Royal Enfield Super Meteor 650 im Fahrbericht
Überzeugender A2-Cruiser in Indien angetestet

Die sympathische Royal Enfield Super Meteor 650 ist tatsächlich ein großer Wurf. Die Konkurrenz muss sich künftig warm anziehen, um hier mitzuhalten.

Royal Enfield Super Meteor 650
Foto: Royal Enfield

Royal Enfield hat sich bei der globalen Präsentation für die Region Rajasthan in der Wüste entschieden, da es hier für indische Verhältnisse einigermaßen ruhig zugeht und die langen Highways das ideale Terrain für die neue Royal Enfield Super Meteor 650 sind.
Wie der Name schon vermuten lässt, baut der 650er-Cruiser auf der 648-Kubik-Twin-Plattform auf, die bereits bei Interceptor 650 und Continental GT 650 für Freude sorgt. Im komplett neu entwickelten Rahmen positioniert sich der Motor leicht geneigt und die Motordeckel wurden neu designend. Im Inneren des Reihenzweiers bleibt aber alles beim Alten.

Motorrad-Neuheiten

47 PS, 6 Gänge, toller Sound

Die Royal Enfield Super Meteor 650 leistet 47 PS bei 7.250 Umdrehungen und 52,3 Nm Drehmoment bei 5.650/min. Er scheint in den Cruiser noch besser zu passen als in die Interceptor 650 und Continental GT. Er fühlt sich in der Meteor 650 etwas kerniger an und liefert schon bei niedrigen Drehzahlen souveräne Kraft über ein gut abgestuftes 6-Ganggetriebe. Gänge auszudrehen ist nicht erforderlich, dennoch ertappt sich der Autor aber, aufgrund des schönen Sounds aus den neu entwickelten Auspuffrohren, hin und wieder dabei.

Bis 120 km/h beschleunigt die Royal Enfield Super Meteor 650 erstaunlich zügig, bleibt man dann am Gas, sind nach einiger Zeit 160 km/h im analogen Tacho abzulesen. Auch hinsichtlich des Durchzugs vermag die Super Meteor zu überzeugen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass man hier auf einem Motorrad der A2-Klasse unterwegs ist.

Royal Enfield Super Meteor 650 mit neuem Fahrwerk

Neben dem neu entwickelten Chassis ist es vor allem die erstmals verbaute 43 mm-USD-Gabel von Showa, die hinsichtlich der Fahrstabilität neue Maßstäbe im Enfield-Universum setzt. Die nicht einstellbare Big Piston Fork bietet 120 mm Federweg und einen guten Kompromiss aus Komfort und Sportlichkeit. Als nach ewigen Geraden dann doch mal ein paar Kurven kommen, gibt es wenig Anlass langsamer zu fahren. Mit Autobahntempo zieht die Royal Enfield Super Meteor 650 superstabil durch lange Radien. Der Radstand von 1.500 mm scheint dafür richtig gewählt.

Weniger komfortabel erweisen sich die in der Vorspannung einstellbaren Stereofederbeine im Heck. 101 mm Federweg sind nicht wenig für einen Cruiser, die Grundabstimmung ist jedoch eher auf der straffen Seite. Wer sich von der Royal Enfield Super Meteor 650 also einen schaukelnden Softchopper erwartet, irrt gewaltig. Die gewählte Abstimmung passt in Summe gut zum hochgeschwindigkeitsstabilen Cruiser, ein Durchschlagen der Dämpfer scheint schwer vorstellbar.

Fahrverhalten, Schräglagenfreiheit, Bremsen

Eines vorweg: mangels Wechselkurven und enger Radien auf der gefahrenen Strecke, kann der Autor keine abschließenden Angaben über das Fahrverhalten machen, die auch auf europäische Straßen übertragbar wären. Aber hierfür wird uns bald ein Exemplar in der Redaktion zur Verfügung stehen, das wir dann ausgiebig testen. Wie leicht und willig die Royal Enfield Super Meteor 650 abbiegt und Hindernissen ausweicht, wie beispielsweise Kühen, lässt positiv auf die erste richtige Testfahrt blicken.

Die gewählten Felgen- bzw. Raddimensionen von 100/90/19 vorne und 150/80/16 hinten lassen das nicht unbedingt erwarten. Der niedrige Schwerpunkt der Royal Enfield Super Meteor 650, in Kombination mit einem Lenkkopfwinkel von 27,6 Grad und einem Nachlauf von 118,5 mm, dürfte daran jedoch nicht ganz unschuldig sein. Die Schräglagenfreiheit der Royal Enfield Super Meteor 650 scheint ausreichend zu sein, jedenfalls dürfte sie über dem Klassenschnitt liegen. Die Überprüfung dieser Aussagen erfolgt dann, sobald uns eine Testmaschine in der Redaktion zur Verfügung steht.

Auf dem Papier erwartet man sich von zwei Single-Scheiben mit 320 mm vorn und 300 mm Durchmesser hinten sowie jeweils achsial gelagerten Zweikolben Bremssätteln keine Kunststücke. In der Praxis erwiesen sich die Bremsen der Royal Enfield Super Meteor 650 jedoch als absolut ausreichend und passend dimensioniert. Ein Zwei-Kanal-ABS von Bosch verrichtet unauffällig und nur mit minimalen Vibrationen am Hebel zuverlässig seinen Dienst.

Über 300 Kilometer Reichweite

Das von Royal Enfield angegebene fahrfertige Gewicht der Super Meteor 650 beziffert sich auf 241 Kilogramm. Diesen Wert werden wir auf der Redaktionswaage so bald wie möglich überprüfen. Doch selbst wenn er höher ausfallen sollte, zeigt sich, dass der Cruiser durch die günstige Lage des Schwerpunkts sowie die niedrige Sitzhöhe bereits im Stand und noch mehr beim Fahren ein einfach und angenehm zu handelndes Bike ist.

15,7 Liter Tankinhalt bietet der relativ flache und breite Tropfentank der Royal Enfield Super Meteor 650. Die Reichweite liegt dank des moderaten Verbrauchs definitiv jenseits der 300 Kilometer. Während unserer Tour von Jaisalmer nach Khimsar am zweiten Fahrtag, die rund 350 km umfasste, wurde sicherheitshalber auf halbem Weg nachgetankt. Erforderlich wäre das trotz der Highspeed-Etappen am Tagesbeginn wohl nicht gewesen, man wollte aber scheinbar auf Nummer sicher gehen. Einen genauen Verbrauchswert können wir aber erst in einem handfesten Test in der Redaktion ermitteln.

Ausstattung und Verarbeitung

Neben dem Fahrwerk sind Verarbeitungsqualität sowie ansprechende Haptik die beiden Bereiche, in denen die Super Meteor 650 ein Level erreicht, das bei Royal Enfield bisher nicht zum Standard gehörte. Mit viel Liebe zum Detail, etwa bei dem von der ersten Super Meteor 700 der 50er-Jahre inspirierten fein gearbeiteten Emblem am Tank oder der hochwertigen und massiven Ausführung der Hebel präsentiert sich der Cruiser spielerisch eine Klasse über der anderer Royal Enfield-Modelle. Den Vergleich mit britischen Modern Classics braucht die Super Meteor 650 in dieser Hinsicht jedenfalls nicht zu scheuen.

Der komplett neue Scheinwerfer in der Front greift, wie auch die Heckleuchte, auf LED zurück, die Blinker sind noch mit konventionellen Leuchtmittel ausgestattet. Im Zubehör finden sich für die Royal Enfield Super Meteor 650 jedoch auch LED-Blinker.
Die sonstige Ausstattung zeigt viel Bekanntes aus der Meteorfamilie: Das Kombiinstrument mit analoger Geschwindigkeitsanzeige ergänzt um ein kleines LC-Display mit ECO-, Gang- und Tankanzeige sowie zwei Tages- und ein Gesamtkilometerzähler unterscheidet sich nur durch die Einfassung aus schwarzem Klavierlack von dem der 350er. Das zweite Rundinstrument im Cockpit beherbergt den Turn-by-Turn Navigator, den es in der Meteor 350 (mittlerweile) nur gegen Aufpreis gibt. Mit zugehöriger App verbindet sich das Smartphone mit dem Motorrad und erlaubt eine auf Google Maps basierende Pfeilnavigation. Etwas versteckt hinter einer Abdeckung auf der linken Seite der Royal Enfield Super Meteor 650 verbergen sich Boardwerkzeug und der schnelladefähige USB-Port.

Auch die Drehregler links und rechts am Lenker, die zum Starten bzw. für die Einstellungen des Lichts dienen, kennt man so aus der 350er, ihre Fassungen hingegen sind neu. Die letzte Gemeinsamkeit mit der kleinen Meteor ist der indische Reifenhersteller CEAT auf den Royal Enfield bei beiden Modellen setzt. Die Pneus werden dabei in enger Kooperation zwischen Reifen- und Motorradhersteller für das jeweilige Modell entwickelt und angepasst. Aufgrund der bereits erwähnten Umstände können wir euch hierzu lediglich eine Unauffälligkeit der Reifen bestätigen. Nässe- und Kurvenperformance müssen an anderer Stelle getestet werden.

Touren-Tauglichkeit der Royal Enfield Super Meteor 650

Die Royal Enfield Super Meteor 650 erhebt den Anspruch, das beste Straßen-Reisemotorrad von Royal Enfield zu sein. Mit einer Größe von 1,87 Meter fühlt sich der Autor im Sattel des Cruisers sehr wohl. Bei Langstrecken kommt der Standardsitz jedoch an seine Grenzen. Noch besser als der optisch gelungenere 2-teilige Standardsitz passt sich die Touring-Sitzbank an die Bedürfnisse von Langstreckenfahrenden an. Leider erinnert ihre Form an die enormen King & Queen-Sitzbänke japanischer Softchopper der 90er Jahre. Die 10 mm mehr Sitzhöhe (750 statt 740 mm) fallen kaum ins Gewicht. Wirklich punkten kann die Touringbank im Zweipersonenbetrieb. Dem Sozius stehen 70 Prozent mehr Sitzfläche zur Verfügung als bei der Standardvariante. Damit hebt sich die Royal Enfield Super Meteor 650 deutlich von der Konkurrenz in dieser Klasse ab. Leider ist bisher noch nicht bekannt, wie hoch die maximale Zuladung der Royal Enfield Super Meteor 650 ist, ausreichend Platz für zwei ausgewachsene Menschen böte sie jedenfalls. Und das Gepäck wäre mit den klassischen Hartschalen-Seitenkoffern im Baggerstil und 35 Liter Stauvolumen auch versorgt (als Zubehör erhältlich).

Der Kniewinkel für Fahrer oder Fahrerin ist Cruiser-typisch entspannt. Auch in der zweiten Reihe lässt es sich aushalten. Die Breite des Lenkers ist gut gewählt, Brems- und Kupplungshebel sind einstellbar, die Spiegel – gleich ob die serienmäßig verbauten oder die coole Lenkerendvariante – bieten gute Sicht nach hinten.

Windschutz

Eine Herausforderung hat man wohl aber auch bei der Royal Enfield Super Meteor 650 nicht ganz meistern können, und zwar den für jeden passenden Windschutz zu finden. Der eigens im Windkanal entwickelte Windschild hat zwar einen Schlitz, um Verwirbelungen zu minimieren, er ist allerdings nicht höhenverstellbar. Dadurch trifft der Windstrom bei größeren Piloten in einem ungünstigen Winkel auf den Helm. Selbst bei vortrefflich leisen Helmen und zusätzlichem Gehörschutz entstehen dadurch bei konstant höheren Geschwindigkeiten unangenehme Windgeräusche. Die Empfehlung des Autor lautet daher: Entweder auf das größere Windschild aus dem Zubehör zurückzugreifen oder gänzlich auf den Windschild zu verzichten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Royal Enfield im Ergonomie-Kapitel richtig gut gearbeitet hat – das gilt im Übrigen gleichermaßen für kleinere Piloten, für die der Windschutz der Scheibe zudem besser funktioniert.

Solo-Tourer und Grand-Tourer

Die Royal Enfield Super Meteor 650 wird in 2 Varianten als "Solo-Tourer" und "Grand-Tourer" auf den Markt kommen. Erstere wird in 5 Farben erhältlich sein: Astral Black, Astral Blue, Astral Green, Interstellar Grey und Interstellar Green. Die Grand-Tourer wird es in klassischeren Designs namens "Celestial Red” und "Celestial Blue” geben.

Wem das noch nicht genug ist, der kann auf das umfangreiche Angebot an Originalzubehör zurückgreifen. Den Kombinations-Möglichkeiten sind dabei fast keine Grenzen gesetzt. Solo-FahrerInnen können sich beispielsweise statt des Soziussitzes einen Alu-Gepäckträger montieren, der der Royal Enfield Super Meteor 650 einen stylischen Auftritt verleiht.
Preis und Verfügbarkeit

Preise Royal Enfield Super Meteor 650

Die Royal Enfield Super Meteor 650 wird ab März 2023 bei den Händlern stehen. Preis: 7.890 Euro (In Schwarz, Blau und Grün) beziehungsweise 8.090 Euro (Interstellar Grey, Interstellar Green) und 8.390 Euro (Grand Tourer-Version in Celestial Blue und Celestial Red).

Fazit

Vollmundig nennt Royal Enfield sein neues Flaggschiff "Super Meteor". Und siehe da, die sympathische 650er ist tatsächlich ein großer Wurf. Die Konkurrenz muss sich künftig warm anziehen, um mit diesem A2-Klasse-Cruiser mitzuhalten. Der indische Traditionshersteller legte bei der Royal Enfield Super Meteor 650 nämlich nicht nur hinsichtlich Optik und Haptik zu. Und damit erweitert Enfield sein Portfolio nach oben und könnte damit auch in Deutschland viele Käufer und Käuferinnen glücklich machen.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023