Test BMW R 1200 C Chromödienradl

Die bayerische Fassung des amerikanischen Traums - ein Motorrad wie Marianne Sägebrecht in »Out of Rosenheim«.

Sie haben gelacht. So richtig. Nicht höhnisch, nein - es war pure Belustigung. Wir standen uns an einer Ampelkreuzung gegenüber. Sie auf ihren gechoppten Ami-Bikes, ich auf dem Nährboden ihres Heiterkeitsausbruchs: BMW R 1200 C - riesiger, chrombehangener, bayerischer Cruiser.
Die Rotphase hielt extrem lange an. Cool bleiben. Sollen die Jungs doch lachen. Haben´s ja auch nicht gerade leicht mit ihrer knochentrockenen Hardcore-Philosophie. So ein Leben am Ape-Hanger, einen Starrahmen im Kreuz ist bestimmt nicht der reine Spaß. An Wilhelm denken, bester aller Nachbarn, der Abend für Abend herüber pilgert, um diese große, glitzernde Maschine zu bewundern.
Sie weckt Emotionen, die C von BMW. Und das ist gut. Denn »Gefühle haben Zukunft«. Zumindest laut BMW-Prospekt. Von gräßlich bis genial reicht das Meinungsspektrum übers Design des Techno-Cruisers. Enthaltungen gibt´s keine. Verständlich - bei dem Auftritt. So fremd, so kurios, so nonkonform kam selten ein Motorrad daher.
Bei allem Respekt jedoch vor dem Mut der Bayern: Das Cockpit ist ein visuelles Desaster. Nur Insektenköpfe sehen unter Umständen fieser aus. Und dieser Lenker... An einem Cruiser geht so ein Soft-Chopper-Henkel einfach nicht durch.
Wie? Zu viel persönliches Ermessen. Ich dachte, Gefühle hätten Zukunft. Oder war das anders gemeint? Wäre jetzt vielleicht klüger, die Sache mit dem Chrom nicht mehr zu erwähnen. Sieht ja eh jeder, daß es da auch ein Eimerchen weniger getan hätte. Zumal die Oberflächenbehandlung von schlechter Qualität ist: Zwei Tage Regen, schon beginnen die Schraubenköpfe zu rosten. Und beim Versuch, hartnäckige Flecken mittels Chrompaste zu entfernen, bekommt der Putzteufel einen Herzinfarkt, während der edle Glanz unter feinen Kratzern erblindet.
Das Motorrad in der R 1200 C erlaubt sich indessen keine großen Schwächen. Unter Cruisern zählt die BMW zu den besten Fahrstühlen überhaupt. Allein die Sitzposition: Entspannung pur. Absolut souverän - solange man die Mauchen nicht auf den albernen Fußplatten über den Zylindern parkiert. Das Fahrwerk selbst: narrensicher. Sreßfrei und obendrein dynamisch. Ja: dynamisch. Ungeachtet der imposanten Leibesfülle, trotz 277 Kilogramm Gewicht. Man kann diesen Koloß unbesorgt ins Kurven-Labyrinth werfen. Handlichkeit, Schräglagenfreiheit und Stabilität sind den meisten Situationen gewachsen. Ins Schaukeln gerät der Dampfer wenn der Asphalt Wellen schlägt. Dann ist die hintere Zugstufendämpfung mit ihrem Latein an Ende.
Immerhin agiert das Testmotorrad gnädiger als das Präsentations-Modell, mit dem Kollege Bäumel vor sechs Wochen durch Arizona bretterte. Die Münchener jedoch schwören, nicht mal den kleinen Finger ans Federbein gelegt zu haben. Serienstreuung? Wunderheilung? Egal. Jedenfalls schlägt das Heck im Solobetrieb kaum noch durch, und die Federhärte rangiert im erträglichen Bereich.
Die Bremsen der C sind über alle Zweifel erhaben. Zumindest in Verbindung mit dem sündhaft teuren ABS. Knapp 2000 Mark Aufpreis sind dafür fällig. Doch die Investition lohnt. Nicht nur aus Sicherheitsgründen, auch wegen des hohen Unterhaltungswerts sinnfreier Vollbremsungen unter reulosem Genuß eines 100prozentigen Bremsnickausgleichs. Das gibt´s nicht alle Tage.
Würfe sich der Motor nur halb so vehement ins Zeug - die R 1200 C wäre der Fixstern am Cruiser-Himmel. Gemessene 65 Pfredestärken sind für ein solches Trumm allerdings nicht sonderlich berauschend. Schon klar, viel Bumms bei niedrigen Drehzahlen und so. Ist ja auch schön: Nach dem Anfahren den füften Gang rein - Feierabend. Doch könnte der im oberen Bereich gekappte Zweizylinder über Standgasdrehzahl noch mehr Drehmoment entwickeln. Und etwas mehr Temperament in höheren Regionen würde ihm ebenfalls nicht schaden. Man stelle sich nur mal vor: Ein kurzer Dreh am Gasgriff, und den Hardcores fiele das Grinsen aus den Gesichtern.
Absolut überzeugend agiert der Vierventil-Boxer im Leerlauf, wenn die Kolbenschläge durchs Gebälk dringen, wenn das Bike pulsiert und der Körper in sanfte Schwingung versetzt wird. Im Fahrbetrieb verliert sich dieses Spezifikum. Was bleibt, sind Vibrationen, die ab 110 km/h störende Züge annehmen.
Nervig auch die Schaltung. Wie im Prospekt versprochen: »Es entstand eine echte BMW.« Das heißt: Wenn die Fuhre steht, rastet der erste Gang oft nur nach mehrmaligem Kuppeln ein. Schaltet man schon im Rollen runter, fährt ein granatenmäßiger Schlag durchs Getriebe. Hört sich mindestens so uncool an wie das Klackern des Kardanantriebs. Abgesehen davon macht der allerdings keinerlei Zicken. Obschon die Monolever-Schwinge ohne Paralever auskommen muß, halten sich die sogenannten Kardanreaktionen in Grenzen. Die Länge der Einarmschwinge macht´s.
Daß Länge jedoch nicht immer hilft, verdeutlicht der überdimensionale Ausleger des Seitenständers. Dicht hinter der Fußraste ragt er über den Auspuff hinaus. Ein falscher Tritt - zack! - klappt der Ständer katapultartig aus, und der Motor stirbt ab. Ohne Schmarrn: Während des Tests ist dieses Mißgeschick nicht nur einem Volltrottel, sondern gleich zwei Leuten passiert.
Er hat seine Eigenarten, der bajuwarische Wuchtbrummer. Von den lederbezogenen, nach unten gebogenen Lenkergriffen rutscht man mit Textil-Handschuhen ab. Die Kontolleuchten im Cockpit sieht man kaum. Und wer mehr als 15 Liter Super im 17-Liter-Tank unterbringen will, sollte sich auf Tröpfcheninfussionen verstehen. Bei jedem anderen Cruiser würde man über solche Kleinigkeiten großzügig hinwegsehen, doch die R 1200 C ist »die BMW unter den Cruisern«. Steht im Prospekt.

Mein Fazit

Man muß nicht unbedingt die BMW-Brille aufsetzen, um die R 1200 C gut zu finden, aber es hilft. Zumindest habe ich keinen Bayern-Fan getroffen, der sich negativ über die C äußerte und keinen echten Cruiser-Freak, der sie unumwunden annahm. Übers Design der BMW läßt sich trefflich streiten, und das ist gut so. Nichts Schlimmeres, als ein neues Motorrad, und keiner guckt hin. Unter objektiven Gesichtspunkten gibt´s an der R 1200 C wenig zu meckern. Der Sitzkomfort könnte kaum besser sein, das Fahrwerk funktioniert ordentlich, die Bremsen sind top, und auch der Boxer-Motor geht in Ordnung, obschon er ein paar PS mehr gut vertragen könnte. Ist schon ein »bissi« ereignislos der Zweizylinder.

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