Wer mit Kopfschmerzen und glasigen Augen erwacht, sich berauscht fühlt und fürchtet, am Vortag illegale Dinge getan zu haben, kann sich in diesem Fall beruhigen: Er ist wohl einfach die neue Hellcat gefahren.
Wer mit Kopfschmerzen und glasigen Augen erwacht, sich berauscht fühlt und fürchtet, am Vortag illegale Dinge getan zu haben, kann sich in diesem Fall beruhigen: Er ist wohl einfach die neue Hellcat gefahren.
Der Name ist Programm: höllisches Donnern statt himmlischer Harfenklänge, loderndes V2-Feuer statt lauwarmes Lüftchen - die Hellcat hat zweifellos nichts mit Schmusekätzchen am Hut. Ihr Revier sind martialisch gestylte, brutal zupackende V2-Männermotorräder, die Weicheier schon beim Anblick vergraulen, wo minderbetuchte Möchtegern-Machos schon beim Gang zur Kasse aussortiert werden.
Knapp 50000 US-Dollar, also rund 38000 Euro sollte lässig auf den Tresen werfen können, wer sich mit dem Kauf in den erlauchten Kreis der Confederate-Besitzer wie Tom Cruise und Brad Pitt einreihen will. Was bekommt der Kunde für die Kohle - einen schnöden Custom-Cruiser? Keinesfalls. Vielmehr eine Art extravagante, wuchtige Neuinterpretation des Café Racers englischer Tradition, jedoch mit typisch amerikanischem, stampfendem V2. Dieser stammt traditionell von der Motorenschmiede S&S, doch hebt sich der neue deutlich von der Riege alter Twins nach Harley-Vorlage ab. Der jüngste V2, der nun mit einem Zylinderwinkel von 56,25 Grad aufwartet und seine drei untenliegenden Nockenwellen (zwei Auslass-, eine gemeinsame Einlass-Nockenwelle) hinter einer Plexiglasabdeckung offen zur Schau trägt, fungiert als tragendes Element im neuen Chassis. Auch das 76 Millimeter starke Zentralrohr des Stahlrahmens hat noch einen Nebenjob als Tank für die 4,25 Liter Ölvorrat der Trockensumpfschmierung. Obwohl der V2 ohne Ausgleichswellen auskommen muss und starr im Rahmen verschraubt ist, gibt er zwar sattes V2-Beben von sich, vibriert jedoch in keinem Drehzahlbereich lästig. Direkt kultiviert - für luftgekühlte Ami-V2-Verhältnisse. Immerhin erfüllt der mit quadratischem Bohrung/Hub-Verhältnis (111,8 x 111,8 mm) antretende 132- Kubik--Inch-Motor (exakt 2163 cm³) trotz Luftkühlung die strengen Geräuschvorschriften. Fünf Dezibel leiser als der alte 117-Kubik-Inch-V2 soll er sein. Wirklich leise ist immer noch anders, aber wer 135 PS auf die Kette schaufelt, darf dies auch lautstark kundtun. Beachtlicher noch als die Spitzenleistung fällt das Drehmoment aus: Mit 206 Nm markiert der S&S-Motor derzeit den Bestwert bei den Serien-Twins und lässt selbst eine Ducati Diavel mit 128 Nm schwächlich wirken.
Hoch das Bein, über den minimalistisch anmutenden Solosattel geschwungen und Fahrerhaltung einnehmen. Mit einem Cruiser hat dies definitiv nichts mehr zu tun. Die gebeugte Haltung, tief über den flachen, kaum gekröpften Lenkerstummeln kauernd, die Füße auf den etwas nach hinten versetzten Rasten - die eingangs erwähnte Café Racer-Huldigung lässt grüßen. Beim Starten lässt sich der mächtige Twin etwas bitten, nach dem dritten Versuch ertönt dann das mächtige Donnern aus den Tiefen des voluminösen Kessels unterm Motor, der Sammler, Endtopf, alles in einem darstellt. Die extrem leichtgängige Kupplung beleidigt fast schon echte Männerhände, mit wenig mehr als Standgas (900/min) setzt sich die höllische Fuhre nachdrücklich in Bewegung. Schon bei 2000/min liegt das maximale Drehmoment an, entsprechend unsinnig wäre es, das Drehvermögen bis zum Begrenzer bei 5800/min auszuschöpfen. Am wohlsten fühlt sich der V2 zwischen 1500 und 3500 Touren, abzulesen auf der simplen, in die mächtige Gabelbrücke integrierten Runduhr, die lediglich Drehzahl, Tempo und Spritvorrat anzeigt.
Selbst enge Kehren lassen sich meist ohne Hilfe einer schleifender Kupplung nehmen, doch sollte die Drehzahl tunlichst nicht unter 1800/min fallen und die Fuhre unter Zug gehalten werden. Deutliche Lastwechselreaktionen vermasseln sonst ganz schnell die Linie. Schaltvorgänge sollten ebenfalls rechtzeitig abgeschlossen sein, zudem erfordern diese Nachdruck und werden begleitet von einem herzhaften Klong. Ehrlich, geradlinig, unverfälscht. Die Hellcat lenkt präzise ein, wenn auch nicht überhandlich, lässt dann allerdings über die gewählte Linie nicht mehr mit sich diskutieren. Den satten Bums des urigen Zweiventilers beim Rausbeschleunigen bringt der 190er-Pirelli-Sportreifen sauber auf die Straße, die Gerade bis zur nächsten Biegung zerrt die Amerikanerin energisch hämmernd unter sich hinweg, die Beringer-Vierkolbenbremse gebietet dem Höllenritt wirksam und gut dosierbar Einhalt. Etwaige Unebenheiten schluckt die mächtige, voll einstellbare 50-mm-Gabel von Marzocchi recht ordentlich, das RaceTech-Federbein hinten offeriert jedoch nur bescheidenen Federweg. Für schlechte Straßen oder lange Etappen ist der „Café Cruiser“ nicht gemacht, so viel sollte jedem klar sein. Auch den 62 Angefixten, die ihre Hellcat bereits bestellt haben. Doch die amtliche Dröhnung dürfte ihnen garantiert sein.
Motor
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-56-Grad-V-Motor, drei untenliegende, zahnriemengetriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, Ø 52 mm, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Fünfganggetriebe, Kette.
Bohrung x Hub 111,8 x 111,8 mm
Hubraum 2163 cm³
Nennleistung 99 kW (135 PS) bei 5100/min
Max. Drehmoment 206 Nm bei 2000/min
Fahrwerk
Rückgratrahmen aus Stahlrohr, Upside-down-Gabel, Ø 50 mm, verstellbare Federbasis und Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, verstellbare Federbasis und Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Zweikolben-Festsattel.
Karbonräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17
Maße + Gewichte
Radstand 1588 mm, Lenkkopfwinkel 62,5 Grad, Nachlauf 96,5 mm, Sitzhöhe 760 mm, Gewicht (ohne Benzin) 230 kg, Tankinhalt 18 Liter.
Höchstgeschwindigkeit über 240 km/h
Preis 49500 US-Dollar (ca. 38000 Euro)
Hersteller-Info www.confederate.com