Vergleichstest Honda VF 750 C gegen Triumph 900 Adventurer

Vergleichstest Honda VF 750 C gegen Triumph 900 Adventurer

Für Raumgleiter gibt es englische und japanische Cruiser, Top Fun statt Top Gun?

Abhängige Arbeitsverhältnissse versprechen nicht nur regelmäßiges Gehalt, gelegentlich erfordern sie auch, über den eigenen Schatten zu springen: Wenn einen zum Beispiel schon am frühren Montagmorgen - und kalt war es obendrein - das Ansinnen ereilt, man möge sich doch bitte des Vergleichs der Honda VF 750 C mit der Triumph 900 Adventurer annehmen. Eine Bitte, die man nicht so leicht abschlagen kann. Kollege Siggi Güttner, ebenfalls gebeten, am Test teilzunehmen, konnte ebenso wenig nein sagen, und so kam es, daß sich zwei eher sportlich ambitionierte Motorradfahrer etwas ratlos die Frage stellten: Was, bitteschön, ist eigentlich ein Cruiser?


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Erst das Wörterbuch erklärte diesen in Motorradfahrerkreisen viel strapazierten Anglizismus. Es definiert to cruise mit auf Kreuzfahrt gehen, umherfahren. Deutlich schlauer planten die beiden Tester alsdann eine Kreuz- und Querfahrt durch die Vogesen, um der Sache auf die Schliche zu kommen. Bereits beim Anblick war ihnen aufgefallen, daß sich beide Motorräder konzeptionell stark unterscheiden. Allein, die Hersteller definieren sie - womöglich in Unkenntnis der glasklaren Definition? - gleichermaßen als Cruiser. So entwickelte Honda ein eigenständiges Modell, das sich mit tiefer Sitzposition, flacher Gabel mit langem Nachlauf, breitem Lenker und langem Radstand stark an amerikanischen Vorbildern orientiert.

Triumph dagegen kopierte japanische Praktiken aus den 70er Jahren: Man nehme eine Thunderbird, montiere einen anderen Lenker, verpasse dem ganzen ein neues Heck, und fertig ist der Cruiser. Doch wie gesagt, die Kreuzfahrt soll entscheiden. Bereits nach den ersten Metern korrespondiert der optische Eindruck mit dem Fahrgefühl. Der Fahrer sitzt mit lässig vorgestreckten Armen, die Hände entspannt am Lenker, 720 Millimeter tief in der Honda. Die Beine lümmeln bequem auf weit vorn liegenden Fußrasten. Ganz anders bei der Triumph: 780 Millimeter hoch, auf dem Motorrad also, und die Arme stark angewinkelt. Die Hände krampfen an dem zu hohen und stark nach unten gekröpften Rohr, die Beine winkeln sich auf hoch und vergleichsweise weit hinten plazierte Fußrasten hinab - cruisen kann das ja wohl nicht sein.

Doch die beiden sind mittlerweile richtig schlau und wissen, daß der ebenfalls häufig in Verbindung mit diesen Bikes verwendete Begriff to customize bedeutet, daß diese Dinger individuell hergerichtet sein sollen. So geben sie gerne zu, daß Fahrer anderer Statur die Sache auch umgedreht beurteilen könnten. Ihnen jedenfalls fallen zur Honda nach Hunderten von Kilometern keine Klagen ein, während sie auf der Triumph schon nach kürzeren Etappen Verspannungen in Armen, Kreuz und Beinen plagen. Dazu trägt auch deren Fahrwerksabstimmung bei: Die komfortabel abgestimmte Telegabel spricht zwar ausreichend sensibel an, das aufwendig über Hebelumlenkung angelenkte Federbein mißhandelt den Fahrer aber übel. Schon geringste Bodenwellen quittiert es mit heftigen Stößen und gibt diese nahezu ungefiltert weiter. Dafür macht die zu geringe Zugstufendämpfung durch ein fröhlich nachwippendes Heck auf sich aufmerksam.

Erst beim Umstieg auf die Honda kommt das echte Kreuzfahrergefühl auf: Selbst rauhe See mit starken Wellen bügelt die VF 750 C glatt. Die Gabel spricht noch sensibler an als die der Triumph und bietet optimalen Komfort. Auch das Heck mit zwei simplen Federbeinen schwebt sanft über jeden Buckel. Allein die Zugstufendämpfung könnte stärker sein, denn das Heck winkt langen Bodenwellen kräftig wippend nach. Außerdem: Motorisierte Kreuzfahrten scheinen eine Sache für lonesome Sailors zu sein, denn die Honda hält nur ein dürftiges Sozius-Plätzchen parat, bei der Triumph ist dieses gar aufpreispflichtig. Auch bei der Fahrstabilität liegen Welten zwischen den beiden Kontrahenten. In Kurven mit Bodenwellen fängt die Triumph fröhlich zu pendeln an, verlangt fortwährend Kurskorrekturen.

Die Honda liegt dagegen stur am Wind, kippt bei Bodenwellen höchstens mal leicht um die Längsachse. Beim normalen Cruisen eher von geringer Bedeutung, verstärkt sich bei der weniger bekannten Variante, dem Scruisen (Speed-Cruisen), das rege Eigenleben der Triumph. Ab 160 km/h beginnt sie beängstigend zu pendeln. In Kurven nimmt dann selbst der hartgesottenste Seebär das Gas weg. Die Honda zieht dagegen unbeirrt ihre Bahn und selbst Bodenwellen mit nachschwingendem Heck bringen sie nicht davon ab. Klare Vorteile kann die Triumph dagegen in puncto Handlichkeit verbuchen.

 Auf den engen, kurvigen Vogesen-Sträßchen ist sie der Konkurrentin klar überlegen. Sie läßt sich deutlich leichter einlenken als die Honda, die in engen Kurven mehr Nachdruck verlangt und einen weiten Bogen nehmen will. Natürlich fordert hier die unterschiedliche Fahrwerksauslegung ihren Tribut. Außerdem erschwert der 125 Millimeter breite Honda-Vorderreifen Einlenken unnötig. Die Adventurer gibt sich mit vernünftigen 103 Millimetern zufrieden. Die unterschiedliche Reifenbreite macht sich auch beim Bremsen in Schräglage deutlich bemerkbar, denn während die sich Triumph selbst dann nur minimal aufstellt, strebt die Honda schlagartig auf. Die Bremsen wiederum ähneln einander stark, und die Einscheibenanlagen im Vorderrad reichen völlig aus, um beide Motorräder mit moderater Handkraft zu verzögern. Allein der Druckpunkt und die Dosierung fallen bei der Triumph schwammiger aus. Die hinteren Anlagen unterstützen die vorderen eher unauffällig.

Um so unterschiedlicher wieder die Antriebe: Schon von der Konfiguration differieren Dreizylinder-Reihenmotor und Vierzylinder-V augenfällig. Aber weiter: Zwar vibiriert der mittels Ausgleichswelle gezähmte Triple nur wenig, doch der Umstieg auf die Honda überrascht jedesmal von Neuem. Selbst Komfort-Fetischisten beglückt der V-Vier wunschlos, so kultiviert läuft er über den gesamten Drehzahlbereich. Auch in der Leistungsentfaltung unterscheiden sich die zwei. Den 900 cm3 großen Dreizylinder plagen große Abstimmungsprobleme im unteren Drehzahlbereich, er nimmt erst ab 5000 Umdrehungen sauber Gas an.

Gerade bei niederen Drehzahlen reagiert der Triumph-Triebling dann am willigsten, wenn die Drosselklappen nicht vollständig geöffnet sind. Im mittleren Drehzahlbereich läßt er anschließend seine Muskeln spielen, um ab 6500 Umdrehungen wieder in Lethargie zu verfallen. Trotz der Abstimmungsschwächen kann er der mit nur einem dreiviertel Liter Hubraum gesegneten Honda im unteren Drehzahlbereich im letzten Gang davonziehen, bei höheren Geschwindigkeiten holt diese wieder auf. Mit einer beispielhaft gleichmäßigen Leistungsentfaltung ohne jegliche Einbrüche dreht sie bis zum Limit von knapp 10 000 Umdrehungen. Nutzt der Fahrer die Schaltbox, kommt ihr Leistungsüberschuß von 20 PS ins Spiel, und bei vollem Einsatz geraten Überholmanöver zum Kinderspiel.

Die Triumph wirkt dann wesentlich zäher. Ihr Getriebe schaltet sich auch hakeliger als das der Honda. Der Antriebsstrang arbeitet allerdings bei der Triumph unauffälliger, weil jener der Honda in unteren Gängen im Stop- and Go-Verkehr spürbar ruckelt. Langsam wird deutlich, daß die Probe-Cruiser von MOTORRAD durch blitzenden Chrom nicht zu blenden sind. So darf nicht wundern, wenn ihnen auch die CEV-Instrumente der Triumph mißfallen, die nicht nur optisch, sondern auch funktionell an die englischen Smiths-Uhren erinnern. Bis 160 km/h zittert die Tachonadel hoch, um sich dann bei dieser Geschwindigkeit festzubeißen. Auch der Drehzahlmesser läßt mit mangelnder Dämpfung die Drehzahl nur erahnen und weigert sich im oberen Bereich schlicht, sich auf eine Drehzahl festzulegen. Keinen Grund zur Beanstandung geben die Honda-Instrumente.

Dafür nervt die VFC 750 bereits bei Fahrtantritt mit getrenntem Zünd- und Lenkschloß, zudem sitzt der Choke wenig bedienungsfreundlich an den Vergasern. Sie benötigt die Starthilfe nur kurze Zeit, die Warmlaufphase der Adventurer währt bei niederen Temperaturen deutlich länger. Hauptständer zur leichteren Kettenpflege scheinen nicht Cruiser-like. Das Abblend- und Fernlicht der Motorräder leuchtet die Fahrbahn ordentlich, wenn auch nicht sensationell aus. In der Leuchtweite und -stärke verbucht die Triumph leichte Vorteile, im Umgang mit dem Kraftstoff hat sie dann klar die Nase vorn. Je nach Fahrweise konsumiert sie bis zu einem Liter weniger. Zudem gestattet ihr Tankvolumen eine größere Reichweite, wobei die Reserve beiden Motorrädern bei gemäßigter Fahrt noch zirka 65 Kilometer gestattet.

Einen klaren Vorteil verschafft sich die Triumph schließlich, wenn es um die Umwelt geht. Allein sie hat einen ungeregelten Katalysator, der - den blau angelaufenen Krümmern nach zu urteilen - seine Arbeitstemperatur zügig erreicht. Eine Seefahrt, die ist lustig: Auch nach zweitägigem Cruisen über die obligatorischen Geraden, aber auch durch Hunderte von engen und weiten Kurven war nicht zu erwarten, daß die beiden sportiven Tester das Ufer wechseln. Aber SOS haben sie auch nicht gefunkt. Sehr zur Verwunderung der neugierigen Kollegen berichten sie, die Honda verleite mit ihrer lockeren Sitzhaltung und dem kultivierten Antrieb selbst den Sportfahrer auf Dauer zu entspanntem Dahingleiten, also vermutlich dem, was unter Cruisen zu verstehen sei.

Aufgrund ergonomischer, antriebs- und fahrwerksseitiger Schwächen verweisen sie die Triumph zurück in die Werft.nicht so recht einstellen. Da zeige sich eben, daß aber auch wirklich alles ordentlich gemacht sein müsse. Vor allem Cruiser. Dann sind sie wieder raus, zum Scruisen. Auf CBR und GSX.

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