel ist eben ganz Ducati.

Knapp 20.000 Euro in der Basis-Version

Für Haptiker ist dieses mächtige Motorrad eine Erfüllung: Viele liebevolle Details treffen feinstes Oberflächen-Finish. Hast Du dir jemals Gedanken über Spaltmaße bei einem Motorrad gemacht? Hier wird es Zeit, bei der Gestaltung des völlig neuen Bodyworks. Konzernmutter Audi lässt grüßen. Die metallischen Blenden über dem Kunststofftank bieten einem Magnet-Tankrucksack sicheren Halt. Das Cockpit bietet vier verschiedene Anzeige-Optionen! Dazu zählen City (Geschwindigkeit gut ablesbar) und Voll-Modus, aber auch eine Option für Rennstrecken.

Ducati Diavel 1260 S.
Ducati
Als Basis-Bereifung entschied sich Ducati für den Pirelli Diablo Rosso III.

Und ein Mini-Gepäckfach unterm Fahrersitz mit USB-Anschluss ermöglicht, ein Handy sogar während der Fahrt zu laden. Doch trotz Bluetooth-Konnektivität für Anrufe und Musik ist die neue Diavel kein Computer auf Rädern. Sondern ein Fahr-Erlebnis der dritten Art. Allerdings braucht man angesichts von mindestens 20.000 Euro Basispreis schon eine gut gefüllte Kleingeld-Schatulle dafür …

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Erscheinungsdatum 15.09.2023