Konzeptvergleich Tourer

8 Tourer-Konzepte im Vergleichstest (2006) Von Zwergen und Riesen

Zwischen Gullivers Reisen und Münchhausens Abenteuern: mit acht Reisedampfern unterschiedlicher Gattung unterwegs durch die Zwergstaaten Europas. Am Anfang fehlte noch ein Motorrad, am Ende wurde alles gut. Fast wie im Märchen.

Von Zwergen und Riesen Markus Jahn

Sieben wackere Burschen stritten trefflich darüber, welches ihrer Stahlrösser sie am besten und behütetsten durch die Lande trüge. »Meines sattelt am meisten«, sagte der eine. »Meines schützt mich besser vor Wind und Wetter als jedes andere«, ein anderer. »Dafür folgt meines dem kleinsten Zupfer am Zügel«, sprach der Dritte. Und so zankten sie weiter hitzig über das beste Zweirad für die große Tour.
Bis ihnen nach dem achten Bier der Weise erschien. Das war der Wirt, der wollte endlich Feierabend machen. Und so sprach er, während er die letzte Runde zapfte, zu den sieben Gesellen: »Ihr habt wohl die besten Tourer hier. Doch über den Bergen, bei den italienischen Zwergen, da entsteht ein Motorrad, das vielleicht noch zehnmal besser ist als jedes hier.« Er meinte die nagelneue Moto Guzzi Norge 1200 GTL. Sollte eine Guzzi der wahre Reise-Riese sein? Weil sie ab Werk elektrisch verstellbare Scheibe, Heizgriffe und Navi an Bord hat?
Das wollten die sieben Burschen sofort herausfinden, sattelten am nächsten Morgen ihre sieben Sachen und ritten los. Denn auf der anderen Seite der Alpen würden sie nicht allein den neuesten Italo-Tourer finden, sondern Länder, die so klein sein sollen, dass das erste Motorrad schon wieder rausfährt, wenn das letzte noch gar nicht reingefahren ist...
Ganz so war es nicht, aber es hat schon etwas Märchenhaftes, wenn der Hof der MOTORRAD-Redaktion voller schöner Tourenmotorräder steht. Wenn Monaco, San Marino und Liechtenstein als Ziel auserkoren sind, drei der insgesamt fünf europäischen Zwergstaaten. Dafür stehen sieben charakterstarke Vertreter der Touring-Gilde parat, jeweils exemplarisch für eine spezielle Tourer-Spezies. Denn letztlich geht es um die Frage, welches Reisekonzept in der Praxis besonders gut funktioniert.
Die elegante BMW F 800 ST repräsentiert die neue Mitte unter den Sporttourern, ihre Markenschwester R 1200 GS die Übermutter aller Reise-Enduros. Für amerikanische Variante des Tourens steht die Harley Road King, mit breitem Ledersattel und fettem, nun auf 1584 cm3 vergrößertem sowie auf 78 PS erstarktem V2. Drahtig-sehnig, geradezu athletisch wirkt daneben die Honda CB 1300 S. Der Allrounder nimmt optisch Anleihen an der CB 1100 R, dem Superbike der frühen 80er Jahre.
Dagegen ist die Gold Wing das Bekenntnis zu purem Luxus auf zwei Rädern. Sechszylinder-Boxer-Motor, satte 411 Kilogramm Startgewicht und 25000 Euro Kaufpreis. Ein Komplett-Paket: zwei Zimmer, Küche, Bad. Traditionell segelt das Mutterschiff in einer eigenen Galaxie. 133 Kilogramm leichter, verkörpert die Moto Guzzi Norge 1200 GTL den europäischen Vollwert-Tourer: reichhaltig ausgestattet wie bekömmlich. Doch zunächst gilt es, das italienische Tourer-Flaggschiff direkt im Werk abzuholen. Liegt ja auf dem Weg.
Tja, und dann ist Toleranz gefragt. Gestandene Motorradfahrer sollen Roller fahren? Roller! Nun, der gar nicht zwergenhafte Suzuki Burgman 650 ist immerhin die Gold Wing unter den Scootern. Dafür sorgen der nominell 56 PS starke 650er-Reihentwin, 279 Kilogramm Gewicht und feiste Ausrüstung – siehe die Ausstattungstabelle auf Seite 45.
Größe ist immer relativ. Oder? Immerhin ist die Yamaha FJR 1300 ein ebenso potentes wie reisetaugliches Big Bike, erwiesenermaßen erfolgreich und elegant. Der Power-Tourer hat eine große Fan-Gemeinde.
Nichts wie raus, zur letzten großen Motorradreise des Jahres. Acht Uhr morgens, Nebel steigt über dem Neckar auf. Volltanken und dann freies Blasen über die A 81. Was für ein gigantischer Sonnenaufgang! Der Himmel glüht orangerot, als habe ihn jemand angezündet. Eineinviertel Stunden, dutzende dösige Dauer-Linksfahrer und 140 Kilometer später liegt der Bodensee zur Rechten, ruhig und glatt wie ein Spiegel. Schroff erheben sich die Silhouetten der Alpengipfel dahinter.
Das »Führungs-Trio« aus FJR 1300, CB 1300 und F 800 ST läuft zur Kaffeepause in Konstanz ein. Keine fünf Minuten später brummen bereits Burgman und Harley als Schlusslicht der Gruppe auf den Parkplatz. Überraschung. Wo doch die Harley gerade mal 165 Sachen läuft. Noch langsamer ist allein der Roller. Aber mit dem anfänglichen Belächeln ist es schnell vorbei. Spätestens auf Landstraßen klebt der Suzuki dauerhaft in den Rückspiegeln. Lästig wie eine Schmeißfliege.
In der Schweiz mit ihrem strikten 120er-Tempolimit ist der Burgman erst recht nicht abzuhängen. Speed cameras an jeder Ecke. Die Eidgenossen nehmen es übergenau. Und streichen ganz ungeniert die volle Jahresgebühr von 40 Fränkli pro Vignette ein, selbst wenn man das Schoki-und-Nummernkonto-Land nur ein einziges Mal passiert. Da sind die Österreicher um Lichtjahre weiter. Genau zwischen jenen beiden Alpenstaaten liegt Liechtenstein. Wir lassen es noch links liegen. Erst mal die Guzzi abholen.
»Heiiidi, Heiiiidi, deine Welt sind die Beeeeherge...« schallt es krächzend aus den Lautsprechern. Nicht aus denen der Gold Wing, die spielen sauberen Pop und Rock aus dem Radio mit dutzenden Schaltern. Nein, Raststätte Heidiland, der Name ist Programm. Auf der Flucht vor Geißen-Peter und Plastik-Zicklein, vermutlich »made in Taiwan«, spurtet das Septett wie von der Tarantel gestochen auf die Beschleunigungsspur. Und wieder bleibt der Burgman tapfer dran, vor allem wenn Pilot Dani die Automatik deaktiviert und manuell die sechs Gänge per Tiptronic durchschaltet.
Was folgt, ist Wohlfühl-Programm pur. Komfortabel untergebracht, könnte man mit allen Kandidaten endlos weiterfahren. Zwar ist der Windschutz auf der kaum verhüllten CB dürftiger als unter Tourern üblich. Oder der Kniewinkel auf der F 800 ST im direkten Vergleich etwas spitz. Wirklich störend aber sind die derben Vibrationen des BMW-Paralleltwins im mittleren Drehzahlbereich, vor allem bei Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit. Was zum Teufel bewirkt eigentlich das Ausgleichspleuel zwischen den Zylindern?
In der Laufkultur patzt auch die überaus beliebte GS ein wenig. Just bei Tachoanzeige 130 kribbelt’s heftig in Griffgummis, Fußrasten und Tankverblendung. Der Ausgleichswelle zum Trotz. Jammern auf hohem Niveau? Vielleicht. Am Splügenpass hat das ewige Geradeausfahren ein Ende. Wild entschlossen stürzt sich die Meute ins Alpenkarussell. Eng und mitunter schlecht einsehbar sind die Kehren. Wohl dem, der hier ein handliches Motorrad unterm Hintern hat.
Insbesondere die beiden BMW-Piloten Stefan und Rainer sind nun voll in ihrem Element. Und wenn sie zehnmal in Berlin gebaut sind, die Bayern-Bikes sind für die Alpen geschaffen. Die F 800 ST ist mit Abstand das leichteste Motorrad der Gruppe, 225 Kilogramm inklusive Gepäcksystem. Gefolgt von der GS mit ihren 252 Kilogramm. Deutschland light. Keine Frage, der hohe und breite Lenker der Reise-Enduro verbessert ihr Handling, ein Hebelarm zum Begreifen. Kein anderes Motorrad nimmt Lenkimpulse wie Kurskorrekturen so dankbar an. Oder wendet mal eben auf dem Handteller. Erhaben und aufrecht thront der GS-Reiter auf seinem Motorrad-Gebirge. Absolut souverän.
Allerdings irritieren beide BMW mit heftigen Lastwechselreaktionen, deshalb Kurven am besten unter Zug umrunden. Und das ABS sollte die Vorderbremse nicht so früh lösen, bloß weil eben mal das Hinterrad
minimal den Bodenkontakt verliert. Dafür lassen sich F und R unheimlich schräg bewegen. Ganz im Gegensatz zur Harley, die schon schrabbelt, wenn man nur an eine Kurve denkt. Außerdem gibt sich die Sieben-Zentner-Fuhre in lang gezogenen, schnellen Biegungen ein wenig schwammig, bleibt aber gutmütig. Wie ein Wasserbett mit Gegenwind. In Amerika fährt man weicher, entkoppelter. Handling ist, wenn man trotzdem ankommt. Der Faden zur Gruppe reißt ab. Na und?
Norbert lächelt. Permanent.
Es wirkt immer ein wenig, als käme hier die US-Higway-Police. Cool und gelassen. Wenn auch gerade auf falschem Terrain. Macht nichts, Feeling und Sound stimmen. Endlich. Erst der 2007er-Jahrgang klingt so, wie es die Optik verheißt. Satt und dumpf. Da ist der butterweich am Gas hängende Twin Cam 96 ein echter Schritt nach vorn. Leistungsmäßig ohnehin.
Erstaunlich: In engen Ecken ist nicht etwa der behände Burgman die Tempobremse. Auf Bilderbuch-Asphalt distanziert der »Zwerg Rase« Gold Wing und Harley locker. Wobei der 650er null Gefühl fürs Vorderrad vermittelt, ähnlich wie die GS. Doch im Gegensatz zu der kommt der Scooter auf schlechtem Geläuf mächtig aus dem Tritt. Seine Gabel stuckert, die Rädchen finden jedes Schlagloch. Noch früher als der Roller setzt jedoch die FJR auf Pässen auf. Die ausgewogene Yamaha kann ihr hohes Gewicht von 292 Kilogramm nicht kaschieren. Sie ist kein Handlingwunder, braucht energischen Druck am Lenker, um abzukippen.
Mandello del Lario. Der Ort am Comer See atmet Geschichte, sein Name klingt wie ein Versprechen. Eines, das sich heute nicht mehr erfüllen wird. Denn Guzzi hat die Norge nicht fertig. Offenbar warten die Wichtel im Werk noch immer auf die Heinzelmännchen. Aber morgen früh kommt sie, ganz bestimmt, »isse gar keine Probleme«. Na dann. Kopf hoch, wird schon werden.
Wird es nicht. »Der Himmel in Europa ist«, erzählt der zweite Daniel im Bunde, »wenn die Deutschen arbeiten, die Franzosen kochen, die Schweizer organisieren, die Briten die Polizisten stellen und die
Italiener die Liebhaber.« Und die Hölle? »Die Deutschen stellen die Polizisten, die Schweizer die Liebhaber, die Briten kochen, während die Franzosen arbeiten. Und die Italiener organisieren...« Also lassen wir Sven am nächsten Morgen als Nachhut zurück und fahren nur mit sieben Maschinen an die Côte d’Azur, bei wolkenlosem Himmel über den Col St. Jean.
Überdimensionale Felsen in den Gebirgsbächen sehen aus, als hätten Riesen gekegelt. Zuerst führen sanft geschwungene Bögen, dann verknäuelte Asphaltspa-ghetti dem Mikrokosmos von Monaco entgegen. Eine Welt wie aus dem Märchen. Lamborghinis, Ferraris, Rolls Royce erwarten uns. Aber auch Menschenschlangen an Bushaltestellen im dichtest besiedel-ten unabhängigen Staat der Erde: 34000
Monegassen leben auf nur 1,95 Quadratkilometern. Weltbekannt wie winzig.
Hochhäuser und Autos drängen sich im Stadtstaat dicht an dicht. Geldadel, Neureiche und Normalsterbliche wuseln herum. Mittendrin: durchgeknallte oder lebensmüde Rollerpiloten. Ans Durchschlängeln der 50er-Fahrer wagt Dani auf dem übergewichtigen 650er-Burgman nicht zu denken. Obwohl der Roller auf Knopfdruck elektrisch beide Ohren, pardon: Spiegel, anlegt. Genauso fährt er die Scheibe stufenlos hoch und runter. Wie Norge und FJR.
Allein, wen beeindruckt das im Yacht-Hafen von Monte Carlo, dem Tummelplatz der Eitelkeiten? Regiert wirklich Geld die Welt? Das könnte man fast meinen im Fürstentum. Lieber weiter gen Italien. Tiefe Schneisen hat die Autostrada durch Genua geschlagen. Links und rechts der gewundenen Autobahn leuchten die Lichter der Stadt.
Noch einmal schlafen, dann verzaubert uns die Traumwelt der Cinque Terre. Nun ist auch Sven auf der Norge dabei, nach zwei Tagen des Wartens hat eine gute Fee seinen Wunsch erhört. Die Touren-Guzzi überzeugt durch ein elegantes Design und den vollsten, basslastigsten Sound der Achter-Bande. Auf der Ansaug- wie Auspuffseite. An der reichhaltigen Ausstattung lässt nur die Ausführung im Detail zu wünschen übrig. Da liegt das LCD-Feld des Bordcomputers zu tief im Blickfeld, versteckt sich das Handrad zur hydraulischen Anpassung der Federbasis schwer zugänglich hinter einer Plastikblende. Den Adler schießt der von der Verkleidung verhüllte Ölpeilstab ab. Wer konstruiert so was?
Zumindest zeugen gekröpfte Reifenventile von Blick für Bodenhaftung. Für Letztere sorgen auch die famosen Metzeler Roadtec Z6 auf den Guzzi-Felgen. Gut so, denn Grip kennen die schmierigen Sträßchen der Cinque Terre nur vom Hörensagen. Vorsichtig tragen wir die Tourer ums Eck. Der eine oder andere harmlose Rutscher gehört dazu. Noch mal glatt, äh gut gegangen. Gar nicht gelegen kommt jetzt der harte Leistungseinsatz der Yamaha aus dem Schiebebetrieb heraus. Genau wie ihr schwergängiger Gasgriff und Kupplungshebel. Da zeigt sich der aktuelle Jahrgang eher verschlimmbessert.
Egal, denn immer wieder fällt der Blick aus der Höhe auf den azurblauen Ozean. Zwischen Himmel und Meer liegen an diesem gerade mal zwölf
Kilometer langen Küstenabschnitt eine wild gezackte Uferlinie und steile Hügelketten. Undurchdringlich dicht stehen die Wälder, wie verwunschen. Goldgelb prangt der Adlerfarn zwischen Pinien, Esskastanien sind allgegenwärtig. In den Olivenhainen sind Netze ausgelegt, die Ernte hat begonnen.
Der Herbst ist nicht die schlechteste Zeit zum Reisen wie zum Speisen. Trüffel und Steinpilze haben Saison. Zeitlos dagegen gibt sich der charismatische Guzzi-V2.
Vibriert archaisch wie eh und je. Seine Ventile klappern regelrecht. Sven beklagt, etwas weit weg vom Lenker und entrückt vom Vorderrad zu sitzen. Schade, die hohe Güte und Stabilität ihrer direkten Konkurrentin, der BMW R 1200 RT, erreicht die Norge nicht. Zumal ihr Federbein hohe Zuladung schlecht verdaut.
Dafür hat sich der »große« Daniel verliebt. In die Gold Wing. Ob das am satten Schub aus 1,8 Liter Hubraum oder am unnachahmlichen Sechszylinder-Sound liegt? Gedämpft säuselnd, erinnert der Six-Pack an Porsche-Motoren. Beim Hochdrehen erotisert das Fauchen. Leider weiß Daniel: »Der goldene Flügel ist silbern und braucht die platine Kreditkarte.«
Einmal in Fahrt lässt sich der perfekt austarierte Brummer erfreulich gut dirigieren. Tiefer Schwerpunkt und niedrige Sitzhöhe machen’s möglich. Trotzdem gilt es, das Acht-Zentner-Eisen, das größer ist
als ein Smart, durch Haarnadelkurven zu zirkeln. Wer lässt sich schon von früh aufsetzenden Fußrasten aus der Ruhe bringen? Pah, Gold Swing.
Dem 1300er-Kraftwerk der CB merkt man an, dass er die Krönung von Hondas ruhmreicher Vierzylinder-Historie darstellt. Kräftig wie ein Sumo-Ringer und agil wie ein Samurai hängt der Four geschmeidig am Gas: Das bildschöne, gediegene Motorrad vereint alles, was die Japaner im Allgemeinen und Honda im Besonderen auszeichnet: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Pure Kraft und Herrlichkeit strömt aus den turmhohen, Zylindern und dem Kurbelgehäuse im Dampfkessel-Format. Feinperlige Vibrationen sind das Einzige, was man dem Motor vorwerfen kann.
Und dem einfach toll abgestimmten Fahrwerk die altbackenen Reifen. Michelin Macadam sind ja so out. Sie haften mau, schmieren unvermittelt weg und quittieren den Griff zur perfekten ABS-Bremse mit übermäßigem Aufstellmoment. Ansonsten durcheilt die CB Kurven aller Radien hochpräzise, kaum etwas bringt sie aus der Ruhe. Kupplung, Getriebe, Schalter, Instrumente, Sitzposition, alles so, wie es sein muss. Außer der Reichweite vielleicht. Denn nach Burgman und Harley läuft die Honda als nächste trocken.
Trocken? Flotten von U-Booten, Fregatten und Frachtschiffen im Hafen von
La Spezia erinnern daran, dass der italienische Stiefel als Halbinsel im Mittelmeer badet. Wie riesige Arme greifen Kräne nach den Wolken. Es trübt sich ein, also schnell den Rücken des Apennin über-queren. Mitten durch den Stau rund um Bologna bahnt sich der Achter mit Steuermann seinen Weg. San Marino rückt näher.
Die älteste existierende Republik der Welt, mit 60,57 Quadratkilometer nicht mal halb so groß wie die Stadt Bonn, thront wie ein Adlerhorst an den steilen Hängen des 756 Meter hohen Monte Titano. Gut 30000 Menschen leben in dem komplett von Italien umschlossenen Land – so geht es Monaco mit Frankreich. Durch den Dunst zunächst kaum zu erkennen, beeindruckt die Hauptstadt, sie heißt ebenfalls San Marino, mit ihrem pittoresken Panorama. Von der wehrhaften, zinnenbewehrten Burganlage genießen wir dem weiten Blick ins hügelige Hinterland.
Dem Feinschmecker-Programm, reichhaltigen Platten von Meeresfrüchten in Misano an der Adria, folgt pures Kilometerfressen auf der Bahn, Modena–Milano. Zur Belohnung passieren wir kurz darauf Bilderbuch-Landschaften im Hochgebirge. In den Tälern leuchtet das Laub in buntesten Farben an den Bäumen, an den Hängen stehen goldgefärbte Lärchen vor sattgrünen Wiesen und tiefblauem Himmel.
Indian Summer in den Alpen. 20 Grad auf dem San Bernardino. Am 30. Oktober. Erste Klimakapriolen? Finale! Denn nun gilt’s, es geht schnurstracks gen Liechtenstein. Fast schon ein Riese unter den Zwergen: 160 Quadratkilometer groß und bis auf 2599 Meter Meereshöhe reichend. Seine 35000 Einwohner sprechen Deutsch, das macht’s uns einfach. Wir überqueren die Brücke über den jungen Rhein und sind drin. In dem Land mit dem höchsten Bruttosozialprodukt pro Kopf weltweit: 80900 Euro.
Und so kommen wir um viele Erfahrungen reicher zurück. Letztlich geht es um den Geist hinter den Maschinen. Nun, wer ist der richtige Reisedampfer? Tourentauglich sind alle acht, besonders souverän jedoch der Power-Tourer Yamaha FJR 1300, die Reise-Enduro BMW R 1200 GS und der Luxusdampfer Honda Gold Wing. Jede auf ihre ganz spezielle Weise. Und das ist wahrlich kein Märchen.

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Die Route

Am Anfang stand eine große Idee: Mit den Reise-Riesen durch Miniaturstaaten zu touren. Jedoch fielen zwei der fünf europäischen Zwergstaaten früh durchs Raster: Andorra liegt mitten in den Pyrenäen auf großer Höhe, ist daher Ende Oktober alles andere als wettersicher. Zudem hätte es den Rahmen von sechs Fahrtagen gesprengt. Der Vatikanstaat wiederum ist eher für Pilger denn für Motorradfahrer interessant.
So kristallisierte sich eine Route von Monaco über San Marino nach Liechtenstein heraus. Selbst mit dieser »kurzen« Wichtelland-Variante blieben mit Start- und Endpunkt in Stuttgart noch rund 2700 Kilometer zu bewältigen.
Die Tour führte über den Splügen- und
San-Bernardino-Pass in den Alpen und die traumhaften Küstenstraßen der Cinque Terre: Dort gab es überall Kurven und Kehren satt statt schnöden Kilometerfressens.

Technische Daten BMW F 800 ST

Motor: wassergekühlter Zweizylinder Viertakt-Reihenmotor, Bohrung x Hub 82,0 x 75,6 mm, Hubraum 798 cm3, 62,5 kW
(85 PS) bei 8000/min, 86 Nm bei 5800/min
Gewicht: vollgetankt* 225 kg, Zuladung 180 kg, Tankinhalt/Reserve 16,0/4,0 Liter
Preis: 9150 Euro, Testmotorrad1: 10802 Euro, Nebenkosten 262 Euro

Technische Daten BMW R 1200 GS

Motor: luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, Bohrung x Hub 101,0 x 73,0 mm, Hubraum 1170 cm3, 72,0 kW (98 PS) bei 7000/min, 115 Nm bei 5500/min
Gewicht: vollgetankt* 252 kg, Zuladung 183 kg, Tankinhalt 20,0 Liter
Preis: 12050 Euro, Testmotorrad1: 14758 Euro, Nebenkosten 264 Euro

Technische Daten Harley-Davidson Road King

Motor: luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, Bohrung x Hub 95,3 x 111,1 mm, Hubraum 1585 cm3, 57,0 kW (78 PS) bei 5450/min, 123 Nm bei 3400/min
Gewicht: vollgetankt* 349 kg, Zuladung 221 kg, Tankinhalt/Reserve 18,9/3,8 Liter
Preis: 19860 Euro, Nebenkosten 350 Euro

Technische Daten Honda CB 1300 S

Motor: wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, Bohrung x Hub 78,0 x 67,2 mm, Hubraum 1284 cm3, 85,0 kW (116 PS) bei 7000/min, 117 Nm bei 6000/min
Gewicht: vollgetankt* 270 kg, Zuladung 182 kg, Tankinhalt/Reserve 21,0/4,5 Liter
Preis: 10713 Euro, Nebenkosten 180 Euro

Technische Daten Honda Gold Wing

Motor: wassergekühlter Sechszylinder-Viertakt-Boxermotor, Bohrung x Hub 74,0 x 71,0 mm, Hubraum 1832 cm3, 87,0 kW
(118 PS) bei 5500/min, 167 Nm bei 4000/min
Gewicht: vollgetankt* 411 kg, Zuladung 191 kg, Tankinhalt 25,0 Liter
Preis: 24994 Euro, Nebenkosten 270 Euro

Technische Daten Moto Guzzi Norge 1200 GTL

Motor: luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Bohrung x Hub 95,0 x 81,2 mm, Hubraum 1151 cm3, 68,0 kW (93 PS) bei 7250/min, 96 Nm bei 5500/min
Gewicht: vollgetankt* 278 kg, Zuladung 200 kg, Tankinhalt/Reserve 23,0/4,0 Liter
Preis: 14790 Euro inkl. Nebenkosten

Technische Daten Suzuki Burgman 650 Executive

Motor: wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, Bohrung x Hub 75,5 x 71,3 mm, Hubraum 638 cm3, 41,0 kW (56 PS) bei 7000/min, 62 Nm bei 5000/min
Gewicht: vollgetankt* 279 kg, Zuladung 176 kg, Tankinhalt 15,0 Liter
Preis: 8950 Euro, Nebenkosten 120 Euro

Technische Daten Yamaha FJR 1300 A

Motor: wassergekühlter Vierzylinder-Vier-takt-Reihenmotor, Bohrung x Hub 79,0 x 66,2 mm, Hubraum 1298 cm3, 105,5 kW (144 PS) bei 8000/min, 134 Nm bei 7000/min
Gewicht: vollgetankt* 292 kg, Zuladung 211 kg, Tankinhalt 25,0 Liter
Preis: 15290 Euro, Nebenkosten 205 Euro

Konzeptvergleich Motoren – Motoren wie aus dem Bilderbuch

Was zeichnet einen guten Touren-Motor aus? Er zieht wie ein Ochse, schnurrt geschmeidig wie eine Katze und ist so genügsam wie ein Maultier.

Wie viel Motor-Rad braucht der Zweirad-Tourist? Zwei, vier oder gar sechs Zylinder, 50 oder 150 PS, 650 cm3 oder knapp zwei Liter Hubraum? Ein breites Motoren-Spektrum, und auch beim Sekundärantrieb findet man unterschiedliche Lösungen: Kardan mit Einarmschwingen an R 1200 GS, Gold Wing und Guzzi. Oder in Zweiarm-Ausführung an der FJR. Harley und F 800 ST setzen auf ebenfalls wartungsarmen Zahnriemenantrieb, hier mit Zwei-, dort mit Einarm. Der Burgman treibt sein Hinterrad mit einer Zahnradkaskade an und die CB 1300 ganz konventionell mittels Kette.

Das extremste Triebwerk hat die Gold Wing. Was für ein Motor! Stemmt Drehmoment wie ein Schaufelraddampfer: Bei 4000 Touren liegen bereits knapp 150 Newtonmeter an der Kupplung an. Und 80 PS – am Hinterrad. Kein anderer Motor schüttelt seine Leistung so lässig und souverän aus dem Ärmel.

Doch der 1300er-Four in der CB kann den göttlichen Sechszylinder noch überflügeln. Alles in allem gewinnt die CB die Motorenwertung klar, schiebt mächtig an. Sie glänzt mit dem besten Durchzug, ob allein im zweiten oder mit Sozius im höchsten Gang gemessen. Wie Gold Wing und FJR besitzt die CB lediglich fünf Gänge. Ganz geschmeidig spricht Hondas Reihen-Vierer auf Gasbefehle an.

Davon ist die FJR 1300 weit entfernt. Das 2006er-Modell geht aus dem Schiebebetrieb ruppig und hart ans Gas. Gefühlvolles Beschleunigen am Scheitelpunkt von Kurven wird so zur Glückssache, zumal der »progressiv übersetzte« Gasgriff viel Kraft verlangt. Es fühlt sich an, als zögen Heinzelmännchen heimlich in Gegenrichtung an den Drosselklappen. Ebenfalls zu hoch: die Kupplungshandkraft. Darüber tröstet auch die höchste Spitzenleistung von nominell 144 PS nicht ganz hinweg. Davon kommen 123 PS am Hinterrad an.

Leistung ist nicht alles. Das beweist die BMW R 1200 GS mit 98 PS Nennleistung. 252 Kilogramm (inklusive Koffern) adeln sie zur zweitleichtesten Maschine. So bietet sie der 40 Kilogramm schwereren FJR im Durchzug Paroli und schmettert fast ebenso rasant wie die CB 1300 aus Zweite-Gang-Kurven heraus. Die wellige Leistungskurve des
Boxers stört im Fahrbetrieb nicht, zumal fette 96 PS am Hinterrad ankommen. Weniger schön: deutliche Lastwechselreaktionen und das im direkten Vergleich nicht berauschende Getriebe.

Die Schaltbox ist auch bei der kleinen Schwester F 800 ST das große Manko. Heftig klackert und kalonkt sie bei jedem Gangwechsel und schlägt bei Lastwechseln extrem. Wer bei 2000 Touren das Gas auf-, zu- und wieder aufmacht, bekommt Angst, das Getriebe zerreiße. Der erfreulich sparsame Twin scheint viel Spiel im Antriebsstrang zu haben. Schade, denn die Fahrleistungen des 225 Kilogramm leichten Flohhopsers können sich sehen lassen.

Völlig anders ist der V2 in der Harley gestrickt. Er hängt weich und elastisch am Gas. Subjektiv ist der 1584 cm3 messende Twin Cam 96 mit seinem Klappensystem ein echter Genussmotor. Sound und Feeling. Das satte Klackgeräusch beim Schalten und die mäßigen Fahrleistungen gehören irgendwie dazu. 67 PS am Hinterrad müssen schließlich sieben Zentner in Wallung bringen, und das bei einem sechsten Gang, der als echter Overdrive auf 250 übersetzt ist.

Schwächer als erwartet ist dagegen der Antritt des Norge-V-Zwos. Der klangstarke 1200er agiert wenig bullig, leistet sich wie alle Guzzi-Zweiventiler einen fühlbaren Hänger im wichtigen Drehzahlbereich zwischen 3000 und 4000 Touren. Akustisch allerdings ist der Italo-Twin eine »bella machina«, der typische, dumpfe Schlag ist unvergleichlich. Weniger erfreulich sind dagegen die Lastwechselreaktionen. Kupplung und Getriebe arbeiten unauffällig.

Ist ohne Leistung alles nichts? Das könnte man sich beim Burgman fragen, angesichts von nur 41 PS Hinterradleistung des 279 Kilogramm schweren
Rollers. Tatsächlich fällt er im Durchzug weit ab, besonders mit Sozius bei hohem Tempo. Dafür hängt der vorn im Fahrzeug liegende Twin geschmeidig am Gas. Und nur er bietet die Option, sich von einer Automatik verwöhnen zu lassen – normal oder im »Sport-Modus«. Man kann aber auch selbsttätig die sechs Gänge (inklusive Overdrive) per Tiptronic von der linken Lenkerarmatur aus schalten.

Vergleich Fahrwerke – Wo ein Fahrwerk ist, ist auch ein Weg

Stabil bleiben, wenn’s knüppeldick kommt, Sozius und Gepäck locker wegstecken und sich dann noch handlich geben – ein Tourer-Chassis hat’s nicht leicht.

Vollgas-Eskapaden über deutsche Autobahnen bringen kaum etwas – außer Erkenntnissen. So fegt die CB 1300 S selbst bei Topspeed 230
stoisch gen Horizont. Übermäßigen Auftrieb am Vorderrad kennt sie nicht. Auch sonst fährt die CB unauffällig gut, typisch Honda: handlich, stabil, gut ausbalanciert.

Noch etwas schneller, bleibt die FJR 1300 ebenfalls gelassen und zielsicher, als wandele sie auf Schienen. Bemerkenswert ruhig für solch einen Hochdecker fegt die R 1200 GS über die Bahn. Wohlgemerkt mit Koffern und Gepäckrolle. Das ist top für eine große Reise-Enduro.

Wer hingegen den Burgman voll auswringt, hat das Gefühl, als verwinde sich das Heck. Der Roller pendelt ab Tempo 140, trotz knapp 1,60 Meter Radstand. Mit der Geradeauslaufstabilität ist es auf der Road King ebenfalls nicht weit her. Permanent geht eine leichte Unruhe durchs Fahrwerk, als wären die Lager unterdimensioniert. Oder die schmächtige 41er-Gabel unter den dicken Verblendungen?

Pendelneigung kennt auch die Norge. Bei 160 geht’s los, zumindest mit beladenen Koffern. Nun, Moto Guzzi erlaubt mit Gepäckboxen bloß 130 km/h. Souveräner pflügt der Luxusdampfer Gold Wing übern Asphalt. Erst jenseits der 200 rührt es ein wenig um den Lenkkopf. In der Regel braucht es dafür einen handfesten Impuls. Etwa Wirbelschleppen von überholten Lkw, Fahren mit hochgestellter Scheibe oder allzu viel Last im Topcase. Die F 800 ST läuft an und für sich stabil geradeaus. Allenfalls bei Höchst-
geschwindigkeit tänzelt mitunter das Vorderrad minimal. Auf der anderen Seite fällt Bayerns Medium-Tourer besonders leicht in Schräglage, ohne in selbiger mit irgendwas aufzusetzen.

Ähnlich die GS. Aber als Reise-Enduro übertrifft sie die ST noch in der Bodenfreiheit, logisch. Und die langen Federwege im gut abgestimmten GS-Fahrwerk stecken Schlaglöcher am lockersten weg. Doch selbst der Deutschen liebstes Kind könnte noch souveräner rollen, wenn am vorderen Federbein auch die Dämpfung verstellbar wäre. Und an der einstellbaren Zugstufe hinten ist der wirksame Verstellbereich zu klein. Erst tut sich nichts, dann reagiert das Federbein plötzlich überempfindlich: Eine halbe Umdrehung an der Einstellschraube kann von unter- bis überdämpft alles bewirken. Außerdem wird die 1200er-GS mit Sozius arg hecklastig. Bei Bergauffahrt zu zweit sind unfreiwillige Wheelis programmiert.

Wobei das Jammern auf höchstem Niveau ist, wie der Extremfall Road King beweist. Träge im Handling und wenig fahrstabil, schleift das US-Bike in Kurven sehr früh übern Asphalt: zunächst mit den klappbaren Trittbrettern und dann – weniger spaßig – mit deren starren Auslegern.

Im nach unten offenen Raspel-Ranking folgen die nicht übermäßig handliche Gold Wing (Fußrasten und Verkleidung) und die Guzzi. Sie setzt tückischerweise zuerst mit dem unnachgiebigen Hauptständer auf – nicht ungefährlich. Zumal das weiche Federbein die Italienerin im Soziusbetrieb weit einsacken lässt. Harmlos dagegen sind die früh Furchen ziehenden Fußrasten der FJR. Dafür dürfte das Handling der Yamaha insgesamt besser sein.

Erstaunlich handlich gibt sich der Burgman. Und er setzt erst dann auf, wenn auch die Reifenhaftgrenze bald erreicht ist. Mit der flotten Fortbewegung ist es auf schlechten Wegstrecken aber im Nu vorbei. Die kleinen 14-Zoll-Rädchen finden und fallen (in) jedes Schlagloch, den trampeligen Federbeinen fehlt’s an Reserven. Und der ausladenden Karosserie an Bodenfreiheit: Vorsicht beim Bordsteinklettern!

Komfort beim Reisen – Mit viel Komfort kommt man am Besten vorwärts

Schutz vor Wind und Wetter ist die Minimalanforderung an einen Tourer, ein lauschiges Plätzchen für Kapitän und Passagier das Meisterstück.

Wenn man tagelang auf der Piste unterwegs ist und Tausende von Kilometern abspult, erhalten Kriterien wie Wind- und Wetterschutz, Sitzkomfort sowie ein weich ansprechendes Fahrwerk eine große Bedeutung. Viel mehr jedenfalls als am Wochenende auf der Hausstrecke.
Ein knapp verkleidetes Motorrad wie die Honda CB 1300 S kann naturgemäß keinen besonders guten Schutz bieten. Recht laut geht es hinter ihrer Scheibe zu. Dafür passt sie Fahrern jeden Zuschnitts prima und glänzt mit tollem Federungskomfort.

Etwas besser schirmt die F 800 ST vorm Fahrtwind ab, nur Arme und Schultern lässt sie ungeschützt im Wind liegen. Ihr Arbeitsplatz ist angenehm leise, auch für den Passagier. Allerdings fallen die Vibrationen des Twins unangenehm aus. Und der Kniewinkel ist für große Fahrer ein wenig spitz.

Für lange Ritte taugt der ausladende, gut gepolsterte Harley-Sattel, doch der nicht ideal gekröpfte Lenker liegt recht weit weg. Und das kleine, nach hinten abfallende Soziusplätzchen ohne Haltegriffe ist eines Tourers unwürdig. Dabei hat die Road King die höchste Zuladung, fette 221 Kilogramm. Die große, abnehmbare Scheibe – vier Schrauben lösen, und man fährt ein Naked Bike –, erzeugt bei Tempi jenseits von 130 heftige Turbulenzen. Spürbar als deutlicher Sog und als Trommeln am Helm des
Sozius. Zumindest läuft der V2 weicher, als es das heftige Stampfen im Leerlauf vermuten lässt.

Heftig schüttelt sich der Guzzi-V-Twin, es kribbelt bis in die Fußrasten. Lebenszeichen oder lästige Attitüde? Immerhin heißt es bei der Norge Scheibe hoch und ab dafür. Dann wird’s ruhiger. Elektrisch per wenig griffgünstiger Knöpfe betätigt, fährt der kleine Schutzschild auffallend langsam auf und ab. Schade nur, dass man sich weit zum Lenker strecken muss. Toll geriet der Soziusplatz, doch mit Passagier sackt das weiche Federbein sehr weit ein.

Der Burgman rangiert in puncto Wind- und Wetterschutz auf dem dritten, bei Laufkultur des Motors sogar auf dem zweiten Rang. Respekt. Allerdings sprechen seine wenig komfortablen Federelemente am schlechtesten an. Und er sattelt bloß 176 Kilogramm. Ungewohnt ist der fehlende Knieschluss, und die breite Heckverkleidung spreizt dem Sozius arg die Beine. Das Platzangebot ist dafür riesig.

Die FJR bietet vorn wie hinten eine gut gepolsterte, zweiteilige Sitzbank ohne störende Ecken und Kanten, und das in moderater Sitzhöhe. Jenseits der 130 nehmen jedoch die Vibrationen deutlich zu. Außerdem wird es hinter ihrer Scheibe auf der Autobahn unbotmäßig laut, vor allem hochgefahren dröhnt es heftig. Ehrlicher und leiser ist der Fahrtwind bei tief gestellter Scheibe. Außer für den Sozius.

Vorbildlich ist der Federungskomfort der R 1200 GS. Ihre Besatzung sitzt souverän aufrecht. Sofern der Sozius es geschafft hat, den Hochsitz zu entern. Keine leichte Übung mit Koffern, welche die Zuladung auf 183 Kilogramm drücken. Oben angekommen, darf sich der Passagier über guten Windschutz und geringe Lautstärke freuen. Nervig sind derbe Vibrationen des Boxers just bei Autobahnrichttempo 130.

Da zuckt der Gold Winger bloß mit den Schultern. Sein Big Block glänzt mit perfekter Laufkultur, als wären seine sechs Zylinder mit Samt und Seide ausgeschlagen. Hinzu kommen die bequemsten Pullmansitze sowie der feisteste Windschutz hinter der fetten Verkleidung. Und fast sänftenartiger Federungskomfort auf normalen Straßen. Sicher und behütet wie in Abrahams Schoß!

Auch im Alltag hört der Spass nicht auf

Kraftstoff sparen, aufbocken,
Licht einstellen, tanken: Oft machen
Kleinigkeiten den entscheidenden Unterschied im Alltag.

Erst 200 Kilometer ist es her, dass die Zapfpistole das letzte Mal ihren Rüssel in alle Tanks hielt. Da signalisiert der Burgman-Fahrer schon wieder unmissverständlich, dass er erneut Kraftstoff nachfassen muss. Jetzt schon? Die Tankuhren der Gold Wing und FJR 1300 zeigen gerade mal halb leer, und auch die anderen könnten noch locker weiterfahren. Nur die Harley ist ebenfalls kurz vor knapp.
So ist es nun mal, wenn der Scooter nur 15 statt 25 Liter Kraftstoff bunkern kann, aber kaum weniger teuren Kraftstoff konsumiert als seine Mitstreiter (siehe Tabelle). Dennoch hätte der Fahrer cool bleiben können, denn vom »Reserve-Blinken« bis zum Trockenfallen vergehen fast noch 90 Kilometer. Ähnlich früh macht die BMW R 1200 GS darauf aufmerksam, dass ihr Kraftstoff langsam zur Neige geht. Und auf ihre Restreichweitenanzeige ist wenig Verlass.
Vollgas-Etappen, Richtgeschwindigkeit 130, sport-
liches Landstraßentempo, gemütliches Cruisen –
alles war auf der Tour dabei. Spritknauserin Nummer eins: die BMW F 800 ST. Zur Schluck-Fraktion gehören Honda Gold-Wing wie CB 1300 S, aber auch die Yamaha FJR 1300 A. Bei Volllast bis zu zehn Liter. Überraschend der Suzuki Burgman. Trotz Dauer-Vollgas wegen mangelnder Motorleistung rannen nie mehr als 6,2 Liter durch die Einspritzdüsen.
Kette schmieren, Ölstand kontrollieren, Luftdruck prüfen – Kleinigkeiten, wenn sie leicht genug von der Hand gehen. Wobei eine Kette zur Kraftübertragung nicht zu den langstreckentauglichen Tugenden eines Tourers passt. Kardan oder zumindest Zahnriemenantrieb sind sauberere und wartungsärmere Antriebe.
Die Honda CB 1300 S fährt als Einzige in diesem Konzeptvergleich auf Kette ab. Dummerweise besitzt sie keinen Hauptständer. Der fehlt schmerzlich, wenn die Kette geschmiert werden muss. Das volle Gewicht des Motorrades auf dem Seitenständer abgestützt, das Hinterrad frei in der Luft, die linke Hand zum Balancehalten fest am Lenker und mit der rechten das Kettenspray auftragen, das ist fast schon eine zirkusreife Nummer für den Schmiermaxen.
Für eine andere Art der Unterhaltung sorgt die Moto Guzzi Norge. Um den Ölstand zu überprüfen, sollte man sich Zeit nehmen. Viel Zeit. Diverse Schrauben und Halterungen am Verkleidungsunterbau müssen entfernt werden, bevor man den Peilstab zu fassen bekommt. Aber auch sonst halten die Italiener offensichtlich wenig von Wartungs- und Bedienungsfreundlichkeit. So muss erst ein Seitendeckel entfernt werden, bevor das Handrad zur hydraulischen Federbasisverstellung gedreht werden kann. Bei den BMW sind die Handräder leicht zugänglich, und auch der Hebel an der FJR zur Umstellung von Solo- auf Soziusbetrieb ist flugs umgelegt.
Überhaupt könnte das Leben und Reisen mit dem Motorrad so einfach und bequem sein, wenn die Hersteller nicht nur die Kostenbremse vor Augen hätten. Es gibt jedoch auch eine Reihe positiver
Beispiele an praxisnahen Lösungen: Abgewinkelte
oder seitlich angeordnete Reifenventile (F 800) erleichtern die Luftdruckkontrolle, gut zugängliche Leuchtweitenregulierungen (FJR, Gold Wing, GS) helfen, falsch eingestellte Scheinwerfer zu vermeiden. Und Schaugläser à la GS, CB und FJR verein-
fachen die Ölstandskontrolle.
Zur Bedienbarkeit von Hebeln, Knöpfen oder auch Blinkerschaltern lässt sich nur sagen: Man gewöhnt sich an alles, oftmals sogar recht schnell. Dennoch (selbst wenn Harley-Fahrer dies anders sehen), das getrennte Lenk- und Zündschloss an der Road
King ist nicht nur antiquiert, sondern umständlich
zu handhaben. Und der Kippschalter für die Nebelscheinwerfer gehört nicht an die Verkleidung der oberen Gabelbrücke, sondern an den Lenker.
Wenden, rangieren oder gar zurücksetzen, der
dichtest besiedelte Staat der Erde, Monaco, bietet reichlich Gelegenheit, die Nachteile dickbauchiger Motorräder auszuloten. Die schwergewichtige Gold Wing und die ungelenke Road King verderben die Freude am Besuch des Fürstentums, trotz Rückwärtsgang der Honda. Da patzen die Protzer.
Was letztlich zählt im Alltag, sind geringer Kraftstoffverbrauch und Wartungsaufwand, einfache Hand-
habung und hohe Reichweite. Kurzum: fahren, fahren, fahren. Diesbezüglich ist die Yamaha FJR 1300 A
die Überzeugendste.

Mit Sicherheit bringt Reisen Spass

Gute Bremsen, ABS und klare Sichtverhältnisse sind der Schutzbrief für
Motorradreisen. Nicht alle Hersteller nehmen ihn wirklich ernst.

Achthundert Kilometer beträgt heute die Tagesetappe, sich in fremden Gegenden stets neu orientieren, zwischendrin tanken – schnell sind da zehn und mehr Stunden beisammen, die Kondition abverlangen. Gerade da darf ein Motorrad keine
Zicken vollführen, muss Fahrfehler verzeihen, stets berechenbar reagieren.
Dazu gehören verlässliche Bremsen und natürlich ABS. Letzteres besitzen bis auf die Harley alle. Wobei gerade sie es nötig hätte, denn die hohen Bedienkräfte der Vorderradbremse und das mangels Dosierbarkeit schnell blockierende Hinterrad fordern ein ABS geradezu heraus. Der Rest ist gut gerüstet. Besonders fein
regelt das System der CB 1300 S, so fein, dass man fast nicht spürt, wenn es in Aktion tritt. Im Vergleich dazu arbeitet jenes der FJR 1300 A eher grobmotorisch. Ebenso weisen das ABS der F 800 ST und R 1200 GS ihre Eigenarten auf. Das Ziel von BMW, eine Überschlagsneigung bei zu hoher Bremskraft schon im Keim zu ersticken, sorgt auf welligen Talfahrten für manches »Oha«-Erlebnis, wenn nämlich bei abhebendem Hinterrad die Vorderbremse aufmacht. Gleichwohl bedeutet das ABS einen Sicherheitsgewinn.
Geringer Kraftaufwand, feine Dosierbarkeit und saubere Rückmeldung, CB 1300, FJR und F 800 bremsen auf hohem Niveau. Die Norge-, Burgman- und Gold Wing-Stopper geben sich unauffällig. Während Guzzi bei seinem Tourenmotorrad auf ein Integralbremssystem verzichtet, setzen BMW, Honda und Yamaha bei R 1200 GS, Gold Wing und FJR 1300 auf eine Kombibremse, von der sie sich bessere Beherrschbarkeit des Motorrades versprechen, was für wenig routinierte Fahrer sicherlich zutrifft. Die GS besitzt zwar den in der Vergangenheit kritisierten Bremskraftverstärker nicht mehr, doch die Dosierbarkeit der Vorderradbremse ist immer noch nicht ideal.
Die Dunkelheit bricht herein, fordert volle Konzentration bei nachlassender Kondition. Gute Rundumsicht ist gefragt, klare Lichtverhältnisse sind gefordert. Sehr gut leuchten die Scheinwerfer der Yamaha, perfekt die vier Strahler der Gold Wing. Leider versperrt die kolossale Verkleidung die Sicht direkt vors Vorderrad. Und über die hohe Scheibe kann man auch nur begrenzt hinausschauen. Die anderen besitzen eher knapp geschnittene Verkleidungen oder können ihre verstellbaren Scheiben so weit runterfahren, dass die Sicht nach vorn kaum oder nicht (FJR) eingeschränkt ist. Während bei der Guzzi Vibrationen das Bild in den Spiegeln komplett verzerren, gelingt die Rücksicht bei der Yamaha perfekt. Summa summarum gebührt ihr in Sachen Sicherheit der erste Platz. Funzeliges Abblendlicht, eine zu hohe Scheibe, die bei Regenwetter die Sicht stark einschränkt, und das fehlende ABS verbannen die Road King beim Thema Sicherheit ans Ende der Rangliste.

Die Ausstattung, die einen Tourer ausmacht

Zu den griechischen Inseln oder ans Nordkap, Hitze und Kälte, Regen –
mit der richtigen Ausstattung steht und fällt die Qualität des Tourers.

Egal, ob große oder kleine Reise, ohne Gepäck geht’s nicht. Zahnbürste, Unterhose, Pullover, Schuhe, vielleicht noch etwas Lesestoff – bereits für eine Wochentour muss einiges mit. Wohin mit all dem Kram, wenn das Motorrad, wie die Honda CB 1300, ab Werk kein Gepäcksystem mitbringt? Man schnallt eine wasserdichte »Ortlieb«-Tasche über
Soziussitz und Heckbürzel. Zum Glück verfügt die CB über jede Menge Gepäckhaken, so dass eine sichere Befestigung der Gepäckrolle möglich ist. Die vielen Kleinigkeiten, die man schnell mal braucht, wandern in den Magnetrucksack, die Honda besitzt lobenswerterweise einen Blechtank. So hat man dann auch gleich die Straßenkarte immer im Blick. Alles in allem nicht die schlechteste Lösung.
Yamaha FJR und Moto Guzzi Norge bieten serienmäßig 30- beziehungsweise 36-Liter-Koffer an, worin alles bequem Platz findet. Zur Ausstattung der Norge GTL hätte sogar noch ein 44-Liter-Topcase gehört, das beim eiligen Zusammenzimmern der Testmaschine im Guzzi-Werk einfach vergessen wurde. Mit geschickt verdeckt angeordneten Kofferhaltern erscheinen Yamaha- und Guzzi-Heck ohne Koffer schlank und aufgeräumt. Keinerlei Rohrgeflecht stört die Linienführung. Ohne Fummelei sind die Koffer schnell angeklickt oder abgenommen. Ebenso erleichtert ein Einschlüsselsystem die Handhabung.
Auch Gold Wing und Road King tragen serienmäßig Koffer. Das Honda-Schiff bringt es laut Hersteller
inklusive Topcase auf 147 Liter Rauminhalt. Klingt nach genug, um den halben Hausstand mitzuschleppen. Aber da die Koffer schmal und stark zerklüftet sind, ist das Platzangebot gar nicht so üppig, wie es zunächst scheint. Immerhin, das Topcase fasst mit etwas Mühe zwei Integralhelme. Peinlich ist, dass man sein Gepäck tütenweise ins Hotel schleppen darf, weil die Koffer fest mit dem Motorrad verbunden sind. Die elegantere Lösung: die passenden Honda-Innentaschen mitbestellen, die jedoch mit happigen 249 Euro zu Buche schlagen.
Bei den schlanken Harley-Koffern, die mangels Tiefe keinen Helm aufnehmen können, ist die Situation kaum besser. Theoretisch könnte man diese per Schnellverschluss zwar ruck, zuck entfernen, praktisch jedoch muss man zuvor einen Teil des Inhalts auf der Straße verteilen, um an die Bolzen ranzukommen. Macht man sich trotzdem die Mühe, fehlt zum Tragen der Koffer ein ordentlicher Griff, und so darf man die mit Straßendreck überzogenen Teile auf dem Weg ins Haus unter den Arm klemmen. Also dranlassen und Original-Innentaschen für 142 Euro ordern, um seine Utensilien en bloc transportieren zu können.
Pfiffig sind die Gepäcksysteme von BMW F 800
ST und R 1200 GS. Variabel in Umfang und Stauvolumen (siehe Ausstattungstabelle), können die Koffer mit wenigen Handgriffen an die Gepäckmenge an-
gepasst werden. Warum sollte man sich mit nur halbvollen Koffern, aber voller Breite durch den
Verkehr zwängen? Angenehm ist zudem die Hand-habung: Einschlüsselsystem, fixe und unkomplizierte Befestigung, problemloses Abnehmen. BMW-typisch! Leider auch die Aufpreispolitik. Denn die Münchner lassen sich jedes clevere Feature fürstlich honorieren. Die Kofferhalter, die Koffer, die Schließzylinder für die Einschlüsselbedienung, der Hauptständer, die Heizgriffe und der Bordcomputer, alles Accessoires, die einen gut ausgestatteten Tourer ausmachen, müssen bei der F 800 ST zum Grundpreis von 9150 Euro addiert werden. Das gilt ebenso für das sicherheitsrelevante ABS. So kostet eine vermeintlich günstige F 800 ST plötzlich stolze 10802 Euro. Ohne Nebenkosten, versteht sich.
Gut, eine Moto Guzzi Norge 1200 ist für 14790 Euro wahrlich kein Schnäppchen, doch es wird nichts schön gerechnet. Sie ist vom Bordcomputer bis zu den Heizgriffen vollständig ausgerüstet. Neben der elektrisch, allerdings nur langsam ausfahrenden,
höhenverstellbaren Scheibe bietet die Italienerin
sogar ein TomTom-Navigationsgerät. Durchaus nützlich, wenn man zum Beispiel im Wirrwarr der Autobahnzubringer und -abfahrten rund um Mailand nicht den richtigen Anschluss verpassen will. Informationen aus dem Bordcomputer über Verbrauch, Reichweite oder Außentemperatur hingegen ver-
fehlen ihre Wirkung, weil die Sicht aufs Display
versperrt ist und die filigran dünne Darstellung mit geringen Kontrasten Adleraugen erfordert.
Auf der Gold Wing wähnt man sich in einer Raumstation: Unzählige Schalter, Knöpfe und Riegel für das serienmäßige Radio, die Intercom-Anlage, den Tempomaten, die Griff- und Sitzheizung sowie die kompressorgesteuerte Federbasisverstellung spiegeln Luxus pur wider. Andererseits reicht es nur zu einer wenig eleganten, mechanischen Höhenverstellung der Windschutzscheibe. Sie lässt sich lediglich im Stand bedienen.
Dennoch hievt die Ausstattungsliste, für die eine
telefonbuchdicke Bedienungsanleitung notwendig ist, gepaart mit dem Kofferraum die Gold Wing auf Rang eins dieses Kapitels. Dass die beiden BMW mit ihrem tourentauglichen Charakter hier nicht ganz vorn
landen, ist weniger der Aufpreispolitik der Bayern
als vielmehr der mageren Zuladung von F 800 ST und R 1200 GS zuzuschreiben. 180 und 183 Kilogramm sind wenig, wenn man mit Sozius und Gepäck verreisen will. Wie es besser geht, zeigen vor allem Norge, FJR und Road King: 200, 211 und 221 Kilogramm Zuladung. Lediglich 176 Kilogramm sattelt der Burgman, schlägt sich aber dennoch wacker unter den Motorrädern. Sein großzügiger Stauraum unter der Sitzbank rangiert fast auf dem Niveau zweier FJR-Koffer. Die großzügig geschnitten Fächer in der Verkleidung bieten zusätzlich Platz für Proviant und Kleinkram. Das können eben nur Roller.

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