Die Farbe ist egal - Haupsache schwarz. Harley-Davidson tritt mit der Night Train den Beweis an, daß Chopper nicht mit glänzendem Chrom übersät sein müssen. Schlicht in Schwarz wirkt auch.
Die Farbe ist egal - Haupsache schwarz. Harley-Davidson tritt mit der Night Train den Beweis an, daß Chopper nicht mit glänzendem Chrom übersät sein müssen. Schlicht in Schwarz wirkt auch.
Es gibt Dinge, die gehören einfach unausweichlich zusammen. Dick und Doof, Bud Spencer und Terence Hill, Schwaben und Spätzle oder der Papst und die katholische Kirche. Nach landläufiger Meinung bilden auch Chrompolitur und Chopper eine untrennbare Einheit. Doch wo sich sonst die Sonne in auf Hochglanz gebrachten Chromteilen widerspiegelt, findet sich in diesem Fall eine in mattschwarzen Schrumpflack getauchte Konstruktion aus Alu und Stahl. FXSTB oder gutbürgerlich Night Train nennt Harley-Davidson die neue, fast völlig in Schwarz gehaltene Kreation der Softail-Baureihe.
Beinahe mit magischer Gewalt zieht der im Trauer-Look gehaltene Big-Twin aus Milwaukee die Blicke auf sich. Weit aufgerissene Augen konkurrieren mit noch weiter aufgerissenen Mündern. Wer Night Train fährt, sollte das Rampenlicht nicht scheuen. Faszination pur - das ist es, was das amerikanische Schwermetall so einmalig macht.
Kaum sechs Handbreit über dem läßt sich der Fahrer in der Sitzkuhle nieder. Die Füße werden weit vorne auf den gummiumantelten Fußrasten plaziert, die Arme strecken sich nach der Lenkstange auf ihren verchromten Risern - zusammen mit der verchromten Lampe die beinahe letzten Attribute einer glanzvollen Vergangenheit. Genau so stellt man sich die Sitzposition auf einem Chopper vor, und bequem ist sie auch noch. Wenig Komfort bietet dagegen der Beifahrersitz. Hart, kurz und schmal, taugt er eigentlich besser zur Gepäck- denn zur Personenbeförderung. Dennoch, trotz mehrfacher Nachfragen bleibt die Sozia bei den Testfahrten hartnäckig - ein Fahrzeugwechsel kommt überhaupt nicht in Frage. Faszination ist schon eine seltsame Sache.
Unbeholfen wie ein Kind bei seinen ersten Gehversuchen stolpert die Harley über schlechte Wegstrecken und macht einem dabei sofort klar: Der American way of drive verlangt nach weitläufigen, gut ausgebauten Highways. Zügig angegangene Kurven quittiert die Night Train mit heftigem Schlingern. Wer es noch doller treibt wird vom Seitenständer und der Auspuffanlage in die Schranken verwiesen. Durch harten Bodenkontakt und reichlich Funkenflug zeugen sie vom Ende der Schräglagenfreiheit. Während die Hinterradfederung sämtlichen Bodenunebenheiten mit Ignoranz begegnet und das schwere Scheibenrad kaum am Boden halten kann, kündet das metallische Klacken der Gabel beim starken Einfedern vom Ende ihrer mechanischen Belastbarkeit. Sie geht gnadenlos auf Block, und das Drahtspeichen-Vorderrad beginnt zu springen. Da hilft nur die freiwillige Selbstbeschränkung, also Gas wegnehmen. Schade, denn entgegen vieler früherer Testmaschinen mit dem 1340er Evo-Triebwerk gibt sich die Night Train überaus spritzig. Und das, obwohl laut Harley-Davidson an der Motorabstimmung nichts geändert wurde. Willig dreht der Stoßstangen-Twin auch in höhere Drehzahlregionen. In ungewohnter Eile sieht sich der Schaltfuß genötigt, die nächste Fahrstufe einzulegen.
Was aber geblieben ist, sind die deftigen Lebensäußerungen des V2. Die Füße wandern eigenmächtig von den Fußrasten. Die Rückspiegel zeichnen nur ein sehr verzerrtes Bild der Wirklichkeit und die Hände kämpfen vergeblich gegen das Gefühl der Taubheit an. Aber auch das ist wohl ein Teil der Faszination.
Keinerlei Begründung läßt sich dagegen für die schlechten Bremsen der Night Train finden. Die einsame Scheibe am Vorderrad hat reichlich Mühe den schwarzen Koloß seiner Dynamik zu berauben. Bei heftigem Zugriff am Bremshebel beginnt der schmale Vorderreifen zwar bald zu pfeiffen und zu wimmern, eine adäquate Verzögerung stellt sich aber nicht ein. In Verbindung mit der schlecht abgestimmten Gabel ein echtes Sicherheitsmanko und wer jetzt auf die Unterstützung der hinteren Scheibe vertraut, der hat auf Sand gebaut. Schlecht dosierbar, bringt sie das Hinterrad unvermittelt zum Blockieren und die Harley auf Schleuderkurs. Wenn die Maschinen aus Milwaukee auch in vielen Punkten als Vorbild für die ganze Szene gelten, in puncto Bremsen dürften die Amerikaner ruhig ungeniert so manchen Japanischen Anbieter kopieren.
Für wen aber die Faszination und der Mythos dieses Schwermetalls alles ist, der wird großzügig über dessen Schwächen hinwegsehen. Von ihrer Wesensart ist und bleibt die Harley-Davidson Night Train eben ein Motorrad zum Flanieren über die Showmeilen dieser Welt. Und dieses Metier beherrscht sie perfekt.