Harley-Davidson Forty-Eight und Triumph Bobber im Test
Einsitzer-Bobber im Vergleich

"I’m a poor lonesomecowboy and a long way from home", hätte Lucky Luke wohl im Sattel eines dieser beiden Bikes gesungen. Mangels Soziussitz bleibt man auf Harley-Davidson Forty-Eight und Triumph Bobber dauerhaft lonesome. Poor kann man sich bei fünfstelligen Kaufpreisen aber nicht erlauben.

Einsitzer-Bobber im Vergleich
Foto: bilski-fotografie.de

Würde Lucky Luke, der unverwüstliche Gegenspieler der Dalton-Brüder, heute leben, er würde ziemlich sicher Bobber fahren. Eignet sich doch kaum etwas so gut wie diese Motorrad-Gattung, um frei im Geist und frei von Zwängen dem Sonnenuntergang entgegenzureiten. Oder um seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, in Lukes Fall ist das immer wieder das Einfangen besagter Brüder. Vom Kopfgeld, das er dafür vom Sheriff erhielte, wäre es ihm ein Leichtes, die rund 12500 Euro, die für den Erwerb jedes dieser Bikes nötig sind, auf den Tresen des Händlers zu legen. Das zwangsläufige Solistentum würde ihn nicht stören, sein treuer Gaul Jolly Jumper hatte ja auch nur Platz für einen. Besonders das quasi frei zu schweben scheinende Sitzmöbel der brandneuen Triumph hätte es ihm wohl angetan, kommt es doch optisch sehr nah an seine gewohnte Sitzunterlage heran. Zudem sitzt man in diesem in Längsrichtung um 30 mm verstellbaren – wenn auch sehr fummelig, mühselig und nur mit Werkzeug zu machen – Gestühl zunächst mal ganz passabel.

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Zunächst deswegen, weil die Sitzposition hier wie dort wie zementiert ist und auf Dauer in den Rücken bzw. Steiß geht. So ist man spätestens am Ende der theoretischen Reichweite von knapp 150 km (Harley) bzw. 200 km (Triumph) über eine Pause sehr dankbar. In der Praxis ist man auf der Amerikanerin in dünner besiedeltem Gefilde spätestens nach 100 Kilometern auf der Suche nach einer Tränke. So richtig entspannend ist das nicht.

Auf der Triumph finden des Bikers Boots genreüblich recht weit vorne und gefühlt ziemlich hoch Platz auf wunderschönen Rasten, die wie die dazugehörigen Hebel aus formschönem Aluminiumguss hergestellt sind. Die Materialgüte und Wertanmutung der Triumph, das darf an dieser Stelle mal erwähnt werden, verblüfft. Von Rücklicht, Blinkern und Seitendeckeln, die aus Kunststoff und nicht aus Blech sind, mal abgesehen, finden sich an ihr edle und schön anzusehende Detaillösungen zuhauf. Alles dient der klaren, cleanen Optik. Es gibt so gut wie keine Kabel oder Anbauteile, die die Linie verwässern oder den Anblick stören würden.

Dagegen sieht die Abgesandte der jahre- ach was, jahrzehntelangen Benchmark in Sachen Chopper, Cruiser und eben auch Bobber ziemlich, nun ja, schlampig aus. Zwar hat sich die treue Kundschaft über besagten Zeitraum mit den teils arg rustikalen Details wie Schrauben aus der Landmaschinenkiste, den ebenso klobigen wie ergonomisch fragwürdigen Handhebeln oder dem wilden Leitungs- und Kabelwirrwarr im Lenkkopfbereich arrangiert. Aber schön ist halt doch anders.

Doch es gibt auch Positives zu vermelden: Der Autor dieser Zeilen hätte niemals zu wetten gewagt, dass er jemals folgenden Satz schreiben würde: Die Harley hat die besten Bremsen im Testfeld! Okay, das ist in diesem Fall nicht eben riesig, aber dennoch. Wo die Triumph nur mit hoher Handkraft am immerhin einstellbaren Hebel eine bestenfalls durchschnittliche und vor allem stumpfe Wirkung erzielt, verzögert die Harley – vorausgesetzt, man erreicht den weit abstehenden, nicht einstellbaren Hebel – mit sehr viel weniger Einsatz deutlich transparenter. Wobei bei der Harley besonders auf feuchtem oder nassem Asphalt der Scorcher-Reifen klar das schwächste Glied in der Verzögerungskette ist und dem ABS reichlich Arbeit beschert. Die Triumph vermittelt unter den besagten Umständen ein deutlich besseres Gefühl.

Doch trotz deutlich schmalerem Vorderreifen, 100/19-19 statt 130/90-16, bahnt sich hier die zweite Überraschung an: Die Harley fährt sich handlicher als die Triumph! Die Britin, auch wenn sie bekanntermaßen in Thailand vom Band läuft, ist in ihren Wesen doch englisch geblieben, wie auch ihre Hüftsteifheit belegt. Wohl läuft sie stoisch und durch nichts aus der Ruhe zu bringen geradeaus. Das Einleiten von Richtungsänderungen erfordert aber einen deutlichen Impuls am Rohrlenker. Schnell aufeinanderfolgende Wechselkurven, wie sie außerhalb des wilden Westens schon mal vorkommen, bedeuten Arbeit. Und Körpereinsatz. Denn so hoch wie gefühlt sind die Fußrasten gar nicht angeordnet, die niedrige Sitzhöhe von 715 mm täuscht das nur vor. Und da kurz nach den Rasten die Edelstahl-Auspufftöpfe Bodenkontakt haben, empfiehlt sich, es mit der Schräglage nicht zu übertreiben. Als materialschonende Variante empfiehlt sich dementsprechend Oberkörper-Hang-off. Dafür entweicht eben jenen Töpfen ein Sound wie aus dem Bilderbuch: Kraftvoll, bassig, voluminös, aber dennoch dezent genug, um auch von der weniger Bikeaffinen Nachbarschaft noch zum Grillen eingeladen zu werden. So soll das sein.

Kommen wir zu Überraschung Nummer 3: Die Harley ist leiser als die Triumph! Zwar ist ihr Sound nicht ganz so bassig und voluminös, weswegen die Kundschaft gerne auf Zubehörtüten ausweicht. Im Originalzustand bekommt man jedoch auch mit ihr problemlos ein Nackensteak von Nachbar Günthers Grill. Bleibt die Freude am vergleichsweise leichten Handling, das aber mit einem leicht aus dem Konzept zu bringenden Geradeauslauf erkauft wird. Die Unterbringung auf der Harley unterscheidet sich nicht wirklich von der Triumph, der Popometer ist sogar noch 5 mm näher an der Straße untergebracht. Und der ausladende Luftfilter auf der rechten Seite sorgt stets für intensiven Wadenkontakt zum Bike. Dass Schräglagenfreiheit bei den Amis keine Priorität hat, ist auch keine neue Erkenntnis und wird von der Kundschaft toleriert. Es sei nur der Vollständigkeit halber an dieser Stelle erwähnt, dass die Kombination aus Rechtskurven und Bodenwellen für Überraschungen der nicht unbedingt angenehmen Art sorgen kann. Sei’s drum.

Coole Bikes sollen cool aussehen, klaro. Allerdings gibt es dann mitunter Konflikte mit den Anforderungen des Alltags, zum Beispiel die Rückspiegel. Bei der Forty-Eight verstecken sie sich unterhalb des Lenkers. Der Vorteil: Sie stören die Linie nicht, weil man sie nicht sieht. Der Nachteil: Man muss schon sehr genau zielen, um den nachfolgenden Verkehr darin zu erkennen. Die Lenkerendspiegel der Triumph vereinen auch mehrere Nachteile in sich. Zum einen sind sie gerade so groß wie unbedingt erforderlich, zum anderen sind sie an der ohnehin breitesten Stelle des Motorrades angebracht, die sich zudem noch ziemlich genau auf Höhe der meisten Pkw-Außenspiegel befindet. Das Durchschlängeln zur Pole Position stellt somit auch erhöhte Anforderungen an die Zielgenauigkeit des Piloten.

Einigkeit herrscht hier wie dort über die Gepäckbeförderung. Das Motto lautet: Du kannst transportieren, was immer du willst, vorausgesetzt, es passt in deinen Rucksack. Aber für die große Tour gibt es ohnehin geeignetere Kandidaten. Unsere beiden Protagonisten gefallen auf der spontanen kleinen Feierabendrunde und noch mehr beim Schaulaufen vor der Eisdiele oder dem Moppedtreff.

Und wie Lucky Luke im Lauf der Zeit seine im Mundwinkel scheinbar festgewachsene Filterlose durch Gras bzw. einen Halm desselben ersetzt hat, hat sich auch die Forty-Eight – Euro 4 sei’s gedankt  – gewissermaßen das Rauchen abgewöhnt. Die Leistungsangaben gegenüber dem Vorjahresmodell blieben unverändert und wurden auf dem Prüfstand auch bestätigt. Dennoch tut sich der altehrwürdige Stoßstangen-V2 mit seinen vier unten liegenden Nockenwellchen gegenüber dem modernen, mit standesgemäßem, weil klangförderndem 270-Grad-Hubzapfenversatz der Kurbelwelle agierenden Reihen-Twin schwer. In diesem Duo gibt er den Bi-Ba-Butzemann, will meinen: Er rüttelt sich und schüttelt sich, vor allem dann, wenn ihm deutlich unterhalb von 2500/min in den oberen Gängen Leistung abverlangt wird. Die Britin legt sich schon unter 2000/min ohne Murren ins Zeug. Dass sie beim Durchzug von 60 auf 100 km/h von der Harley abgeledert wird (5,8 zu 5,4 sek), liegt daran, dass sie sechs statt fünf Gänge hat, die sich obendrein präziser und mit deutlich geringerer Handkraft verwalten lassen. Die Beschleunigung von 0 auf 100/140 km/h rückt die Verhältnisse zugunsten der Triumph (4,9/8,8 zu 5,3/10,5 sek) wieder zurecht. Und dass das Tankduell 5,4 zu 4,6 Liter ausgeht, macht die Sache aus Sicht der Engländerin rund. Dafür dreht die Harley dank 5,5 Metern Wendekreis noch lässig in einem Zug, wo die Triumph mit einem Plus von 0,6 Metern schon zurücksetzen muss.

Der unlängst verstorbene Populärmusiker David B. hat die aus hiesiger Sicht absolut zutreffende Aussage „This is not America“ getroffen. Schicken wir also Lucky Luke nach Hause und beschließen diese Geschichte in Anlehnung an einen Hit des großnasigen Brachialhumoristen Mike K.: Ja wer bobbert da so spät noch die Berge hoch? Es ist Bodo auf dem Bobber und er bobbert noch. So weit, so gut. Und Heinz auf Harley? Hinkt hechelnd hinterher? Irgendwie schon. Aber das Sich-Einlassen auf ihre faktischen Unzulänglichkeiten macht auch durchaus Spaß. Und darauf kommt es letztendlich an.

MOTORRAD-Fazit

Für Hardcore-Fans besteht kein Zweifel: Die Forty-Eight muss vors Haus. Doch auch jenseits aller Punktewertungen wird im direkten Vergleich schnell klar, dass die Harley mittlerweile in die Jahre gekommen ist. Das tut ihrem Charakter zwar nicht den geringsten Abbruch, aber die ebenfalls ausdrucksstarke, obendrein piekfein gemachte Triumph kann fürs gleiche Geld im Prinzip vieles besser. Auch bobbern. Obendrein hat sie derzeit noch Seltenheitswert. Da wird manch einer die Markenbrille absetzen.

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023