Fahrbericht Troika BMW SR 1200 Cruiser

Fahrbericht Troika BMW SR 1200 Cruiser Einen Teak anders

Im schwäbischen Schorndorf entsteht das von BMW entworfene Cruiser-Gespann. Darum kennen die dortigen Kfz-Mechaniker jetzt auch was von Holzverarbeitung.

Es gibt aufgeregte Schwaben. Die messen im Biergarten lauthals die ganze Welt an Maultaschen und Weinschorle. Und es gibt unaufgeregte. Denen ist der Rest der Welt Wurscht, Hauptsache, sie haben ihr G’schäft. Heiner Heidenwag ist so einer, und er verzweifelt nicht einmal daran, daß sein G’schäft darin besteht, braven Mitschwaben Kraftfahrzeuge aus Bayern zu verkaufen. Der 58jährige Kfz-Mechanikermeister hat es mit Beharrlichkeit zur Teilhabe an einer größeren BMW-Vertretung und mit handwerklichem Geschick zu einigem Renommee in der Dreirad-Szene gebracht. Sogar bayerisches Vertrauen genießen seine fahraktiven Troika-Gespanne: Bei keinem anderen Gespannbauer gewähren die Münchner Garantie auf BMW-Teile.
So konnte es nur ihn treffen, als der damalige Motorrad-Entwicklungsleiter Wolfgang Dürheimer Mitte 1997 einen Hersteller suchte, der dem von Chefdesigner Dave Robb und seinem Team ersonnenen Cruiser-Gespann auf die Räder helfen könnte. »Wir sollten uns mal zum Essen treffen«, lockte es bedeutungsschwanger aus München. Als Heidenwag noch im Kalenderteil für den kommenden Monat blätterte, meinte Dürheimer: »Am besten heute.« Tags drauf trat der Schorndorfer an und wurde umgehend mit den Design-Studien konfrontiert. »Die wollten einen Hingucker für die Internationale Automobil Ausstellung in Frankfurt haben«, erinnert er sich. Das Problem: Der Eyecatcher sollte binnen drei Monaten fahrtüchtig werden.

Angesichts dieser Aufgabenstellung hegten die Ingenieure größte Bedenken. Doch sie hatten nicht mit der ganz speziellen Begeisterungsfähigkeit eines schwäbischen Tüftlers gerechnet. »Ich war sofort hin und weg von dem Entwurf.« Die Mischung aus Nostalgie und Moderne, die verspielten, dennoch technisch wertigen Details: Irgendwie hatten Robb und seine Leute dem Heiner Heidenwag aus der Seele gezeichnet. Gerade recht, um seinen handwerklichen Ehrgeiz zu entzünden.

In einem Eck der BMW-Werkstatt, gegen Einblicke nur provisorisch geschützt, begann ein Wettlauf mit der Zeit: Unter der gestrengen Kontrolle eines BMW-Designers entstand zunächst der Bootsrahmen. Wichtig: Das Federbein sollte liegen, und das Rad mußte dem hinteren des Cruisers entsprechen. Mit einem gelochten Flacheisen als Aufnahme machte sich Heidenwag auf die Suche nach dem bestem Anlenkpunkt fürs Federbein. Wie bei Troika gewohnt, bestand er auf einem extrem langen Vorlauf des Seitenwagenrads. 400 Millimeter sind’s geworden - und sie bürgen für einen sehr ruhigen Geradeauslauf.

Eine weiche Federung empfiehlt sich zum Cruisen eh, obendrein verhindert sie, daß der Dreirad-Gleiter über Bodenwellen bockelt und so unnötige Unruhen entstehen. Der Bootskörper - er erinnert ein wenig an Art Déco-Vasen der zwanziger Jahre - lagert auf sechs Gummi-Elementen, der Sitz trägt einen noblen Leder-Anzug. Ganz so, wie es auch die gehobene Automobil-Kundschaft beim 5er oder 7er wünscht. Seine Lehne läßt sich neigen - und just dabei übernehmen die markanten seitlichen Streben eine Hauptaufgabe: Sie sind nämlich geteilt, über das verbindende Gewinde lassen sich gemütlich geneigte oder aufmerksam aufrechte Positionen stufenlos realisieren.

Das sehr geräumige Boot trägt hinten einen kecken Ausleger für den schon auf der IAA wohlwollend bestaunten, weil stilistisch linientreuen Koffer und oben auf seinem spitz zulaufenden Körper - na, sagen wir mal - stilisierte Deckplanken. Irgendwie maritim, auf jeden Fall, und irgendwie ungewohnt für Heiner Heidenwag. »Die Bretter lagen abwechselnd in der Sonne und im Wasser. Weil dann die Maserung besser rauskommt«, wundert er sich noch heute über die seltsamen Ansprüche des Materials. »Teak, das soll ja ewig halten«, beruhigt er alle, die gleich ihm mehr von Metall verstehen.

Erste Fahrversuche beweisen zunächst eines: Das Ganze ist wirklich ein Augenfang. Kaum ein Schorndorfer bleibt ungerührt, wenn der weiße Erstling aus einer jetzt anlaufenden Kleinserie durchs Städtle schnurrt. Außerdem passen die völlig problemlosen Fahreigenschaften prima zum unverändert übernommenen BMW-Cruiser. Geradeauslauf klasse, Handling überraschend agil, Bremsen absolut spurtreu. So, wie von Troika gewohnt. Eher ungewöhnlich im Vergleich mit neuzeitlichen Gespannen die beschauliche Leistungsentfaltung, aber die ebenfalls unveränderte Übersetzung bremst den Schwung des 61 PS starken Boxers doch spürbar.

Zum Cruisen reicht’s natürlich allemal, und dazu paßt auch der gebotene Komfort. Vor allem der Bootspassagier kann beim Blick über besagte Decksplanken herrlich träumen, allenfalls artuntypische Tempi jenseits von 120 km/h erzeugen ungemütliche Wirbel hinter der kleinen Verkleidungsscheibe. Der Fahrer bekommt gelegentlich die bekannt harte Hinterhand der R 1200 C zu spüren, freut sich ansonsten aber über geringe Lenk- und Bremskräfte. Heiner Heidenwag präferiert wieder einmal die Kombination von Vorderad- und Seitenwagenbremse, über den Handgriff aktiviert. Ein bewährtes und wirkungsvolles Konzept. Als ebensolches scheint sich auch der BMW-Telelever im Gespannbau zu etablieren: Die Cruiser-Kräfte reichen bei weitem nicht, um die Längslenker-geführte Gabel der BMW aus der Ruhe oder aus der Form zu bringen. Nicht einmal auf schlechten Straßen.

So scheint diesem wirklich exzellent gemachten Gespann großer Erfolg sicher. Wenn, ja wenn da nicht der Preis wäre. Angesichts der immensen Kosten fürs Herstellen der vielen komplizierten Kunststoff-Formen - allein besagter Koffer verschlang eine stark fünfstellige Summe - errechnete Heidenwag für seine Bemühungen stolze 77350 Mark. Davon fahren normale Menschen ihr ganzes Leben lang Motorrad. »Das ist was für Fans«, schränkt Heidenwag denn auch ein. Und es gibt durchaus Freunde der weiß-blauen Marke, die derlei Beträge nicht schrecken: Kurz nach der IAA rief der Sekretär eines japanischen Industriellen an, um für seinen Vorgesetzten ein Gespann zu ordern. Dem beschied der Troika-Chef, daß erst verkauft werde, wenn 20 Bestellungen eingegangen seien. Anderntags meldete sich der Boß persönlich. »Erst die 20 Bestellungen«, wiederholte Heidenwag. Da tönte es von Fernost: »20 Stück? Okay. Gekauft.« Worauf selbst ein braver schwäbischer Handwerksmeister erst einmal zwei, drei Schorle trinken muß.

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