450-km-Tour mit der Energica Eva

450-km-Tour mit der Energica Eva Unter Strom

Mit dem Motorrad über die Alpen – keine große Sache. Außer, es handelt sich um ein Elektromotorrad. Dann wird die Tagestour von den Dolomiten bis nach München fast schon zum Abenteuertrip.

Unter Strom Zep Gori

Karte ungültig.“ Ungläubig starre ich auf das Display an der Ladestelle in Bozen, wo ich die Energica Eva mit Strom füttern will. Das kann nicht sein! Erst gestern habe ich die Ladekarte des Südtiroler Energieversorgers Alperia gekauft, das Guthaben ist kaum angetastet. Und doch will der blöde weiße Kasten keine Energie rausrücken.

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Dass die Ladestelle an einer trostlosen Kreuzung liegt und bei 41 Grad weit und breit keine Erfrischungsgetränke in Sicht sind, hebt meine Laune nicht gerade. Auch nicht, dass sich mein Kumpel Zep, mit herkömmlichem Benzinantrieb unterwegs, derweil fast schlapp lacht. Ungewohnt fürsorglich hatte er mich nach dem Test der Energica Eva zur ersten Ladestation begleitet. Wie viele andere Biker traut er der neuen Elektrotechnik nicht so recht.

Ich dagegen hatte reichlich unbekümmert und ganz spontan beschlossen, mit der Eva von den Dolomiten aus nach München zu fahren. Schließlich sind wir in Mitteleuropa, Strom gibt’s hier überall. Am besten natürlich an Schnellladestationen, wo die Eva ihre Akkus in knapp einer halben Stunde auffüllt; Hersteller Energica hat ihre Packtaschen aber auch mit einem Ladekabel für normale Steckdosen ausgestattet. Was also soll da schiefgehen?

Unerwartet viel. Bei der Planung der Route stellt sich heraus, dass es an der Strecke über den Brenner nicht genug schnelle Elektrotanken gibt. Eine schon, in Sterzing, aber leider exklusiv für Tesla. Na gut, fahre ich halt über Reschen- und Fernpass und schlage mich ansonsten auf kleinen Sträßchen durch. Das erste Mal aufladen will ich in Bozen, nur gut 50 Kilometer nach dem Start. Eigentlich halten die Akkus deutlich länger, aber da sich meine Erfahrung mit Elektromotorrädern in Grenzen hält, bin ich lieber vorsichtig. Doch wo genau befindet sich die Ladestation in Bozen? Das Internet schlägt drei verschiedene Adressen vor, erst ein Anruf beim Betreiber Alperia bringt Klarheit. Starten will ich möglichst früh, denn die Hitzewelle in Italien soll einen neuen Höhepunkt erreichen. Doch dann macht mir der Wirt unserer Frühstückspension einen Strich durch die Rechnung. Ungefragt klemmt er nachts zwischen das Ladekabel der Eva und die Steckdose ein Verlängerungskabel. Mit dem Ergebnis, dass die Akkus sich nicht voll aufladen, ich morgens nachlegen muss und später wegkomme als geplant.

Nächstes Hindernis: Das Motorrad verbraucht zu wenig! Nach 50 Kilometern bergab sind die Akkus noch zu 87 Prozent voll, das Laden klappt aber erst unter 85 Prozent. Also drehe ich ein paar Extrarunden im glühend heißen Bozen, bevor ich mich hoffnungsvoll zur Ladestation aufmache. Und nun die Pleite mit der Karte! Durch einen Anruf bei der Störungsstelle des Betreibers löst sich das Problem, Alperia füllt die Akkus kostenlos auf und versichert, dass die Karte jetzt wieder funktioniert. Halbwegs beruhigt verabschiedet sich Zep, und ich ziehe allein über winzige Landstraßen weiter. Zugegebenermaßen meist mit gebremstem Schaum, um nur ja nicht zu viel Strom zu ziehen. Erst 30 Kilometer vor der nächsten Tanke in Mals lasse ich die Energica von der Leine – und begeistere mich sofort wieder an ihrer ungemein direkten Reaktion und dem enormen Drehmoment. So dürfte es meinetwegen endlos weitergehen.

Tut es aber nicht, die geringe Reichweite fordert ihren Tribut. Die Tanke in Mals liegt schon wieder ziemlich abseits – keine Chance, während des Ladens etwas Kaltes zu trinken. Dafür mache ich Pause am Ufer des Reschensees. Wie immer bei einem Stopp mit dem Elektromotorrad bin ich sofort von Neugierigen umringt, die unzählige Fragen stellen. Mein Reiseschnitt geht da völlig flöten.

Ähnlich läuft es in Landeck, wo mich Google brav zur Schnelllade führt. Aber wo ist die denn nun genau? Ein geparkter Lieferwagen versperrt die Sicht, doch der Motorradhändler Thomas Sailer, der gleich nebenan residiert, weist mir den Weg. Und hat natürlich ebenfalls viele Fragen, beim Cappuccino verfliegt die Zeit wie im Nu. Strom statt Benzin reden, sozusagen. Für diese Elektrotanke braucht es nicht mal ­eine Ladekarte, auf einem Schild bittet der Betreiber um ein paar Euro als Unkostenbeitrag. Selbst das übernimmt der begeisterte Thomas Sailer für mich. So eine Elek­tro-Tour birgt zwar einige Tücken, aber auch viele interessante Begegnungen.

Moralisch und physisch gestärkt hangle ich mich weiter über den Fernpass bis zum tiefgrünen, reizvollen Plansee. Warum war ich hier denn bloß noch nie? Offenbar braucht es erst eine ausgewiesene Ladestation, um mich solche Schönheiten entdecken zu lassen. Im Hotel „Ammerwald“, das BMW gehört, sorgt das Personal für Hilfe jeder Art. Jessica an der Rezeption versorgt mich mit Informationen und einem alkoholfreien Weißbier, ihr Kollege Thomas parkt flugs den BMW i3 um, der gerade am Ladekabel hängt und macht so Platz für mein Motorrad. Sogar übernachten könnte ich, sagen sie, falls ich zu müde zum Weiterfahren sei.

Mehr als ein Bett lockt jedoch die leere, kurvenreiche Strecke. Mit vollen Akkus gehen die Eva und ich sie engagiert an, es kribbelt in der Gashand genau wie im Bauch. Nach 30 flotten Kilometern stelle ich ernüchtert fest, dass mir nur noch 60 Prozent Ladung bleiben. Sofort drossle ich das Tempo wieder, die nächste Elektrotanke, von der ich weiß, ist die Autobahnraststätte Höhenrain. Bis ich dort ankomme, außer den letzten zwei Kilometern immer auf verwinkelten oberbayerischen Sträßchen, ist es dunkel. Den Strom gibt’s kostenlos, aber die Ladestation liegt weitab der Tankstelle auf dem völlig finsteren Parkplatz – kein wirklicher Spaß, dort eine halbe Stunde herumzustehen.

Dafür entschädigen die Tage in München. Ladestationen gibt es reichlich, und innerstädtische Tempobeschränkungen wegen Luftreinhaltung sorgen für ein leichtes Überlegenheitsgefühl – mit lauter Fahrzeugen wie der Energica wären die gar nicht nötig. Keine Frage, das Elektromotorrad hat mich elektrisiert. Am liebsten würde ich es per Achse zurück zum Hersteller nach Modena bringen. Doch leider fehlen südlich des Gardasees schnelle Elektrotanken fast völlig. Also gebe ich mich geschlagen und die Eva bedauernd bei Gerhard Ziegler, Manager von Energica in München, ab. Zurück nach Italien nehme ich den Zug. Wenigstens fährt der auch mit Strom.

Kommentar

Eva Breutel, Italien-Korrespondentin von MOTORRAD, über Für und Wider von Elektromotorrädern

Am besten sage ich es gleich: Die Energica Eva fasziniert mich. Dieses unglaubliche Drehmoment fast aus dem Stand, dieser enorme Druck, kaum dass man am Gasgriff dreht, diese Unkompliziertheit im Kurvengeschlängel – das ist Fahrspaß pur. Und die Möglichkeit, die Stärke der Motorbremse einzustellen, finde ich echt spannend. Klar gibt es Nachteile, neben dem hohen Preis ist das vor allem die geringe Reichweite von gut 100 Kilometern in der Praxis; glatt fünfmal habe ich auf dem 450-km-Trip geladen. Einmal weniger hätte auch ge­reicht, doch schnelle Ladestationen sind noch dünn gesät, und es fehlt ein Informationsportal, in dem alle verzeichnet sind. Auch verlangen manche Betreiber spezielle Ladekarten und die Lage vieler Ladestationen trägt ebenfalls nicht zur Freude bei, denn Kaffee trinken, während die Akkus aufgeladen werden, hat bei meiner Tour mangels Angebots fast nie funktioniert. Es scheint, als wären Nutzer von Elektroenergie noch eine Art Paria, die ins Abseits gehören.

Doch machen wir uns nichts vor: So abseitig Elektromotorräder derzeit noch erscheinen mögen, die Technik wird kommen. Die Politik hat sich offensichtlich bereits für Elektromobilität entschieden, und die macht vor Motorrädern nicht halt. Ehrlich gesagt, habe ich auch nichts dagegen. Mir fehlen weder klappernde Ventile noch Lastwechselreaktionen. Selbst mit dem viel kritisierten hochfrequenten Heulen des Motorrads kann ich mich anfreunden. Und Schrauben war noch nie mein Ding, weshalb mir der wartungsarme Motor willkommen ist. Ich will mit einem Motorrad vor allem fahren. Das klappt mit einem Elektromotorrad genauso gut wie mit einem Benziner. Sobald es genügend schnelle Ladestationen gibt, steht dem wenig entgegen. Nach 100 Kilometern auf der Landstraße – und genau da gehören Motorräder hin – mache ich dann eben eine Pause. Und lade meine Akkus genauso wieder auf wie die des Motorrads

Elektro-Zweiräder in Europa

Das aktuelle Angebot an Motorrädern und großen Rollern mit elektrischem Antrieb beschränkt sich in Europa derzeit auf einige wenige Exemplare. Da MOTORRAD sie noch nicht alle getestet hat, entsprechen die ­nebenstehenden technischen Daten zu Leistung, Gewicht, Reichweite und Ladezeiten den Angaben der Hersteller und beziehen sich jeweils auf das stärkste Modell und die schnellste Lademöglichkeit. Die Reichweite hängt allerdings ganz entscheidend vom Fahrstil ab und liegt oft deutlich unter den Herstellerangaben.

Energica Ego

Die sportliche Variante der Eva. Hersteller: ­Energica aus Modena/Italien, 100 kW (136 PS), 195 Nm, Reichweite: bis 200 km, Ladezeit: ab 0,5 h, Gewicht: 258 kg, Preis: ab 30 400 Euro

KTM Freeride E-XC

Von ursprünglich drei Modellen baut KTM nur noch die Enduro mit Euro 4. 16 kW (22 PS), 42 Nm, Reichweite: ca. 50 km, Ladezeit: ab 1,5 h, Gewicht: 108 kg, Preis: 11 295 Euro

BMW C evolution

Mit Batterien aus dem i3 peppte BMW die Reichweite seines E-Rollers auf. 35 kW (48 PS), 72 Nm, Reichweite: ca. 160 km, Ladezeit: ab 2 h, Gewicht: 275 kg, Preis: 15 150 Euro

Johammer J1

Selbst konstruierte Akkus kennzeichnen die Johammer aus Österreich. 16 kW (22 PS), Reichweite: ca. 200 km, Ladezeit: ab 1,5 h, Gewicht: 178 kg, Preis: ab 24 900 Euro

Zero S/SR

Neben Straßenmodellen bietet Zero auch Enduros und eine Supermoto. 52 kW (69 PS), 146 Nm, Reichweite: bis 325 km, Ladezeit: ab 3,1 h, Gewicht: 208 kg, Preis: ab 21 285 Euro

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