Die Zeiten sind vorbei, als amerikanische Straßenmotorräder automatisch Harley-Davidson hießen. Seit vorletztem Jahr können sie auch wieder auf den Namen Indian hören. Klar, die Marke mit dem Häuptling auf dem Kotflügel, bis in die 50er großer Rivale der Milwaukee-Eisen. Im kalifornischen Gilroy, südlich von San Francisco, hat sich eine junge Firma etabliert und produziert die stilechten Nachfolger der berühmtesten Indian-Bikes. MOTORRAD konnte direkt vor Ort ein paar Runden mit der Scout, der schlanken Schwester der massigen Chief, drehen.
Auf den ersten Blick sieht sie verdammt nach Harley-Davidson aus, aber damit keine Zweifel aufkommen, ziert das Markenlogo etliche Bauteile. Auf dem Tank, auf den Schalldämpfern, auf dem Primärkastendeckel, auf den Bremszangen, überall und altmodisch geschwungen: Indian. Dennoch lässt sich die Nähe zur Harley nicht kaschieren, stammt das schwere 45 Grad-V-Triebwerk doch von S & S. Diese Firma wiederum macht keinen Hehl daraus, den Harley-Evolution-Motor stumpf kopiert zu haben. 75 PS leistet das 1442 cm3 große Triebwerk mit dem einzelnen, üppige 47,6 Millimeter messenden Gleichdruckvergaser, der – historisch gesehen nicht ganz einwandfrei – rechts zwischen den Zylindern hervorragt. Die alte Indian Scout hatte ihn links.
Mit einem ungesund klingenden, metallischen Rasseln setzt der E-Starter den dicken V in Bewegung. Das unregelmäßige Beben des Motors regt das verchromte 19-Zoll-Vorderrad zu nervösen Zitterbewegungen an. Lässig nimmt man in der Sitzmulde Platz, nur 60 Zentimeter über dem Boden, greift zum zuckenden Lenker. Donnerwetter, fühlt sich das Teil schwer an. 265 Kilo ohne Sprit weist der Prospekt aus. Dumpf bollernd zieht die Scout vorwärts – so streng können die kalifornischen Umweltbestimmungen wohl doch nicht sein. Jedenfalls passt der Sound der beiden kurzen Schalldämpfer prima zu den röhrenden, achtzylindrigen Vans und Pickups, welche die Ausfallstraße Richtung Highway 101 bevölkern.
Bis er sich einigermaßen warm gelaufen hat, produziert der noch jungfräuliche V2 ein paar heftige Fehlzündungen. Ziemlich leichtgängig flutschen die Gänge rein, geschätzt 3000 Umdrehungen genügen, um hochzuschalten. Eine Schätzung, wie gesagt, denn stilsicher verzichtet die Scout auf den Drehzahlmesser. Ebenso zwangsläufig sind die aus dem vollen Aluminium gedrehten Fußrasten weit vorn angebracht. So hockt der Amerikaner auf dem Krad – so, und niemals anders.
Der Seitenstreifen der Auffahrt zum Highway gen Süden ist mit ein paar tiefen, ausgefahrenen Löchern gespickt. Die Scout rumpelt ohne durchzuschagen darüber hinweg, wobei das weich gefederte Heck deutlich spürbar nachwippt. Jetzt mal Vollgas. Im Nu zeigt der auf dem Tank thronende Tacho 120 Meilen an, gut 180 km/h. Schnurgeradaus marschiert die Indian, kein Wackeln und kein Pendeln, obwohl der 30 Kilogramm schwere Stahlrahmen mit einem, unterm Motor geteilten Unterzug auskommt. Kuriosität am Rande: Für das Verbindungsrohr zwischen Ober-und Unterzügen verwenden die Indian-Leute wenig ingenieurhaft massiven Rundstahl. So, jetzt aber hurtig wieder runter vom Gas, zu schnell fahren ist hier in Kalifornien ein teurer Spaß.
Pause bei Pizza Hut. Obwohl das Werk quasi um die ecke liegt, zieht die Scout viele Blicke auf sich. Sieht aber auch scharf aus. Alles, was nicht Schwarzmetallic lackiert oder – weil aus Aluminium – poliert ist, glänzt in sattem Chrom. Die Gabelbrücken, die Lampe, der Batteriekasten, die Felgen und Speichen. Den tropfenförmigen, natürlich verchromten Luftfilterkasten verziert ein Indianerkopf. Wunderschöne Details an allen Ecken und Enden. Gefräste Vierkolbenzangen sorgen für angemessene Verzögerung des Vorderrads. Wobei sich die durchaus stabile Telegabel beim scharfen Bremsen ordentlich verwindet und der Fuhre einen leichten Rechtsdrall verpasst. Die hintere Bremse verzögert kräftig mit, tiefer Schwerpunkt sowie langer Radstand – 1,70 Meter, und das ist kein Druckfehler – lassen das Hinterrad erst sehr spät blockieren. Ersterer verhilft der Scout übrigens zu einer Behendigkeit, die man ihr wegen ihrer Körperfülle nicht unbedingt zugetraut hätte. Fast schon handlich lässt sich das schwere Eisen in die Kurven lenken, in denen es dann schön neutral seine Bahn zieht. Sofern keine Bodenwellen das unterdämpfte Heck irritieren und dadurch die ganze Scout von der Fährte ablenken.
Sicher braucht sich Harley-Davidson keine allzu großen Sorgen um den Konkurrenten zu machen. Dafür ist die Fabrikation von Indian viel zu klein (siehe Firmenporträt auf den folgenden Seiten). Vielmehr sollte man es in Milwaukee sportlich sehen. Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft.
Technische Daten - INDIAN Scout
DatenMotor: Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, Kurbelwelle querliegend, eine untenliegende, zahnradgetriebene Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, Hydrostößel, Stoßstangen, Kipphebel, Trockensumpfschmierung, S&S-Gleichdruckvergaser, Ø 48 mm, kontaktlose Transistorzündung, keine Abgasreinigung, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 456 W, Batterie 12 V/20 Ah.Bohrung x Hub 92,2 x 108 mmHubraum 1442 cm³Verdichtungsverhältnis Nennleistung (ECE) 51,5 kW (70 PS) bei 5600/minMax. Drehmoment 118 Nm (12 kpm) bei 3800/minKraftübertragung: Primärantrieb über Kette, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Zahnriemen.Fahrwerk: Einschleifenrahmen aus Stahlrohr, geteilter Unterzug, Telegabel, Standrohrdurchmesser 41 mm, Dreiecksschwinge aus Stahlrohren, ein Federbein, liegend, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn, Vierkolbensattel, Ø 292 mm, Scheibenbremse hinten, Vierkolbensattel.Speichenräder 2.15 x 19; 3.00 x 16Reifen 100/90 19; 130/90 16Fahrwerksdaten: Radstand 1702 mm, Lenkkopfwinkel 58 Grad, Nachlauf 133 mm, Federweg v/h k.A.Maße und GewichteL/B/H 2438/991/1245 mmSitzhöhe 673 mmGewicht trocken 265 kgZulässiges Gesamtgewicht 493 kgZuladung 228 kgTankinhalt/Reserve 19 LiterGarantie zwei Jahre ohne KilometerbegrenzungFarben Schwarz, Mojave, Rot, SilberPreis inkl. MwSt. 39 000 MarkImport: Jürgen Brand44227 DortmundTelefon 0208/8990210www.Indian.deE-Mail Info@indian.de